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Filmkritik

Vom Träumen und Erwachen

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Vom Träumen und Erwachen | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Nicht nur bei der Berlinale, auch bei den Oscars herrschte am vergangenen Sonntag gepflegte Langeweile auf hohem Niveau. Immerhin waren mit »Grand Budapest Hotel«, »Boyhood« und »Birdman« drei überragende und mit »Imitation Game« und »Die Entdeckung der Unendlichkeit« zwei brauchbare Filme mit zahlreichen Nominierungen im Rennen – allesamt Arthouse-Hits. Das eklatante Fehlen von Blockbustern im Roster führte zu den niedrigsten Einschaltquoten seit langem, ist aber durchaus zu begrüßen. Die Show selbst mag ziemlich dröge gewesen sein, die Gewinner gehen schon in Ordnung. Die meisten kann man auch aktuell noch in Leipzig sehen (aktuelle Termine auf kreuzer-online.de), darunter auch einer, der uns besonders am Herzen liegt: Laura Poitras erhielt für »Citizenfour«, der im vergangenen Jahr das DOK Leipzig eröffnete, den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Wir gratulieren und wer ihn (noch einmal) sehen möchte, dem sei der Weg ins Luru oder die Cinémathèque empfohlen!

Film der Woche: Leipzig, Anfang der Neunziger – die Erwachsenen sind damit beschäftigt, sich in ein neues Leben einzufinden, die Jugendlichen sind auf sich gestellt. Dani, Mark, Rico, Pitbull und Paul testen die Grenzen aus, driften ziellos auf den Straßen umher und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Was zählt, ist die Freundschaft. Andreas Dresen ging es bei seiner Verfilmung des Romans von Clemens Meyer vor allem darum die Atmosphäre jener Tage einzufangen. Mit Rückblenden in eine Kindheit zwischen Fahnenappell und erster Liebe entwirft er ein Gesamtbild einer haltlosen Zeit der Möglichkeiten. Gemeinsam mit Wolfgang Kohlhaase gelingt es ihm, den wilden Stil der Vorlage zu bändigen, auch wenn die Chronologie der drei Zeitebenen nicht immer so ganz fließt. Ein Interview mit Regisseur Andreas Dresen gibts in der aktuellen Ausgabe des kreuzer.

»Als wir träumten«: ab 26.2., Passage Kinos kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Aus Ruinen«)

Der Titel täuscht: Der neue Film der Macher des Überhits »Ziemlich beste Freunde«, Éric Toledano und Olivier Nakache, handelt nicht etwa von brasilianischer Tanzkunst, sondern von einem jungen Senegalesen, der sich Samba nennt. Er lebt seit zehn Jahren illegal in Frankreich und schlägt sich mit Schwarzarbeit durch. Als ihm eine unbefristete Stelle als Koch angeboten wird, glaubt er die Aufenthaltsgenehmigung in greifbarer Nähe, wendet sich an die Behörden – und wird prompt in Abschiebehaft gesteckt. Als Betreuerin wird ihm die verhuschte Alice zugewiesen. Die arbeitet ehrenamtlich beim Sozialdienst und erholt sich gerade von einem Burnout. Samba ist ihr erster Fall, und allen Warnungen zum Trotz wirft Alice sofort ein Auge auf ihren charismatischen Klienten. Sozialdrama, Lovestory und Komödie in einem – eine gewagte Mischung, aber Toledano und Nakache schnüren das große Paket recht souverän. Verglichen mit »Ziemlich beste Freunde« ist »Heute bin ich Samba« der ambitioniertere Film. Seine eigentliche Stärke besteht darin, Komik und Tragik aus einer realistischen Milieuschilderung heraus zu entwickeln, anstatt die üblichen Cultureclash-Klischees zu strapazieren. Ausführliche Kritik von Karin Jirsak im aktuellen kreuzer.

»Heute bin ich Samba«: ab 26.2., Passage

Mit dem Rücken zum Publikum und ihren Händen am Spülbecken aufgestützt steht Marieme, während die Kamera sich langsam fortbewegt und aus dem Off von den Achtzigern eingefärbter Electropop dröhnt. Kurz zuvor hat die 16-Jährige das Klappmesser ihrer Mutter entwendet. Nun ist sie offizielles Mitglied einer raufboldigen Mädchengang. Marieme lebt in einem Plattenbau-Ghetto am Rande von Paris. Da die Mutter fast rund um die Uhr arbeitet, kümmert sie sich um die beiden kleinen Schwestern und hält schweigend die Schikanen ihres älteren Bruders aus. Ganz auf Augenhöhe ihrer jugendlichen Protagonistin und stilistisch bildschön in Szene gesetzt skizziert Sciamma in namenlosen Kapiteln deren Emanzipation. So versteckt sich hinter jeder von Sciammas Wegbegleiter Para One musikalisch untermalten Schwarzblende ein neuer Befreiungsschlag von Marieme. Der Film zeigt keine Scheu, die Probleme der Pariser Vorstadtghettos zu benennen und ist doch von einer Hoffnung getragen, die die jugendliche Protagonistin nicht als Opfer der sozialen Umstände stilisiert. Ausführliche Kritik von Eileen Reukauf im aktuellen kreuzer.

»Bande des filles«: ab 26.2., Cineding (OmU)

U.S. Navy Seal Chris Kyle hat bei seinem Einsatz im Irak eine einzige Aufgabe: seine Kameraden zu schützen. Seine überragende Treffsicherheit rettet auf dem Schlachtfeld unzähligen Soldaten das Leben, und als die Berichte seiner mutigen Taten die Runde machen, verdient er sich den Spitznamen »The Legend«. Doch auch auf der Seite des Feindes wird sein Name bekannt: Als ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wird, gerät er ins Visier der Aufständischen. Einen ganz anderen Kampf muss er an der Heimatfront bestehen: Wie soll er sich als Ehemann und Vater bewähren, wenn die halbe Welt zwischen ihm und seiner Familie liegt? Trotz der Gefahr und der gravierenden Auswirkungen auf seine Lieben daheim bewährt sich Chris auf vier grauenhaften Einsätzen im Irak, wobei er persönlich für das Seal-Motto einsteht, dass »kein Mann zurückgelassen wird«. Doch als er endlich zu seiner Frau Taya Renae Kyle (Sienna Miller) und zu seinen Kindern zurückkehrt, merkt Chris, dass es der Krieg ist, den er nicht hinter sich lassen kann. Clint Eastwood macht aus dieser Geschichte eine für Nicht-Amerikaner, bzw. Nicht-Republikaner schwer erträgliche Heldenverehrung. Zwar werden auch die Folgen des Kriegseinsatzes deutlich und auf Fronturlaub läuft Kyle als apathischer Zombie durch die Szenerie. Doch an alledem ist nur der bärtige Moslem schuld, der stets gesichtslos und undifferenziert dargestellt wird. Ein ärgerlicher Film, an dem auch die hervorragende schauspielerische Leistung von Cooper (der den Film auch produzierte) nichts retten kann.

»American Sniper«: ab 26.2., CineStar, Regina Palast, Cineplex kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »The Legend«)

Die Filmtermine der Woche

Studio RP Kahl: Sex - Begehren - Intimität

Kurzfilme von und mit RP Kahl: »Verschwendet euch« (2012), »Nude Woman« (2006), »Into the Booth« (2010/ 2012), »Rehearsals« (2012 - extract), »Darkroom Liveshooting« (2012/ 2013 - extract) – in Anwesenheit des Regisseurs

27.2., 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

 

The Doors

Umstrittener Film von Oliver Stone über die legendäre Band um Sänger Jim Morrison. In der Classic Reihe

1.3., 17.15 Uhr, Regina Palast

 

Klubkinoklub: Does humor belong to Herzog?

Die Spielfilme Werner Herzogs werden häufig als extreme Expeditionen wahrgenommen, entstanden aufgrund eines unnachgiebigen Willens zur authentischen Inszenierung – unwirkliche Produktionsbedingungen genauso vernachlässigend wie die pathologische Hybris im Cast. Dokumentarfilme konzipiert er als Kunst des öffentlichen sowie mit sich selbst geführten Gesprächs – Moral, gute Lebensführung und Individualität thematisierend. Diesen ersten Eindrücken und Herzogs Selbstcharakterisierung (»Ich bin kein Künstler, ich bin Soldat«) wenig Beachtung schenkend, wollen wir während vierer Abende fragen, ob dieses strenge Arbeitsethos uns ein Schmunzeln auf die Gesichter zaubern kann. Die Antwort sei an dieser Stelle vorweggenommen: Kann es! Uns begegnen skurrile Biografien, overreachers und underdogs, die tragikomische Lust an der Gefahr und mit Nicolas Cage jemand, der die Rolle des Leidenden schon öfter gespielt hat und dabei immer gefährlich nah an der Selbstparodie agiert.

2.3., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels

 

Fast & Furious, Teil 1-7

Für die ganz Harten: alle sieben Filme der Action-Reihe mit Vin Diesel und Paul Walker am Stück!

4.3., 14 Uhr, Cineplex

 

Anonymus

Während Queen Elizabeth England seit Jahrzehnten regiert, reift wie aus dem Nichts der Schauspieler William Shakespeare zum beliebtesten Autor, der wie kein anderer in seinen Stücken die menschliche Natur wie auch die Situation im Land widerspiegeln kann. Dabei ist der eigentliche Verfasser der Werke der Earl of Oxford - zugleich auch Erzfeind von Elizabeths intrigantem Berater. Aufgrund seiner hohen Stellung darf sich Oxford nicht als Verfasser preisgeben.

5.3., 20 Uhr, Moritzbastei


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