Kann man über Metal-Festivals noch schreiben, ohne die Worte »Pommesgabel« und »Metalheads« zu benutzen? Angesichts der üppigen Wacken-Berichterstattung – sogar auf arte liefen Mitschnitte – scheint das aussichtslos. Sei’s drum, wagen wir es trotzdem am Beispiel Party.san in Schlotheim.
Hitze- und Schwitzewellen scheinen zur diesjährigen Festivalsaison einfach dazuzugehören – ich sage nur Melt! –, weshalb wir an dieser Stelle die Rekordtemperaturen trotz hoher Regenwahrscheinlichkeit nicht weiter betrachten. Doro & Co. wurden übrigens auch nicht vermisst auf einer Party.San-Ausgabe, bei der das Gros der Headliner ihre Sache komischerweise nicht erfüllten. Satyricon, Katatonia und Solstafir sollte man auf Extrem-Metal-Festivals einfach gar nicht mehr einladen. Das ist Popmusik, die ihre Berechtigung hat, aber im Line-Up zwischen tödlicher Präzision und Dauerbeschuss wie das Drohen mit dem Frühstücksmesser wirkt. Zu diesen Downern gesellten sich noch die etwas zu midtempolastigen Obituary und die dieses Mal desaströsen Watein, die selbst in Punkto Theaterkritik durchfielen – nicht nur, weil schlechtes Timing und Wind die Feuershow überflüssig machten. Warum denn sitzt der Schlagzeuger in einem Renaissance-Stich eines römischen (?) Amphitheaters? Wieso brennen da Mauern, während der Rest der Band davor Platz nimmt? Weshalb der Sänger dann auch noch einen Knüppel o. Ä. ins Publikum feuert, wird nur er wissen. Black Metal halt, könnte man meinen.
Allerdings bewiesen Inquisition und Kampfar in Mugge und Bild aufs Beste, dass die Spielart nicht mit so plumpen Mitteln auskommen muss. Kehlig-knarzig und irgendwie groovy die einen, gruben sich die anderen mit schnörkellosem Saitensägen und Snaregeklöppel in die Gehörgänge. Auch Marduk konnten gerade durch Verzicht auf zu große Gesten und durch gut komponiertes Licht begeistern. Steuerte mit Jig-Ai, Aborted und Napalm Death die Grindfraktion nicht überraschend, aber nicht weniger begeisternd die massivsten Circle-Pits und eine Wall of Death bei, so punkteten auch die hinter der Headliner-Front postierten Death-Metal-Geschwader. Den ersten Tag entschieden eisig-eindeutig wie kaltes klares Wasser Grave für sich. Benediction, Misery Index und Suffocation zertrümmerten die zweite Nacht, bevor die etwas zu früh eingesetzten Nautic-Doomer Ahab das Schweißbad vor der Bühne mit meeressehnsüchtigen Möwengesängen ironisierten (gewiss: »The Hunt« war dabei). Malevolent Creation leiteten die samstägliche Napalm-Death-Session, deren abschließendes Thrash-Finale den totalen Überrumplungsfaktor offenbarte. Wer hätte damit gerechnet, dass die alten Helden von Kreator noch einmal allen die Wurst von der Stulle ziehen?
Wer aber nur einen ordentlichen Abschluss der seit mehr als 30 Jahren soliden Ruhrpott-Zertrümmerer erwartet hatte, dem wurde Verblüffung bis zur Sprachlosigkeit um die Ohren gedonnert. Einerseits mäßigte sich Front- und Rampensau Mille gehörig, was seine dummen Ansagen betraf. Und dann vereinte sich das Metal-Geballer mit einer derart licht- und bildgewaltigen Show, vor der so mancher Regietheateransatz verblasst. Dramaturgisch geschickt schlug sich der Bogen vom opulenten Pyro- und Scheinwerfer-Strahlentod zu den reduziert-dosierten Giften. Gerade, als die auftrumpfende Choreografie den Zuschauer zu erschlagen drohte, wurde sie zurückgefahren, etwa ein zartes Solo auf der Akustikgitarre vorlegt, das dann erneut in Strahlgewittern mündete. Well done, Mille! Well done, Party.San, das einmal mehr ohne Bullshit und überflüssiges Beiwerk (ok, für den hübsch-romantischen Vollmond über der Bühne könnt ihr ja nichts) auch den Sonntag-Morgen überdauerte. Thank you for the Music!