Bei der öffentlichen Vorführung des Pegida-Films »Montags in Dresden« im Hauptbahnhof herrschte die meiste Zeit Langeweile. Die Abendlandretter blieben ruhig und die Diskussion im Anschluss an den Film war emotional, aber friedlich
Proppenvoll war die Osthalle des Hauptbahnhofs am Donnerstagabend. Einer der Protagonisten von »Montags in Dresden«, der Pegida-Mitgründer René Jahn, hatte in den sozialen Medien mehrere Tage lang die Werbetrommel dafür gerührt, Leipzig einen patriotischen Besuch abzustatten. Der Film ist für den »Leipziger Ring« nominiert, den Publikumspreis der Stiftung Friedliche Revolution. Wer in der kostenlosen Vorstellung einen Sitzplatz mit Stuhl ergattert hatte, erhielt auch eine Votingkarte, mit der eine Teilnahme an der Abstimmung möglich war. Es wäre also denkbar gewesen, dass auf diesen Plätzen vorwiegend Dresdner Montagsspaziergänger gesessen hätten. Auch beim Dok sah man dem Abend wohl mit etwas Bangen entgegen, und so wurde vor der Veranstaltung noch eine Stellungnahme von Festivalleiterin Leena Pasanen veröffentlicht, in der diese einerseits erklärte, warum der Film ins Festivalprogramm aufgenommen worden war, andererseits sich von »jeglichen Aktionen von Pegida« distanzierte.
Leise Lacher
Zu Aktionen kam es nicht, Pegida war nicht zu Hunderten erschienen. Die Security war vor allem damit beschäftigt, den Fluchtweg auf der Treppe freizuhalten, die eher gelangweilte Polizei hielt sich im Hintergrund. Das Publikum schaute die 83 Minuten weitgehend geduldig und ohne nennenswerten Reaktionen. Dass Pegida »Lügenpresse, Lügenpresse!« und »Merkel muss weg!« skandiert, ist schließlich erwartbar und auch schon einige Male von Kameras eingefangen worden. (Dass der Film nichts Neues über Pegida zu erzählen weiß, wurde hier schon aufgeschrieben). Wenn es zu absurd wurde, gab es Lacher, zum Beispiel, wenn auf die holzschnittartigen Vorstellungen von Flüchtlingen aka Muslimen die Forderung folgt, doch bitte dem patriotischen Lager mit weniger Pauschalisierungen zu begegnen. Auch die Szene, in der Jahn die Fallstricke des Badewanneputzens damit in Zusammenhang bringt, wie wir alle verarscht werden, fasst die Denke der selbsternannten besorgten Bürger ganz gut zusammen und sorgte für allgemeine Heiterkeit.
Größere Gefühle – und hier und da auch mehr gedanklicher Tiefgang – folgten nach dem Film, als das Filmteam vor der Leinwand stand, während das Saalmikro zwischen vielen interessiert erhobenen Armen kreiste, um Fragen an Regisseurin Sabine Michel zu richten. Gleich in der zweiten Frage sollte sie darlegen, warum die Gewalt von den Pegida-Gegendemonstranten nicht thematisiert wurde. Dass ihr Film keinen journalistischen Anspruch hat, konnte Michel erst nach empörten Zwischenrufen in Richtung des Fragestellers unterstreichen. Die hatten dessen Behauptung zum Ziel, die »Pegidaspaziergänge«, wie er sie nannte, seien gewaltfrei. Die nächste Frage erntete Applaus für die Feststellung, dass Pegida Gewalt entfacht habe. Diese spielt Michel zufolge im Film keine Rolle, weil sie mit Pegida ins Gespräch kommen wollte, zumal die Gewalt gut von der Presse abgedeckt worden sei.
Die gute Mitte
Ein weiterer Gast des Abends war traurig darüber, dass nicht alle den Film so verstanden haben wie er. Dann wüsste nämlich jeder, dass die drei Protagonisten auch in jeder anderen politischen Bewegung aktiv sein könnten. Eine ähnliche Richtung hatte wohl der Redebeitrag über die Leute, die das Gefühl haben, ihre Stimme würde nicht gehört. Quintessenz: Es ist unfair, sie als rechts zu bezeichnen.
Die behauptete Gewaltlosigkeit von Pegida wurde von einem anderen Sprecher in Frage gestellt. Er wurde vor zwei Jahren zusammen mit anderen am Ort von Filmvorführung wie Diskussion von bewaffneten Nazis angegriffen, die von Pegida heimkehrten. Auch vor dem Hintergrund, dass die Bedrohungen von dieser Gruppe auch nach diesem Abend nicht aufhörten, stellte er Michels Ansatz und ihre Forderung – miteinander ins Gespräch kommen – in Frage: Wie solle er mit Leuten reden, die ihm sein Recht auf ein friedliches Leben nicht gönnen?
Ein weiterer Beitrag torpedierte Michels Prämisse, dass Pegida eine marginale Gruppe ohne Plattform sei, und verwies unter anderem auf die Bundestagswahlen oder die Asylrechtsverschärfungen der letzten Regierung. Ein anderer brachte sich vor der Leinwand in Position und rechnete vor, dass Stalin und Mao sich viel mehr Tote aufs Gewissen geladen haben als rechte Menschenfeinde. Sofort setzten Pfiffe und Zwischenrufe ein, Ralf Eue, der Kopf der Dok-Auswahlkommission, sprang auf und schnappte sich selbst ein Mikro, um darauf hinzuweisen, dass das Thema des Films ein anderes sei. »Aber hier wurde doch auch schon Pegida mit dem Ku-Klux-Klan gleichgesetzt!«, lautete der – nicht den Tatsachen entsprechende – Versuch zu begründen, warum Stalin jetzt Thema sein könnte. Dann wanderte das Publikumsmikro weiter. Zum Beispiel an den Fan der Hufeisentheorie, der alles, was er für die politische Mitte hält, gut und richtig findet, und in diesem Sinne verlangte, dass »wir alle« mehr Richtung Mitte rücken. Ein Zwischenruf forderte dagegen einfach »mehr Menschlichkeit«.
Handwerk und Haltung
Die filmische Sprache von »Montags in Dresden« kam auch aufs Tapet und damit die Frage, mit welcher Haltung Michel das Material montiert habe. Ihre Herangehensweise, so Michel, wollte erklären, wo »Ängste, Sorgen, aber auch Wut« herkommen. Dies wollte dem nächsten Fragesteller nicht ganz einleuchten, der bemängelte, dass menschenverachtende Haltungen im Film eine Plattform erhalten, während die filmische Sprache diese Haltungen affirmiert und eben nichts erklärt. Dem entgegnete Michel mit dem Luxemburg-Zitat von der Freiheit des Andersdenkenden.
Die nächste Fragestellerin begrüßte die Freiheit von Rede und Meinungen und wünschte sich Reflexion. Als Enkelin von türkischen Gastarbeitern treffe es sie persönlich – wie sie unter Tränen erklärte –, wenn Ausländer abgelehnt werden, weil auf einer deutschen Kultur beharrt wird. Als sich ihre Stimme wieder gefangen hatte, fügte sie an, dass sie bei Pegida die logische Argumentation vermisse, weil sie nur ein »Gefühlswirrwarr« wahrnehme, das sich nicht ums Nachdenken bemüht, zum Beispiel darüber, was deutsche Kultur ist, und was es bedeutet, Menschen für nicht erwünscht zu erklären. Michel wies darauf hin, dass die mangelnde Plausibilität der besorgten Gedankenansätze im Film dargestellt wird. Eine wichtige Frage sei doch, wie es passiert, dass Leute zu Fremdenfeinden werden. Ein Zwischenruf half aus: »Weil sie Rassisten sind.«