anzeige
anzeige
Sport

»Schwierig, aber machbar«

Nach dem Aufstieg ab zum Training: Lok-Coach Heiko Scholz im Interview

  »Schwierig, aber machbar« | Nach dem Aufstieg ab zum Training: Lok-Coach Heiko Scholz im Interview

»Olé Ola. Die Eisenbahner sind wieder da«, so tönt der Slogan für die neue Saison des 1. FC Lokomotive Leipzig. Der Aufsteiger trainiert seit Montag und freut sich auf Spiele in der Regionalliga gegen den FC Energie Cottbus, den FC Carl Zeiss Jena oder den BFC Dynamo. Der kreuzer sprach mit Chefcoach Heiko Scholz über das Abgrasen von RB, den idealen Trainer, die ideale Mannschaft und die Dritte Liga.

kreuzer: Was zeichnet Lok für Sie aus?

HEIKO SCHOLZ: Lok Leipzig ist ein alter Traditionsverein, der zu DDR-Zeiten entstand und sich in den siebziger und achtziger Jahren in Europa einen großen Namen gemacht hat mit solchen Spielern wie Wolfgang Löwe, Henning Frenzel, Frank Baum, Olaf Marschall, meiner Wenigkeit, Frank Edmond, Jürgen Rische oder später Nicky Adler, Frank Rost, René Adler. Große Namen sind durch diesen Club gegangen. Lok hat ein riesiges Fanpotenzial und einen Ruf in ganz Europa. Und das ist bemerkenswert: Lok Leipzig geht nicht unter. Sie sind immer nahe am Abgrund gewesen, aber man hat sich immer wieder besonnen, diese Marke aufrecht zu erhalten. Das sind schwierige Zeiten, die wir haben, weil es uns finanziell nicht so gut geht. Aber wir gehen Schritt für Schritt: die Wiedererlangung des Emblems, auf das jeder Fan und jeder im Verein sehr stolz ist, der Besitz des Stadions, um Fördergelder zu beantragen. So können sich die Bedingungen in Probstheida zukünftig verbessern. Das sind alles kleine Schritte, aber bei Lok Leipzig freut man sich über ganz kleine Schritte, wo andernorts keiner mit den Augen zwinkern würde. Das ist das Schöne, dass viel Herzblut drinsteckt, bei denen, die hier im Ehrenamt oder Hauptberuf arbeiten. Das macht Lok Leipzig aus, dass man diesen Verein nie aufgibt.

kreuzer: Haben Sie den Verein, als Sie weg waren, auch verfolgt?

SCHOLZ: Bei mir war es komisch. Ich bin 1990 weg (zu Dynamo Dresden, Anm. d. Red.). Da war gerade die Wendezeit. Das war eine unruhige Zeit. Als die Grenze offen war, kamen die Berater aus dem Westen rüber. Dann habe ich Lok – als die dann VfB Leipzig hießen (von 1991–2004) – aus den Augen verloren. Ich war stolz auf Lok Leipzig. Als der Verein neu gegründet wurde, habe ich 2004 das Spiel in der Kreisliga vor 12.000 Zuschauern im Zentralstadion gegen Eintracht Großdeuben II mitgemacht. Da war ich gern hier und hatte es auch wieder auf dem Schirm: Meine Loksche ist wieder da.

kreuzer: Was macht den Unterschied als Trainer von Lok Leipzig und dem MSV Duisburg aus?

SCHOLZ: Werder Bremen war mein letzter Bundesligaverein als Spieler. Danach habe ich bei Bayer Leverkusen im Nachwuchsbereich gearbeitet, um überhaupt einen Plan zu bekommen. Dann habe ich meinen Fußballlehrer gemacht und war B-Jugendtrainer mit Norbert Meier. Er erhielt ein Angebot aus Duisburg und hat mich als Co-Trainer mitgenommen. Und da war ich dann siebeneinhalb Jahre, habe vier Trainer erlebt: Norbert Meier, Rudi Bommer, Jürgen Kohler, Peter Neururer.

kreuzer: Wer war Ihr Lieblingstrainer?

SCHOLZ: Norbert Meier war als Trainer Vorbild für mich. Da habe ich sehr viel mitgenommen. Wie menschlich er ist und hart, aber herzlich. Das ist Ulli Thomale (Hans-Ulrich Thomale trainierte Lok von 1985–90, Anm. d. Red.) früher auch gewesen – als ich hier Spieler war. Der hatte immer eine harte Hand gehabt, aber war für Spaß zu haben. Fußball muss Spaß machen. Man trainiert nur hart, wenn man ordentlich mit den Spielern kommuniziert. Zwischen Spielern und Trainer herrscht ein Zusammenspiel, und wenn das dann nicht mehr passt, muss man sich trennen.

kreuzer: Was haben Sie von den Trainerkollegen gelernt?

SCHOLZ: Ich habe mir von jedem das Beste rausgesucht. Irgendwann hast du selbst deinen Weg herausgefunden und ich war Co-Trainer – habe interimsmäßig neun Erstliga- und ein Zweitligaspiel als Cheftrainer absolviert. Ich habe Regionalliga trainiert. Mir fehlt eigentlich nur die Dritte Liga. Deshalb bleibe ich auch in Leipzig, weil wir hier irgendwann das Ziel haben, in der Dritten Liga zu spielen. Von jedem Trainer nimmst du natürlich das Gute mit und das andere, wenn du anderer Meinung warst, vergisst du – das ist immer so.

kreuzer: Sie sind hier angekommen, da spielte Lok in der Regionalliga, aber es ging dann runter in die Oberliga.

SCHOLZ: Als ich den Anruf von Lok erhielt (Herbst 2013, Anm. d. Red.), da wusste ich schon, dass du sehr viel Glück haben musst, um mit vier Punkten vor der Winterpause und mit den Spielern die Regionalliga zu halten. Das war für mich gar nicht das Problem. Ich habe ringsum gesehen, wie es hier bei Lok aussieht. Wir haben in den letzten zwei Jahren am Image gearbeitet und Bedingungen mit den Sponsoren geschaffen, um die Regionalliga langfristig zu halten und dann weiter aufzubauen. Das nützt ja nichts, wenn du die finanziellen Mittel nicht hast. Andere haben Profitum und unsere gehen arbeiten. Ein Fan will Lok Leipzig siegen sehen, ob die acht Stunden arbeiten waren oder acht Stunden in der Sonne gelegen haben. Das ist denen scheißegal, deshalb muss man Bedingungen schaffen. Wir haben das in Leipzig sehr schwer, aber ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind – uns zu sortieren und an Sponsoren wieder heranzukommen, weil die eben auch sehen, dass der Verein eine richtig gute Arbeit macht.

kreuzer: Wie sieht es mit dem Nachwuchsbereich aus?

SCHOLZ: Wir haben jetzt das Glück, dass RB so schnell gewachsen ist, dass die nicht mehr so wie vor ein paar Jahren bei uns abgrasen. Wir müssen natürlich Bedingungen für unsere Nachwuchskicker schaffen – Kunstrasen etc. –, damit die dann nicht zu den Vereinen gehen, die bessere Möglichkeiten bieten. Lok Leipzig ist immer noch ein Name in der Stadt. Das merke ich, wenn ich hier Camps mache – die Kinder, die sind glücklich, das ist eben ein anderer Verein, und nicht alle können bei RB spielen.

kreuzer: Die Regionalliga ist ein Haifischbecken, wenn man sieht, welche Vereine da spielen.

SCHOLZ: Das ist Wahnsinn – das sind alles Traditionsvereine.

kreuzer: Wie sehen Sie Ihre Chancen in der Regionalliga? Zum Beispiel haben ja viele RB II nach dem Oberligaaufstieg ganz oben gesehen – mitnichten …

SCHOLZ: Hätte ich auch gedacht.

kreuzer: Echt? Aber da ist doch die Hälfte der Mannschaft vor Saisonbeginn 2015/16 weggegangen und es spielten ganz viele 18-Jährige? (Der Altersdurchschnitt lag bei 21,9 Jahren, für die neue Saison sogar bei 19,5 Jahren, Anm. d. Red.)

SCHOLZ: Ja, A-Junioren. Aber da sieht man, wie stark die Regionalliga geworden ist. Ich hätte gedacht, dass RB da voll durchstartet, mit den ganzen Bundesliga-A-Junioren – klar sind die erst 18, 19 Jahre alt. Ich hätte gedacht, dass die sich als Fußballer mehr durchsetzen. Aber da sieht man, wie sich die Regionalliga in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt hat. Die Oberliga hat sich auch gut entwickelt. Da sind jetzt überall ordentliche Trainer unterwegs. Das geht ja immer weiter. Durch die Dritte Liga ist der Spielerfluss nach unten gegangen. Immer bessere kommen dann auch runter. Es sind gute Trainer am Werk, und du hast in der Oberliga sehr attraktiv spielende Gegner.

kreuzer: Wie sieht Ihre Idealmannschaft aus?

SCHOLZ: Wir schwimmen nicht im Geld. Wir müssen gucken, wie wir so mit unseren Jungs am Limit arbeiten. Klar hätte ich einen Traum, und wenn ich bei Bayern München wäre, würde ich mir auch die Mannschaft zusammenstellen, die meinen Traumfußball spielt. Wir bieten den Fußball an, den unsere Mannschaft hergibt. Das ist für mich als Trainer wichtig – nicht jemanden zu kopieren, sondern zu gucken, was du hast, und daraus das Beste zu machen. Mach die Starken aus deiner Mannschaft besser.

kreuzer: 2020: Dritte Liga – ist das realistisch?

SCHOLZ: Stand heute sage ich: Sehr schwierig. Das ist ja unser Leitbild und wir wollen alle daran gemessen werden und arbeiten dafür. Für die Dritte Liga musst du Geld in die Hand nehmen, auch in der Regionalliga schon. Also: Schwierig – aber machbar.


Kommentieren


0 Kommentar(e)