Das Bild des Irans im Ausland ist vor allem geprägt von Repression. Das autoritäre Regime verhindert freie Meinungsäußerung und damit auch die Entfaltung der künstlerischen Freiheit. Da ist es erstaunlich, dass der Iran dennoch eine sehr lebendige und international beachtete Filmindustrie hat. Der Leipziger Verein eurient ermöglicht nun einen faszinierenden Blick in ein weitgehend unbekanntes Land. Nach dem großen Erfolg der 6. Arabischen Filmwoche im vergangenen Jahr legen die Initiatoren den Fokus nun auf das Land am Kaspischen Meer. Neben Vorträgen, einem persischen Kochkurs sowie einem Konzert mit iranischer Musik schöpfen sie aus der reichen Filmszene des Landes. Noch bis Samstag sind aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme in der Cinémathèque zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass sich im nächsten Jahr erneut ein Fenster in die iranische Filmwelt öffnet. An Sehenswertem mangelt es nicht.
Film der Woche: Hedi Schneider ist eine lebensfrohe Frau, stets optimistisch und offensichtlich glücklich. Die Ehe mit Uli und der Umgang mit ihrem Sohn Finn sind von Liebe geprägt. Die drei stehen kurz davor, nach Gambia auszuwandern, wo Uli eine Stelle bei einer Hilfsorganisation in Aussicht hat. Doch dann wird Hedis geregeltes Leben aus der Bahn geworfen. Zunächst ist Hedi schwindelig und ihr Körpergefühl aus dem Takt. Dann erleidet sie eine Panikattacke und landet im Krankenhaus. Körperlich ist mit Hedi alles in Ordnung, aber ihr Kopf macht nicht mehr mit. Sie muss sich an ein Leben gewöhnen, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt, was auch für ihren Mann Uli schwer zu akzeptieren ist. Das zwischenmenschliche Drama beobachtet Regisseurin Sonja Heiss sehr genau. Heiss’ Film ist keine Studie einer psychischen Krankheit, sondern vielmehr eine Geschichte über das Leben mit ihr und eine realistische Schilderung, wie sie in eine heile Welt einbrechen und alles mit sich reißen kann. Das schwere Plotpaket tragen die Hauptdarsteller mühelos. Ein wichtiges Thema, verpackt in eine aufgeschlossene filmische Sprache, die dem Zuschauer einen Zugang ermöglicht und den Austausch fördert.
»Hedi Schneider steckt fest«: ab 7.5., Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: Hedi)
Horrorfilme funktionieren immer dann am besten, wenn ihr fantastischer Schrecken als Metapher für reales Grauen steht. Auch Regisseurin Jennifer Kent macht davon in »Der Babadook« cleveren Gebrauch. Hier ist es die Situation der alleinerziehenden Mutter Amelia, die ihr zunehmend über den Kopf wächst. Nicht nur, weil der heranwachsende Sohn Samuel ihr Leben bestimmt und es nicht gerade einfach macht, indem er sich zunehmend in Tagträumen verliert. So richtig überfordert ist sie erst, als das grauenerregende Kinderbuch »Der Babadook« in ihrem Haus auftaucht und ihnen den Schlaf raubt. Darin sucht ein »schwarzer Mann« die Kinder heim, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Verbrennen hilft nichts, am nächsten Tag liegt es unbeschadet vor der Tür und das Grauen steigert sich ins Unerträgliche.
Kent macht dabei von der nervenzerfetzenden Tonspur regen Gebrauch. Das Design des Popupbuchs in Weiß und viel Schwarz überträgt sich auf die Schatten des klaustrophobischen Heims. Leider ist Noah Wiseman als Sohnemann – vor allem in der deutschen Sprachfassung – nicht nur nervig, sondern auch schauspielerisch ein Totalausfall. Dies wird allerdings von der überragenden Essie Davis in der Rolle der Mutter mühelos aufgefangen. Ihr psychischer Zerfall ist auch körperlich sichtbar und man leidet mit ihr. Jennifer Kent, die auch das Drehbuch verfasste, gelang ein faszinierender Mix aus Sozialdrama und Horror, der auf beiden Ebenen glänzend funktioniert.
»Der Babadook«: ab 7.5., CineStar
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: Boogeyman)
Ein zufällig im Internet gefundenes Foto der amerikanischen Opernsängerin Caterina Fabiani (Barbara Sukowa) bringt das Leben von Paul Kromberger (Matthias Habich) und dessen Tochter Sophie (Katja Riemann) völlig durcheinander. Paul scheint in dem Bild seine verstorbene Frau Evelyn, Sophies Mutter, wiederzuerkennen. Sophie macht sich auf den Weg nach New York, um die Unbekannte aufzusuchen. Margarethe von Trotta inszenierte wieder einmal mit Barbara Sukowa in New York, wobei die Geschichte mit (einer überzeugenden) Katja Riemann in Deutschland ihren Anfang nimmt. Auf dem Weg dorthin ächzt sich der Plot dahin und selbst die Bilder sind nicht sonderlich spannend. Dröges Omakino mit guten Darstellern, die wenig zu tun bekommen. Außer Katja Riemann. Die singt. Viel zu oft. Und das nicht sonderlich gut.
»Die abhandene Welt«: ab 7.5., Passage Kinos
Die Flimmerzeit im April
Die Filmtermine der Woche
How to Survive in Plague
Die Geschichte zweier Verbände – ACT UP and TAG (Treatment Action Group) – , die AIDS-Patienten von Todgeweihten zu behandelbaren Kranken machten. Im Anschluss ist der LGBT-Aktivist Peter Staley im Filmgespräch.
8.5., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OF)
Being and Becoming
Frz. Dokumentarfilm über Kinder in Europa und den USA, die nicht in die Schule geschickt werden. – anschl. Filmgespräch
8.5., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Überwachung. Die lange Filmnacht – im Rahmen der CryptoCon15
Staatliche Kontrolle über die Jahrzehnte hinweg als Spiegel auf der Leinwand. Terry Gilliams Meisterwerk »Brazil« treibt grotesk-satirische Blüten, die Adaption von Alan Moores »V wie Vendetta« comichaft-fantastische und Fritz Langs Klassiker »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« ahnt das Dritte Reich voraus.
Brazil
Perfekt inszenierte, bizarre, bitterböse Geisterbahnfahrt durch einen totalitären Überwachungsstaat der (nahen) Zukunft.
8.5., 19 Uhr, Cineding
V wie Vendetta
In dem totalitär regierten Großbritannien der Zukunft ist »V«, der unbekannte Maskierte (Hugo Weaving), auf dem Weg der Blutrache. Dabei begegnet er Evey (Natalie Portman) und findet in ihr eine Gefährtin für die Idee, seine Mitbürger zur Revolution aufzurufen. Adaption von Alan Moores gleichnamiger Graphic Novel.
8.5., 21.30 Uhr, Cineding
M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Klassisches Meisterwerk des deutschen Kinos der 30er Jahre: Die Geschichte vom Kindermörder, der Bevölkerung, Polizei und die Unterwelt Berlins gleichermaßen beunruhigt und von allen gejagt wird, enthält in ihrer teils sarkastischen Schilderung auch politische Verweise. Absolut fesselnd in seiner ersten und bekanntesten Rolle: Peter Lorre. (R: Fritz Lang; D: Peter Lorre, Theodor Loos, Georg John, D 1931, 117 min)
8.5., 23 Uhr, Cineding
Iranische Filmtage Leipzig
Der Leipziger Verein eurient legt den Fokus nun auf das Land am Kaspischen Meer. Neben Vorträgen, einem persischen Kochkurs sowie einem Konzert mit iranischer Musik am Eröffnungsabend schöpfen sie aus der reichen Filmszene des Landes. An vier Abenden werden aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme in der Cinémathèque zu sehen sein.
Künstlergespräch mit der Filmemacherin Negar Tahsili und Film
8.5., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Manuscripts don’t burn
Politisches Kino auf höchstem Niveau: Zwei Männer verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Liquidierung von Intellektuellen. Basierend auf wahren Ereignissen wirft Mohammad Rasoulof einen mutigen Blick auf gesellschaftliche Tabus und verbindet das Gegenwärtige mit dem Historischen zu einem intensiven Thriller.
8.5., 22 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)
Iranian
Nach Jahren des Drehverbots bekommt Regisseur Tamadon schließlich die Genehmigung für ein ungewöhnliches Experiment.
9.5., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)
Bending the Rules
Junge Teheraner bekommen mit ihrer Theatergruppe zum ersten Mal die Möglichkeit, im Ausland aufzutreten.
9.5., 22 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)
16. Klangkino
Heute gibts Fatih Akins Culture-Clash-Comedy »Solino« von 2002, live vertont von der Band Desconocido.
9.5., 19 Uhr, Cineding
Orlacs Hände
Dem Konzertpianisten Paul Orlac, der bei einem Zugunglück beide Hände verloren hat, werden die Hände eines gerade hingerichteten Mörders angenäht. Kinoorgel live mit Einführung in die Geschichte der Welteorgel mit Veit Heller und einer Filmeinführung mit Claudia Cornelius
9. 5., 18 Uhr, Grassi-Museum für Musikinstrumente
Stadterneuerung in Leipzig 1990 bis 2015
Zeitkino zum Tag der Städtebauförderung
9.5., 14 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Vierunddreißig Aktionen von Hans Nevídal
Projektion von Brandschutzfilmen aus Syrien und anderen Filmen in arabischer Sprache an der Außenwand der Deutschen Nationalbibliothek.
10.5., 22 Uhr, Deutsche Nationalbibliothek
Aber das Leben geht weiter
Dokumentation über die deutsch-polnische Vergangenheit um 1945 am Beispiel der Familie von Regisseurin Karin Kaper.
11.5., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Die Mörder sind unter uns
Ein schicksalhaftes Zusammentreffen in der Trümmerlandschaft von Berlin 1945. Das ausdrucksstarke S/W-Melodram um Schuld und Sühne war der erste deutsche Nachkriegsfilm überhaupt und die erste Produktion der neu gegründeten DEFA. Mit einer Einführung durch Vertreter/innen der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig.
12.5., 20 Uhr, Cineding
Tintenfischalarm
Dokumentation über einen Mann, der eine Frau ist, oder eine Frau, die ein Mann ist. Ein Film zum Thema Intersexualität, wo sich die Abgrenzung Mann/Frau nur schwer bestimmen lässt.
12.5., 20.15 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Walesa: Man of Hope
Lech Walesa, Gründer der Solidarnosc-Bewegung und Friedensnobelpreisträger, im Porträt von Andrzej Wajda.
13.5., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Die dunkle Seite des Herzens
Surrealistische Geschichte von einem liebeshungrigen Dichter in Buenos Aires, poetisch und humorvoll inszeniert. Oliviero verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Liebesgedichten, die er Autofahrern im Stau, Bankangestellten und Schuhverkäufern vorträgt. Doch in Wirklichkeit ist er auf der Suche nach der perfekten Frau, die seinen poetischen und erotischen Höhenflügen folgen kann.
14.5., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels (OmU)