anzeige
anzeige
Sport

»Bogenschießen macht süchtig«

Ein Besuch beim Treffpunkt Bogensport

  »Bogenschießen macht süchtig« | Ein Besuch beim Treffpunkt Bogensport

Pfeil und Bogen mitten im Wohngebiet? Aber sicher, meint Göran Kraus und erklärt den Weg zur Zielscheibe.

»Bringen Sie einen eng anliegenden Pullover mit«, rät Göran Kraus am Telefon. Was vielleicht nicht so klingt, ist praktischen Erwägungen geschuldet: Während der eine Arm ausgestreckt den Bogen hält, zieht die andere Hand auf Kieferhöhe die Sehne nach hinten. Wer da im Schlabberlook agiert, riskiert, dass die Sehne sich in der Kleidung verfängt. Das ist vielleicht schon das Ernsteste, was es über Vorsichtsmaßnahmen beim Bogenschießen zu sagen gibt. Im Hinterhof eines Wohnhauses in der Südvorstadt fliegen die Pfeile durch eine Halle Richtung Zielscheiben. Die Mitte von einer verdeckt ein gelber Luftballon. Die sich übenden Schützen witzeln darüber, dass er wohl eigentlich nicht getroffen werden soll, wenn er so hartnäckig da hängen bleibt.

Kraus hat den Bogensport vor zwölf Jahren für sich entdeckt und bietet den Treffpunkt seit ungefähr neun Jahren an. Hier können blutige Anfänger oder Profis trainieren, Grundlagen und Verfeinerungen kennenlernen. Wände und Decke sind mit Bögen aus unterschiedlichen Materialien und in verschiedenen Größen und Ausführungen bestückt, Köcher mit Pfeilen stehen griffbereit, Bücher bieten Theorie. Das Equipment können auch Kindergeburtstage oder Firmen in Anspruch nehmen, außerdem besucht Kraus Veranstaltungen wie Stadtteilfeste, um Neulinge anzufixen. Das können auch die sein, die nach einmaligem, erfolglosem Probieren gedacht hatten, für Pfeil und Bogen keine Eignung zu besitzen, und die der Didakt Kraus schnell vom Gegenteil überzeugen konnte. Er weiß, »Bogenschießen macht süchtig«; seine Schüler sind der Beweis dafür.

Zwar kann Kraus auch sogenannte olympische Bögen vorführen, die mit Zielvorrichtung, Schwingungsdämpfer und Stabilisator ausgestattet sind. Er bevorzugt aber das intuitive Schießen ohne technische Hilfen, bei dem das Ziel in den Fokus genommen wird und das Zusammenspiel aus Konzentration, Atmung und automatisierter Bewegung Treffer ermöglicht. Diese Fokussierung wirkt auch mental. Kein Wunder, dass die Effekte therapeutisch für Körper und Seele genutzt werden und Kraus schon in der Psychiatrie eingesetzt wurde. Die Gruppe, die inzwischen den gelben Ballon besiegt hat, berichtet von größerem Körperbewusstsein, verschwundenen Rückenschmerzen und der Entspannung in ruhiger Atmosphäre. Sie empfinden die Schießübungen nicht als Sport, sondern als Spaß ohne Wettbewerb untereinander. Wettbewerbe sind natürlich nicht unmöglich, wie die Vitrine mit Medaillen und Pokalen beweist. Das beste Stück darunter bezeugt den dritten Platz bei der Deutschen Meisterschaft 2006, ausgestellt auf den Namen Göran Kraus.


Kommentieren


0 Kommentar(e)