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Filmkritik

Dorthin, wo es wehtut

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Dorthin, wo es wehtut | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Er ist tatsächlich fertig: Der erste Spielfilm aus dem Cinemabstruso feiert am 1. April seine Premiere – und das ist kein Aprilscherz. Ein schönes Geburtstagsgeschenk für Sikumoya, der nun schon zehn Jahre auf dem Buckel hat. 2006 inszenierten die Gebrüder König ihren Kurzfilm »Der schwarze Nazi« um einen Kongolesen, der – »arbeitslos und ostdeutsch« – selbst zum Nazi wird. Seitdem hat sie das Thema nicht mehr losgelassen und die Idee reifte, aus dem Stoff irgendwann mal einen Langfilm zu machen (siehe auch kreuzer 07/15). Nun ist es vollbracht, »Der schwarze Nazi« kommt ins Kino und die Regisseure sind ziemlich stolz darauf. »Wir sind wirklich zufrieden«, meint Karl-Friedrich König. »Er ist ziemlich rund geworden, bei all seinen Ecken und Kanten, unser kleiner Independentfilm.« Jetzt geht er auf die Reise und die Brüder werden ihn begleiten. Im April wird der Film durch einige Leipziger Kinos touren, bevor er dann ab Mai bundesweit zu sehen sein wird – »überall dort, wo wir ihn unterkriegen«. Keiner hätte vor zehn Jahren gedacht, dass ihr Film einmal in dem Maße erneute Aktualität erfahren würde. So kommt »Der schwarze Nazi« zur richtigen Zeit und die Königs sind gespannt auf die Diskussionen. »Wir wollen mit dem Film auch an Brennpunkte gehen – Freital, Clausnitz«, sagt Tilman König. Ein ausführliches Interview mit den beiden Regisseuren zu ihrem Film, dem Vertrieb und der geplanten Pegida-Dresden-Premiere gibt es im aktuellen kreuzer.

»Der schwarze Nazi«: 1., 3., 5.4., Passage Kinos, ab 6.4., Luru-Kino in der Spinnerei, ab 7.4. Cineding, ab 14.4. ,Kinobar Prager Frühling, am 1., 6.. und 14.4. in Anwesenheit der Regisseure, www.cinemabstruso.de

Film der Woche: Sie haben ihre Heimat zurückgelassen, ihre Familien, ihr Herz, und sind gestrandet in Berchtesgaden. Ihre Geschichten sind die von vielen Flüchtlingen, die derzeit Deutschland erreichen – und doch ist sie beispiellos. Denn die etwa 50 Menschen aus Ecken der Welt, die geprägt sind von Krieg und Verfolgung, haben ausgerechnet im südlichsten Zipfel von Bayern eine Heimat gefunden – im Café Waldluft. Früher war der Kurort überlaufen von Touristen, Bergwanderern aus aller Herren Ländern. Doch seit einigen Jahren lässt der Strom nach und so gab es für »Mama Flora«, wie sie liebevoll von den Menschen im Hotel genannt wird, nur die Wahl, die Herberge, die seit Generationen im Familienbesitz ist, zu verkaufen oder umzusatteln. So kamen die Flüchtlinge zu ihr und aus dem Notwendigen ist ein Anliegen geworden. Liebevoll umsorgt sie die Menschen, hilft ihnen bei Asylfragen, besucht sie, wenn sie im Krankenhaus liegen. Aus Syrien, Afghanistan oder Sierra Leone kommen sie und verständigen sich auf Deutsch. Doch in dem landschaftlichen Idyll, umgeben vom Watzmann und seinen Kindern, schwingt immer auch eine Traurigkeit mit, wenn die Gedanken um die Familien kreisen, die sie zurückließen. Matthias Koßmehl gibt den Schlagzeilen, die in den vergangenen Monaten die Zeitungen beherrschen, Gesichter und Geschichten, ähnlich wie es auch Lisei Caspers in diesem Monat in ihrem Dokumentarfilm »Gestrandet« vermag, woran der Berlinale-Gewinner »Seefeuer« jedoch scheiterte. Koßmehl, der das eindrucksvolle Plädoyer für Menschlichkeit größtenteils selbst verantwortete, erhielt dafür im vergangenen Jahr den DEFA-Förderpreis beim DOK Leipzig. Die Geschichten seiner Protagonisten gehen weiter und man wird die Nachrichten über Flüchtlingsströme in Zukunft mit ihren Namen und Geschichten verbinden. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Café Waldluft«: ab 30.3., Luru-Kino in der Spinnerei

Im Zusammenhang mit Regionen, die die Braunkohlegewinnung hinter sich gelassen haben, ist gerne die Rede von Mondlandschaften. In einer solchen Gegend liegt Grunau, Ortsteil von Hohenmölsen unweit von Weißenfels im eher strukturschwachen Süden Sachsen-Anhalts. Grunau ist ein einstiges Dorf, das auf Kohle liegt und weitgehend verlassen ist. Beschreiben lässt es sich – noch so ein Wort aus der Braunkohleprosa – als Geisterdorf. Gefühlte Kilometer fährt die Kamera an verlassenen Häusern und blinden Fenstern entlang. Den Schriftzug MIBRAG (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH) versteht hier jeder, aber es ist kaum noch jemand da. Drei harren aus und verdrängen Gedanken an die Zukunft, weil ja doch alles kommt, wie es kommt, ob man sich nun sorgt oder nicht. Norbert, der Schlosser und der Bauer sind noch nicht umgesiedelt und bestreiten ihren Alltag zwischen abgeklemmten Trinkwasserleitungen, Schlachtefest, Treckerfahren und Feldbestellung. Die Braunkohlebagger rücken näher, Luftaufnahmen zeigen Wasserpfützen in dieser menschenleeren wie -feindlichen Welt. Das bisweilen meditative und stets stimmungsvolle Bild des Grunauer Rests zeigt sympathische Menschen, die mit der Einsicht in die Notwendigkeit ringen. Unfreiwillig bilden sie die Brücke in eine vergangene Welt, der man sicher nicht hinterhertrauern, die man aber auch nicht belächeln muss. Heimatgeschichte mal anders. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer. FRANZISKA REIF

»Land am Wasser«: 5./6.4., Kinobar Prager Frühling (am 5.4. in Anwesenheit des Regisseurs)

Flimmerzeit_März 2016

 

Weitere Filmtermine der Woche

Kurzsuechtig Das Kurzfilmfestival präsentiert neben dem Wettbewerb Animation (6.4.), Fiktion (7.4.) und Dokumentation (8.4.) zum ersten Mal auch Experimentalfilme sowie den Wettbewerb für Filmmusik und Sounddesign am 9.4. Zum Abschluss gibt es an diesem Abend auch noch einmal das Beste vom Kurzsuechtig 2016 zu sehen mit den Preisträgern der einzelnen Sektionen. 6.–9.4., 19.30 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Elise Elise begibt sich nach dem Abitur gemeinsam mit ihrer Freundin Maria auf eine Reise und will Dorsday Uckhaus besuchen, einen alten Freund der Familie. Auf dem Roadtrip denkt sie darüber nach, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Der 40 Jahre ältere Freigeist Uckhaus eröffnet ihr völlig neue Perspektiven. In Anwesenheit des Regisseurs. 1.4., 19.30 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Mustang Als Lale, Nur, Ece, Selma und Sonay mit Jungs erwischt werden, handelt ihr Onkel radikal und sperrt die vier Schwestern ein. Doch auf Dauer kann das nicht gut gehen und der Konflikt zwischen den Generationen entlädt sich. Ein genau beobachtetes, berauschend fotografiertes Werk, das für Frankreich ins Oscar-Rennen ging. Im Anschluss Gespräch mit Birim Bayam (Papatya Berlin) über Zwangsverheiratungen in Deutschland. 4.4., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmU)

Das richtige Leben Ein Dorf an der deutsch-tschechischen Grenze. Erzählt wird die Liebesgeschichte von Tommy (19) aus sozial schwachen Verhältnissen und Julia (18) aus begütertem Elternhaus. Julia wird von Tommy unerwartet schwanger. Gegen den Willen ihrer Eltern entscheiden sich die beiden für das Kind und versuchen, sich gegen alle Hindernisse eine eigene Zukunft aufzubauen. 2.4., 20 Uhr, Passage Kinos

Verflixtes Missgeschick Märchenfilm der DEFA von Hannelore Unterberg, basierend auf dem Märchen »Wer das Unglück meistert, findet das Glück« von Samuil Marschak. 2.4., 14 Uhr, 3.4., 16 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt Nach einer enttäuschten eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Clemens und einer ebenso enttäuschten Freundschaft mit einem älteren Mann wird aus Daniel ein Homosexueller, wie er nie einer sein wollte: Genau wie die anderen Schwulen beginnt auch er, schnell seine Partner zu wechseln. Frühwerk von Rosa von Praunheim. R: Rosa von Praunheim, D: Berryt Bohlen, Bernd Feuerhelm, D 1971, 67 min 4.4., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Leipzig von oben Persönliche, berührende Stadtgeschichte von Schwarwel. Filmpremiere und Gespräch mit dem Regisseur und dem Filmteam. 5.4., 18 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Joe Strummer: The Future is unwritten Vier Jahre nach Joe Strummers Tod hat Julien Temple, der die Punkbewegung schon 1976 gefilmt hat, seine eigenen Aufnahmen aus dieser Zeit mit Archivmaterial von Strummers Kindheit bis zu seiner Zeit mit den Mescaleros zu einer packenden und informativen Musikdokumentation verarbeitet. Ein Denkmal für einen außergewöhnlichen Musiker und Menschen. 6.4., 20 Uhr, Cineding

Die Vermessung der Welt Anfang des 19. Jahrhunderts erforscht Offizierssohn Alexander von Humboldt Südamerika. Zur gleichen Zeit erobert Carl Friedrich Gauß, Sohn eines Arbeiters, mit der Welt der Zahlen ganz andere Räume. Beide Männer, der Naturforscher und der Mathematiker, werden zu Berühmtheiten ihrer Zeit – und dann begegnen sie sich. Augenzwinkernd erzähltes Historienabenteuer von Detlev Buck nach dem berühmten gleichnamigen Bestseller von Daniel Kehlmann. Wissenschaftskino – Film und Diskussion 7.4., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Surf Film Nacht Leipzig Die wichtigsten Surf-Independent-Produktionen des Jahres. 7.4., 21.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling


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