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Filmkritik

Die Wetten laufen

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Die Wetten laufen | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Die Oscar-Nominierungen sind raus und ab sofort laufen die Wetten, ob Leonardo DiCaprio endlich seinen ersten Goldjungen in Händen halten wird (ziemlich sicher), ob Alejandro González Iñárritu nach »Birdman« erneut triumphieren wird (möglich) und ob der maue Bond-Song von Sam Smith nach dem Golden Globe auch mit dem Oscar gekrönt wird (ist zu befürchten). Sicher ist, dass man die großartigen Animationsfilme »Der Junge und die Welt« (Schaubühne Lindenfels) und »Alles steht Kopf« (Cineplex, Kinobar Prager Frühling), die ebenfalls für den Oscar nominiert sind, noch in den Leipziger Kinos sehen kann, ebenso wie den Platzhirsch mit stolzen zwölf Nominierungen »The Revenant« (Passage Kinos, Cineplex, CineStar, Regina Palast), »Carol« mit sechs und »The Danish Girl« (beide Passage Kinos) mit vier, »Joy« (Cineplex, CineStar, Regina Palast) mit einer für Jennifer Lawrence, die bereits den Golden Globe entgegennahm, und natürlich läuft auch »Star Wars« mit fünf Nominierungen in Nebenkategorien noch überall. In dieser Woche starten mit »Creed«, der ebenfalls mit einem Golden Globe für Sylvester Stallone ins Oscar-Rennen geht, und »The Big Short« (fünf Nominierungen) außerdem gleich zwei heiße Kandidaten. Am 28. Februar ist es dann so weit und wir wissen, wer das Rennen macht.

Film der Woche: Die Filme des thailändischen Regisseurs Apichatpong Weerasethakul sind hypnotische Reflexionen über die Welt des Jenseits und wie sie in die unsere hineinragt. In der Mystik seiner Heimat sind beide fest miteinander verzahnt. Immer wieder setzt sich der Filmemacher mit dem Tod auseinander. Zahlreiche Erfolge bei den großen europäischen Filmfestivals, nicht zuletzt in Cannes, wo er 2010 mit der Goldenen Palme geehrt wurde, haben den Ausnahmeregisseur auch in unseren Breiten bekannt gemacht. Sein neues Werk fügt sich nahtlos in seine Bildsprache ein. Kenner seines Werks frohlocken und die internationale Presse feiert es als Meisterwerk. Wer sein Kino allerdings leicht und gradlinig bevorzugt, wird wohl auch mit diesem schwer zugänglichen Film nicht warm. Dabei ist es wie gewohnt bei Weerasethakul schwer zu beschreiben, worum es eigentlich geht. Wir befinden uns in einem abgelegenen Sanatorium in der thailändischen Provinz. Diesen Standortwechsel nimmt der geneigte Kinogänger geradezu physisch vor, denn für zwei Stunden ist man von zirpenden Grillen und sattgrünen Landschaften umgeben, deren Pracht und akustische Untermalung mitten hinein in die schwüle Hitze Ostasiens ziehen. Drinnen stehen Betten, auf denen Soldaten aufgebahrt liegen, regungslos, schlafend. Ihr Körper werden von Ventilatoren gekühlt, von Pflegerinnen und Ärzten umsorgt. Sie leiden an einer rätselhaften Schlafkrankheit. Hin und wieder erwachen sie aus dem Koma, doch meist reicht der Wachzustand nur bis zum Sonnenuntergang. Auch Jenjira kümmert sich aufopferungsvoll um einen der Männer, den jungen Itt. Durch ein Medium geht sie eine Verbindung mit ihm ein und die Ebenen des Traumes und der Wirklichkeit beginnen sich zu vermischen. Wer sich auf den ruhigen Ton und die langsame Erzählweise einlässt und seinen Horizont öffnet für das Unerklärliche, der wird mit einem einzigartigen und reichhaltigen Kinoerlebnis voller Symbolkraft belohnt.

»Cemetery of Splendour«: ab 14.1., Cineding (OmU)

Das Bankenwesen ist eine Parallelwelt ohne moralische Grenzen und Gesetze. Das hat der große Crash 2008 schmerzhaft ins Bewusstsein der Bevölkerung gerufen. Während den Bossen innerhalb der Banken der Schweiß von der Stirn perlte, rieb man sich andernorts die Hände, denn selbst in der Krise gibt es immer jemanden, der profitiert. Der misanthropische Broker Michael Burry ist der Erste, der entdeckt, dass etwas gewaltig schiefläuft im Markt. Einfachen Amerikanern werden haarsträubende Kredite verscherbelt. Ein Zerplatzen der Immobilienblase ist unausweichlich. Während man sich in den Chefetagen der Kreditinstitute vehement abwendet von der offensichtlichen Wahrheit, bereitet Burry sich darauf vor, möglichst hohe Erträge aus dem Crash zu gewinnen. Er wettet gegen den Immobilienmarkt – eigentlich eine krisensichere Anlage – und kassiert dafür Milliarden von den Banken, die sein Angebot gerne annehmen. Doch einige Mitarbeiter werden stutzig und recherchieren auf eigene Faust. Sie entdecken, dass Burry recht hat und wollen unbedingt ein Ticket für den Money Train. Dass die Welt der Banken eine verkommene und menschenverachtende Branche ist, ist keine wirklich neue Erkenntnis. Sie wird von Regisseur Adam McKay, eigentlich Fachmann für abgedrehte Komödien wie »Anchorman«, aber gleichermaßen spannend und höchst unterhaltsam aufbereitet.  McKays verspielte Handschrift ist deutlich erkennbar, er nimmt den Stoff aber in jeder Minute todernst. Im kreuzer-Interview erklärt er, dass er freiwillig auf Pointen verzichtet hat. Sein exzellentes Ensemble tut es ihm gleich. Allerdings kann einem vor allem in der ersten Hälfte mächtig schwindelig werden, wenn das Fachchinesisch der Finanzwelt im Sekundentakt feuert und Erklärungsversuche durch eingestreute Cameos von Selena Gomez oder Margot Robbie in einer Badewanne eher nach hinten losgehen.

»The Big Short«: ab 14.1., Schauburg (auch OmU), Regina, CineStar

Janis Joplin passte nicht in diese Welt. Schon in der Schule fiel sie aus dem Rahmen und musste viele psychische Schläge ihrer Mitschüler einstecken. Ihre Liebe zur Musik trieb sie 1963 erstmals nach San Francisco. Die damals 19-Jährige ging auf in der Welt aus Partys, Sex und Drogen und kehrte ausgelaugt in ihr Elternhaus in einem texanischen Nest zurück. Doch dort hielt es sie nicht lange und bei ihrer Rückkehr an die Westküste lernte sie die Musiker der Band Big Brother and the Holding Company kennen und schrieb mit ihnen Musikgeschichte – bis zu ihrem frühen Tod 1970. Amy Berg (»West of Memphis«) versuchte sich der schwer fassbaren Künstlerin mit einem Dokumentarfilm zu nähern. Sie hakt die Schulzeit und Kindheitsjahre recht schnell ab und taucht mitten hinein in die pulsierende Szene der Hippies. Erstaunlich viele ihrer damaligen Wegbegleiter sind noch am Leben und zu hören. Sie formen das Bild einer jungen Frau und begnadeten Sängerin, ihrer Unsicherheit und der Unfähigkeit, das High auf der Bühne mit dem Runterkommen danach in Einklang zu bringen. Amy Berg ist ein facettenreicher Musikfilm mit vielen Liveauftritten der Ikone gelungen, die ihr enormes Talent unterstreichen und das Potenzial offenbaren, von dem Doors-Produzent Paul Rothchild schwärmte, mit 60 werde sie ihr bestes Album aufnehmen. So weit kam es leider nie. »Janis: Little Girl Blue« setzt ihr ein filmisches Denkmal, verzichtet aber auch nicht auf die Schattenseite des Ruhms.

»Janis: Little Girl Blue«: ab 14.1., Passage Kinos

Wirtschaftsanwalt Urs Blank (Moritz Bleibtreu) ist der unangefochtene Star auf seinem Gebiet. Er ist erfolgreich, hat Geld und die für ihn perfekte Frau (Doris Schretzmayer). Der Selbstmord eines Geschäftskollegen wirft Urs jedoch aus der Bahn. Er fängt an, sein bisheriges Leben in Frage zu stellen. Vielleicht auch deshalb fühlt er sich so zu Lucille (Nora von Waldstätten) hingezogen, die ihm mit ihrem alternativen Lebensstil eine ganz neue Welt eröffnet – und ihn zu einem Trip mit halluzinogenen Pilzen verführt. Mit Folgen für Blank, denn nach dem Trip verändert sich seine Persönlichkeit und bringt seine dunkle Seite zum Vorschein. Zunächst fast unbemerkt, dann mit unbarmherziger Macht brechen lang unterdrückte Aggressionen aus ihm heraus. Und machen den zivilisierten Anwalt zum instinktgetriebenen Individuum und unberechenbaren Mörder. Zutiefst verunsichert von seiner Wandlung flüchtet sich Blank aus seinem alten Leben in den Wald, um dort nach einem Gegenmittel für den missglückten Pilztrip zu suchen. Doch für seinen Geschäftspartner Pius Ott (Jürgen Prochnow) ist der unberechenbare Blank eine tickende Zeitbombe geworden. So wird Urs Blank zum Gejagten – und sein Kampf um seine Rückkehr zum Wettlauf um sein Leben.

»Die dunkle Seite des Mondes«: ab 14.1., Passage Kinos

Flimmerzeit Dezember

 

Weitere Filmtermine der Woche

Auf dem Weg zur Schule Jackson (11) aus Kenia, Zahira (12) aus Marokko, Samuel (13) aus Indien und Carlito (11) aus Argentinien haben eines gemeinsam: Ihr Schulweg ist sehr lang und gefahrvoll, doch ihre Lust am Leben und am Lernen ist größer. Der etwas pathetische Blick auf weit entfernte Kinderwelten krankt vor allem am deutschen Voice-over. Im Anschluss Diskussion über das Thema Kinderrecht auf Bildung. 15.1., 19 Uhr, Haus Steinstraße

U.F.O. Kurzfilmfestival Die unbekannten Filmobjekte landen wieder im Werk 2. Dort gibt es allerlei Spannendes, Lustiges und Ungewöhnliches zu sehen – von versierten Filmemachern und jungen Talenten. Die drei Lieblinge unter den professionellen Kurzfilmen werden vom Publikum gewählt und eine Expertenjury kürt den Gewinner aus der Kategorie Nachwuchskurzfilm. Im Anschluss wird gefeiert mit Ian Late & Band aus Berlin. 16.1., 20 Uhr, Werk 2/Halle A

Wunder der Lebenskraft – Eine Reise zur Heilung der Seele In der Dokumentation wird aufgezeigt, wie Menschen in unterschiedlichen Regionen der Welt versuchen, mit verschiedenen Methoden jene Lebenskraft zu steigern, um ein glücklicheres Dasein zu führen. 16.1., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Post & Bowlingtreff Im Jahr 1987 eröffnet, wurde der Bowlingtreff zu einem Symbol für die Sportstadt Leipzig. Der Dokumentarfilm erzählt seine Geschichte und läuft im Doppel mit »Post«, einem Film über die Leipziger Hauptpost. Beide Filme laufen in Anwesenheit der Regisseure. 17.1., 15 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

Ernest & Celestine Wundervoller Animationsfilm aus Frankreich über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einer Maus und einem Bären sowie die Widerstände der vorurteilsbeladenen Welt, in der sie leben. 17.1., 11 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Hello, I am David – Eine Reise mit David Helfgott Der außergewöhnliche Pianist im Porträt, seine Geschichte und seine ungewöhnliche Sicht der Welt. Preview und Filmgespräch mit der Regisseurin Cosima Lange. 17.1., 13 Uhr, Passage Kinos

Elephant Aus mehreren Blickwinkeln betrachteter Alltag an einer amerikanischen Highschool, der wie der Amoklauf an der Columbine High School in einem Massaker endet. Extrem nüchternes, mit Laiendarstellern in endlos langen Kamerafahrten gedrehtes Experiment von Gus van Sant. 19., 21.1., 15 Uhr, Filmclub KassaBlanka

Der serbische Anwalt Dokumentarfilm über den Prozess gegen den serbischen Politiker Radovan Karadzic und dessen Anwalt Marko Sladojevic. – Anschl. Filmgespräch mit Rita Belter (Rechtsanwältin für Strafrecht). 20.1., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Horror-Doppel mit Donis Horrorfilm-Experte Donis widmet sich in seiner Gruselreihe dem »Verschwinden von jungen Frauen«. Der Film »Der Fänger« wird in der deutschen Fassung und in 35 mm gezeigt und beschäftigt sich mit der Entführung einer jungen Frau durch einen kontaktscheuen Mann, der hofft, dass sich während ihrer Gefangennahme eine Liebesbeziehung entwickelt. Im zweiten Film »And soon the Darkness«, der 2010 nur auf DVD (in OmU) erschien, sucht eine junge Amerikanerin ihre während einer Südamerika-Reise verschwundene Freundin. 20.1., 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

Erich Mielke – Meister der Angst Dokudrama, welches das Wirken des DDR-Stasi-Chefs, dessen stärkste Waffe das Einflößen von Furcht war, beleuchtet. – Filmvorführung und Gespräch, Referenten: Birgit Rasch, Gunnar Dedio. 21.1., 19 Uhr, BStU Außenstelle Leipzig

Meine Reise in die DDR – 25 Jahre später November 1989: Die Mauer fällt. Für den Filmemacher Wolfgang Ettlich steht fest, dass er sofort losfahren muss und den DDR-Bürgern begegnen will, deren Welt sich nun dramatisch zu ändern beginnt. 2015 macht er sich wieder mit der Kamera auf den Weg Richtung Ostdeutschland und sucht dieselben Menschen auf, die er 25 Jahre zuvor interviewt hat. – Filmvorführung und Gespräch mit dem Regisseur Wolfgang Ettlich und Heribert Schneiders. 21.1., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Ostkreuz Kurz nach dem Mauerfall gründen 1990 sieben ostdeutsche Fotografen die Agentur Ostkreuz. Ihr Prinzip ist es, als Kollektiv unter Wahrung des Autorenprinzips zu handeln. Heute zählt die Agentur 18 Mitglieder, die eines vereint: ihr humanistischer Blick auf die Welt. Der Film beobachtet die Arbeit der Fotografinnen und Fotografen und zeichnet in Porträts ihre gemeinsame Passion Bilder zu machen nach. 21.1., 19 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

Peninsula (I 2015, Dok) + Freezing (UK 2015) Ein Surf-Film-Double-Feature, wie es gegensätzlicher nicht sein könnte: Fünf Jahre drehte Luca Merli die einzigartige Dokumentation »Peninsula« in der italienischen Surfszene. In »Freezing« wagen sich zwei Briten auf einen wahnsinnigen Trip durchs verschneite Island. 21.1., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling


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