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Konzertkritik

Mit Beinbruch zur Hölle

Aushilfssänger Axl Rose kann die Fans von AC/DC nicht begeistern

  Mit Beinbruch zur Hölle | Aushilfssänger Axl Rose kann die Fans von AC/DC nicht begeistern

Was macht man, wenn der Sänger nahezu taub ist, der Rhythmusgitarrist dement und der Schlagzeuger im Knast? Dann kommt Axl Rose und springt ein (mit Beinschiene). Mit dem Guns N’Roses-Sänger kam die angeschlagene Alt-Herrenrockband AC/DC am Mittwoch ins Leipziger Zentralstadion, doch das Fremdeln der Fans war spürbar.

»I try to enjoy myself«, ruft Axl Rose irgendwann zwischen zwei Songs, »I hope you can do so as well!« Auch an ihm perlt die kritische Haltung der Besucher scheinbar nicht gänzlich ab.

Nachdem der etatmäßige Lead-Sänger Brian Johnson kurz vor der Taubheit die Rock or Bust-Welttournee abbrechen musste, stand die gesamte Tour auf der Kippe. Als Vertretung war auch der Frontsänger einer Coverband in der Verlosung, man entschied sich letztlich jedoch bewusst für einen Stilmix und konnte den Guns N'Roses Leadsänger Axl Rose (Anagramm für Oral Sex) überzeugen einzuspringen, »Axl/DC« sozusagen.

Das spaltete das Fanlager. Zahlreiche Karten wurden nach der Bekanntgabe zurückgegeben. Die einen freute die zwar notgedrungene, doch interessante Verquickung von Rock-Größen, viele reagierten jedoch mit Ablehnung.

Diese Reserviertheit der gut 45.000 Fans im Zentralstadion ist jedes Mal spürbar, wenn Axl Rose im Fokus steht, den Bühnensteg herabschreitet, um mit dem Fans des Innenraums den näheren Kontakt zu suchen, oder auf den überdimensionalen Videotafeln im Bild ist. Man kann nicht behaupten, dass er nicht sein Bestes gibt: Er trifft die Töne und versucht die Stimmung mitzureißen, performt trotz des, wegen eines Bruchs geschienten, linken Beins mit vollem Körpereinsatz. Doch irgendwie wirkt er zu leise abgemischt, die Stimme daher dünn. Es liegt eine skeptische Stimmung über dem Gros der Fan-Schar, was ihm sicher nicht gerecht wird.

Trotz aller personellen Umwälzungen ist die legendäre Bühnenenergie der Aussies noch immer mitreißend: Schon nach den ersten Riffs ist man gepackt, der Kopf verselbständigt sich, muss im Beat nicken. Auch die Licht- und Bühnenshow, herangekarrt mit 90 Sattelschleppern, ist wie immer monumental. Neben neuen Songs aus dem »Rock or Bust«-Album lässt die Band keinen Klassiker aus, bedient die Erwartungshaltung der Fans: »Thunderstruck«, »Hells Bells«, »T.N.T«, »You Shook Me All Night Long«, »Rock N Roll Damnation«, »Sin City« und und und. Dafür wird man gerne taub, kein Wunder, dass es Brian Johnson schwer fiel die Notbremse zu ziehen.

Den Akzeptanzkontrast zu Axl Rose bietet Leadgitarrist-Derwisch Angus Young: Der Mann in der Schuluniform (heute in grün!) elektrisiert noch immer wie 1975 und hat eine geradezu hypnotische Wirkung auf die Massen. Aufgedreht rast er die Bühne rauf und runter oder steht auf der Stelle, kopfnickend, die nackten Knie im Takt hebend, das Gesicht so verzerrt wie der Sound seiner Gibson-Gitarre. Die Songs beendet er stets mit einem Sprung, auf den der Schlussbeat fällt. Zwischendurch hält er sich immer wieder die offenen Hände an die Ohren und fordert das Publikum. Die Masse folgt dem Aufruf stets sofort. Solche Gesten spart sich Axl Rose, er würde damit wohl Gefahr laufen Pfiffe heraufzubeschwören.

Gut möglich, dass dies die endgültig letzte Tour der Band ist. Viel übrig ist von ihr ja nicht mehr: Der etatmäßige Drummer Phil Rudd darf Australien derzeit aufgrund einer Anklage wegen versuchten Mordes nicht verlassen und das und inoffizielle Herzstück der Band, Rhythmusgitarrist Malcolm Young, erkrankte vor einigen Monaten an Demenz und trat zurück. Nur sein Bruder Angus hält die Gruppe noch am Leben. Er ist wirklich unersetzlich – hätte es ihn getroffen, die Tour wäre definitiv abgebrochen worden. Forever Young.

Nach gut zwei Stunden trotz allem geilen Hard Rock schließt die Band das Konzert mit »Let There Be Rock« und dem obligatorischen, etwa zehnminütigen Dauersolo von Angus Young. Das Licht auf der Bühne erlischt. Doch klar: Hier geht noch (k)einer! Jeder weiß: Die Band würde es niemals wagen, ein Konzert zu spielen ohne diesen einen Song.

Am hinteren Bühnenende erscheint noch einmal Angus Young, in rote Rauchschwaden umhüllt, und das (neben »Smoke on The Water«) wohl bekannteste Riff der Rockgeschichte ertönt: Noch einmal »Highway To Hell« – ohne jenen Song und Angus Young wäre die Band nicht dort, wo sie ist. Dann das endgültige Finale Furioso mit »For Those About To Rock«, nur echt mit Feuer aus 12 Kanonen. Anschließend gehen die Lichter wirklich aus und nur noch die vielen Fanartikel-Hörner der Fans blinken rot in der Menge. Die Zugabe wurde nicht von den Fans gefordert, noch wird danach eine weitere reklamiert. Vollkommen selbstverständlich verlassen die Massen ihre Pilgerstätte.

Die Fans wissen, was sie von AC/DC bekommen und die Band weiß, was die Fans von AC/DC erwarten. Dass »Axl/DC« also mit Handicap auflaufen und einen erschwerten Stand haben, liegt weniger am geschienten Bein von Herrn Rose, als in dieser Erwartungshaltung begründet.


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1 Kommentar(e)

Axelot 03.06.2016 | um 19:13 Uhr

Der Autor erscheint in seinem jugendlichen Übermut doch etwas über das Ziel hinauszuschießen. Er erweckt den Eindruck nur provozieren zu wollen um der Provokation willlen ohne sich mit Axl Rose und seiner Rolle bei AC/DC auseinanserzusetzen. Wobei dem Schreiber ein hohes Maß an Phantasie und Wortgewandheit nicht abzusprechen ist, wie man insbesondere an der Einleitung erkennen kann (hahaha AC/DC als klapprige Rentnerband mit kriminellen Facetten) . Weit hergeholt erscheint mir die Anagramminterpretation. Und nun zu meinem Eindruck: Bei mir ist das Konzert supergut angekommen, es hat mir wirklich Spass gemacht Axl Rose zuzuhören. Alles hat aus meiner Sicht gepasst und ich denke vielen anderen ging es auch so. Konzert war superbueno hehehe