Am 1. Dezember vergab der Guide Michelin, weltweit berühmter Restaurantführer, seine Auszeichnungen: Maximal drei Sterne kann ein Restaurant erhalten. Überraschung der aktuellen Ausgabe: Das Restaurant Residenz im Herrenhaus, erst vor einem Jahr eröffnet, erhielt einen Stern. In Empfang nahm ihn Peter Niemann, einst Küchenchef, inzwischen freigestellt.
Laut der aktuellen Ausgabe dürfen sich 292 Restaurants mit Sternen schmücken, zehn Lokale tragen drei, 39 zwei und 243 einen Stern. Voraussetzung ist eine kontinuierlich hohe Spitzenleistung als Konglomerat von Küche, edlen Weinen und einem sehr aufwendigen Service. Wer es in diesen erlauchten Kreis schafft, gehört zur deutschen Koch-Elite. In Leipzig verteidigen Jürgen und Petra Schlegel vom Restaurant Stadtpfeiffer ihren Stern seit mehr als zehn Jahren. Peter Maria Schnurr vom Restaurant Falco im Hotel The Westin darf sich auch 2017 Zwei-Sterne-Koch nennen, obwohl er mit Ehrgeiz seit Jahren den dritten anpeilt. Alles wie gehabt? Nein, in diesem Jahr sorgt eine Überraschung für Wirbel: Zur Preisverleihung an das Restaurant Residenz im Herrenhaus Möckern wurde Peter Niemann auf die Bühne gerufen. »Herzlichen Glückwunsch!«, möchte man ihm zurufen. Doch die Sache hat einen Haken: Die Auszeichnung wird an das betreffende Restaurant verliehen, und Niemann kocht dort gar nicht mehr. Wie Betriebsleiterin Anne Decker sagt, »war Herr Niemann bis zum 30. September als Küchenchef im Herrenhaus tätig«. Nach ihren Worten gab es mehrere Gründe für die Gesellschafter, die Zusammenarbeit zu beenden. »An seiner ursprünglichen Leistung in der Küche lag es nicht«, räumt sie aber ein. Inzwischen hat Max-Henry Müller Niemanns Nachfolge angetreten, sein ehemaliger Sous-Chef, der an der Teamleistung wesentlich Anteil trägt. So wie die Regeln lauten, wäre eigentlich er derjenige gewesen, der die Trophäe in Empfang hätte nehmen sollen. Peter Niemann sieht das anders: »Ich habe einen Handyanruf bekommen, dass ich zur Auszeichnung nach Berlin kommen soll. Und ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut, weil harte Arbeit dahintersteckt!« Wie er sagt, stimmte die Chemie zwischen ihm und den Gesellschaftern eben so wenig wie die Linie zur Ausrichtung des Restaurants Residenz nicht mehr. Das Ganze spitzte sich zu, als er »mit August letztmalig reguläres Gehalt bekam und sich in seiner Verantwortung als Familienvater gezwungen sah, danach zu fragen«. Diesem Punkt widerspricht wiederum Anne Decker. Seit Niemann dann im November versuchte, Teile seines Eigentums, wie er sagt, zum Beispiel die Stühle des Restaurants Tresor, aus der Residenz abzuholen, hat er nun gar Hausverbot.
Momentan ist die Situation ziemlich verfahren. Wem gebührt denn nun der Stern? Michael Küster von den Michelin Reifenwerken, also dem Herausgeber des Guide Michelin, erklärt: »Unsere Tester waren in der ersten Jahreshälfte dort – und jetzt vor Kurzem, vor circa drei Wochen erneut. In der ersten Jahreshälfte war Peter Niemann Küchenchef, bei dem Besuch vor drei Wochen Max-Henry Müller. Dieser jüngste Besuch verlief ebenfalls sehr positiv.« Was ihn ärgert ist, dass »Herr Niemann bei dem Anruf verschwiegen hat, dass er nicht mehr in dem ausgezeichneten Restaurant arbeitet. Er hat uns in dem Glauben gelassen, er komme als Küchenchef und Repräsentant des Restaurants Residenz. Das ist für uns und Herrn Müller unschön. Wir haben bereits mit Herrn Müller gesprochen, eine passende Kochjacke mit dem Michelin-Stern darauf ist schon auf dem Weg.« Peter Niemann kontert im Gespräch, dass er »laut Arbeitsvertrag immer noch angestellt ist«. Wie dem auch sei – man wünscht sowohl dem alten Küchenchef eine gute Zukunft und dem neuen Küchenteam starke Nerven und viel Glück. Denn es ist und bleibt eine Herausforderung, einen Restaurantbetrieb in dieser Liga ökonomisch erfolgreich zu führen und gleichzeitig die hohe Erwartungshaltung der Gäste zu bedienen.
Sicher weiß jeder, dass die Bewertungen der Guides nicht alles sind. Aber wenn potente Feinschmecker mit eben diesen Büchern in der Hand ihr Lokal fürs Dinner aussuchen und bereit sind, überdurchschnittlich viel Geld auszugeben, dann bedeuten sie eben doch für jedes Haus eine nicht zu unterschätzende Werbung.