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Politik

»Biste besoffen?«

Bettina Kudla, peinlichste Repräsentantin der Stadt, schießt sich mit Twitter ins Aus

  »Biste besoffen?« | Bettina Kudla, peinlichste Repräsentantin der Stadt, schießt sich mit Twitter ins Aus

Nicht einmal ihre Parteifreunde mögen noch mit ihr gesehen werden: Die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla hat sich mit fragwürdigen Mitteilungen und Entscheidungen unmöglich gemacht. Sie sollte ihr Mandat sofort zurückgeben.

Jetzt also die Nazi-Vokabel »Umvolkung«. Angeblich um gegen Merkels Flüchtlingspolitik zu protestieren, hat die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla am vergangenen Samstag getwittert, die »Umvolkung« sei in vollem Gange. Erfunden haben die Nazis das Wort, sie meinten damit ihr Programm zur Germanisierung Osteuropas und zur Beseitigung der slawischen Kultur. In jüngster Zeit halluzinieren deutsche Rechtsextreme, Merkel wolle Deutschland umvolken, indem sie Flüchtlingen Asyl gewähre. Warum Kudla dieses Wort nun aufgriff, ist nicht bekannt. Aber der Tweet kam an einem Samstagmorgen, wie ihre anderen Skandaltweets zuvor.

Damals, vor zweieinhalb Wochen, fragte man sich bereits, ob Bettina Kudla wohl endgültig den Verstand verloren hat. Nach einem Interview mit dem von der Regierung Erdogan verfolgten türkischen Journalisten Can Dündar nannte sie ihn Anfang September auf Twitter: »Cansel #Dünnschiss«. Unmittelbar darauf folgte ein völlig wirrer Tweet zu einem anderen Thema, voller Rechtschreibfehler. »Biste besoffen, Bettina?«, fragte ein Twitter-Nutzer zurück. Am Samstag befindet sich Kudla offenbar häufiger in einem psychischen Ausnahmezustand blinder politischer Zerstörungswut, der sich dann im Internet Bahn bricht.

Dass Kudla den Kurznachrichtendienst gerne nutzt, um politische Gegner wie Verbündete zu brüskieren, ist nicht neu. Der Griff in die unterste Schublade der Fäkal- und nun auch noch in die Nazisprache stellt aber eine neue Qualität dar. Bettina Kudla, die seit 2009 zwei Mal im Wahlkreis Leipzig-Nord das Direktmandat für den Bundestag gewann, verhält sich im Netz nicht wie eine Abgeordnete, sondern wie ein Troll in der Kommentarspalte bei LVZ-Online.

»Wo Bettina Kudla ist, ist Ärger nicht weit«, schrieb der kreuzer bereits 2007 über die damalige Finanzbürgermeisterin Leipzigs. Mit ihrem Politikstil vergraulte sie regelmäßig diejenigen, auf deren Unterstützung sie eigentlich angewiesen war: die übrigen Fachbürgermeister, den Stadtrat, ihre Verwaltungsmitarbeiter. Doch damals klang noch Respekt aus den Zeilen der kreuzer-Politikredakteurin Veyder-Malberg, zumindest für Kudlas Arbeit als Kämmerin: »An der fachlichen Qualifikation der CDU-Frau besteht kein Zweifel.« Und doch schon damals das Urteil, sie sei »eine Wirtschaftsprüferin, aber keine Politikerin«. Die gebürtige Münchnerin Kudla scheitere »immer wieder an ihrer mangelnden Fähigkeit, zu kommunizieren. Entweder sagt sie zu wenig oder zu viel«.

In Sachen Diplomatie hat die heute 54-jährige CDU-Politikerin offenbar nichts dazugelernt –­ im Gegenteil: Als Anfang Januar Neonazis die Wolfgang-Heinze-Straße in Connewitz überfielen, verurteilte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Tat auf Twitter. Kudla zwitscherte zurück: »Bitte objektiv sein! Es sind die #Linksradikalen!«

Wie sie auf diese schrille Behauptung kam, ist nicht bekannt. Typisch Kudla, dass sie damit nicht nur in Leipzig einen Shitstorm auslöste, sondern auch den Justizminister ihrer eigenen Regierung angriff. Die Stadtöffentlichkeit samt Parteifreunden wie dem sächsischen Justizminister Sebastian Gemkow hatte sie schon ein paar Tage früher vor den Kopf gestoßen, als sie einer Lichterkette um die Innenstadt eine harsche Absage erteilte. Über das von einem breiten Bündnis getragene und gegen Legida gerichtete Symbol teilte sie der Presse mit, sie halte nichts von parteiübergreifenden Aktionen, damit würden Positionen verwischt. Gemeinsame Verteidigung von Menschenrechten – offenbar nicht Kudlas Ding.

Da muss man fast von Glück sprechen, dass Kudla nun das Kunststück fertiggebracht hat, sogar in der sächsischen CDU den Bogen zu überspannen. Als einzige Abgeordnete im Bundestag lehnte sie Ende Mai die Resolution ab, mit der die Parlamentarier den Völkermord der Türken an den Armeniern 1915/16 verurteilten. Für ihre Konkurrenten in der Leipziger CDU ist spätestens der Dünnschiss-Tweet ein gefundenes Fressen. Die Stadträte Jens Lehmann und Michael Weickert haben für die kommende Nominierung zum Direktkandidaten im Wahlkreis Leipzig-Nord bereits Kampfkandidaturen gegen sie angekündigt.

Kudla hingegen macht fröhlich weiter. Von Einsicht keine Spur. Nachdem sie ein paar Tage abgetaucht war, teilte sie der LVZ im Interview mit, der Shitstorm nach dem Dünnschiss-Tweet würde dem Journalisten Can Dündar ja sogar zugute kommen. Kudla: »Vielleicht kann Can Dündar dem Ganzen sogar etwas Positives abgewinnen, da durch die öffentliche Aufmerksamkeit meines Tweets die Beachtung seines neuen Buches ›Ein Leben lang für die Wahrheit‹ sicherlich gestiegen sein dürfte.«

Vielleicht hat Frau Kudla wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Da sie sich leider weigert, zurückzutreten, wird sie bis zur nächsten Bundestagswahl ihre Basis Leipzig im nationalen Rampenlicht wohl weiter blamieren. Vielleicht hat aber einer ihrer Mitarbeiter Erbarmen und nimmt ihr wenigstens das Smartphone ab. Mit einem einfachen Handy der zweiten Generation (das nur telefonieren oder SMS verschicken kann) kann man im Internet keinen Unsinn anstellen. Kudlas Ausraster bei Twitter hätten ein Ende. Ihren #Umvolkungs-Tweet hat sie gelöscht, Dünnschiss war bis Dienstag immer noch abrufbar.


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