Noch bis Sonntag wird das erste Jugendparlament (Jupa) der Stadt gewählt und damit Neuland betreten: Nach Stuttgart ist Leipzig erst die zweite deutsche Halbmillionenstadt, in der es einen offiziellen Rat der 14- bis 21-Jährigen gibt.
Weil er selbst kein Stubenhocker ist und gern mit Freunden ausgeht, hat der junge Mann aus Gohlis eine klare Forderung an die Politik: Fahren mit Bussen und Bahnen soll kostenlos werden, damit Leipziger Schüler auch ohne Geld überall hinkommen können. Außerdem wünscht sich der 19-Jährige eine Eindämmung des Unterrichtsausfalls an den Schulen, damit man seinen Abschluss schaffen kann. So viel zu den braven Punkten. Dann sammelt er kurz Mut, um ein besonderes Anliegen loszuwerden: »Ich spreche mich, unkonventionellerweise, für die Legalisierung von Cannabis aus. Wenn es schon nicht auf Bundes- oder Landesebene möglich ist, wäre es ein erster Schritt, wenn die Stadt eine liberalere Drogenpolitik anstrebt.«
Eine ganz schön mutige Forderung, für die der junge Gohliser gerne ins erste Jugendparlament der Stadt gewählt werden möchte. Er ist einer von elf Kandidaten, die per Video im Netz Werbung für sich machen. Und wer sich Sorgen gemacht haben sollte, die Jugend von heute sei völlig unpolitisch und an der Gestaltung ihres Umfeldes nicht interessiert, der wird beim Betrachten der gefilmten Selbstvorstellungen schnell Beruhigung finden.
Die wichtigsten Anliegen lauten: Das Angebot an und in den Jugendclubs soll verbessert, die Beteiligung aller Jugendlicher ausgeweitet und die Grünflächen in der Stadt vermehrt werden. Ein Azubi aus Connewitz tritt für ein Bleiberecht für alle Geflüchteten ein, ein anderer dichtet sein Wahlvideo, zitiert französische Autoren und Goethe. Auch bodenständige Gemüter kommen auf ihre Kosten, wenn ein junger Mann (Hobby: Fußballtorwart) fordert, vordringlichst müssten die Zustände an unseren Schulen und unseren Turnhallen verbessert werden.
Beim Geschlechterverhältnis offenbart das Angebot an Kandidaten eine gewisse Schieflage. Unter den insgesamt 31 Bewerbern auf die 20 zu vergebenden Sitze sind gerade einmal neun Mädchen. Ein Wahlvideo hat keine der jungen Frauen veröffentlicht. »Wir haben dazu am Wochenende einen Workshop gemacht und die Videos gefilmt. Anschließend konnte sich jeder entscheiden, ob das veröffentlicht werden kann. Viele haben dann ihren Kurzfilm zurückgezogen«, sagt Markus Welz vom Stadtjugendring Leipzig, der das Projekt Jugendparlament (Jupa) begleitet. Warum der Anteil der Mädchen insgesamt so niedrig ist, weiß er nicht. Möglich sei, dass die engagierten jungen Frauen bereits in anderen Gremien eingebunden seien, etwa beim Stadtschülerrat.
Besonders viele Privilegien bekommen die neuen Jugendparlamentarier nicht. In erster Linie sollen sie den Nachwuchs der Stadt besser vernetzen, Anliegen formulieren und Ansprechpartner für Verwaltung und Politik sein, kurzum: die Stimme der Jugend in der Stadt werden. Für eigene Projekte des Jupa soll es einen kleinen Topf mit Geldern geben. Einen Haushalt wie der große Stadtrat stellt das Gremium dagegen nicht auf. Allerdings gibt es indirekt ein Rede- und Antragsrecht in der großen Ratsversammlung. Dafür müssen die 20 Jugendparlamentarien aus ihrer Mitte acht Vertreter bestimmen, die dann zusammen mit den Entsandten der fünf Stadtratsfraktionen den Jugendbeirat bilden.
Die erwachsenen Politiker können den jungen so vielleicht vorab einiges erklären. Beispielsweise, dass Cannabislegalisierung durch ein Bundesgesetz geregelt werden müsste, eine Vorreiterrolle Leipzig hier also rechtlich leider ausgeschlossen ist.
Die Wahl zum Jugendparlament läuft noch bis Sonntag, 24 Uhr. Wahlberechtigt sind alle in Leipzig gemeldeten Menschen zwischen 14 und 21 Jahren. Sie haben von der Stadt per Brief ein Zugangspasswort erhalten, mit dem sie im Internet abstimmen können.