Das erste und das letzte Ligaspiel ging in der Hinrunde verloren, Ligafünfter, raus aus der Champions League und dem DFB-Pokal, in der Europa League wartet der derzeitige italienische Tabellenführer SSC Neapel im Februar auf die Mannschaft. Einfacher wird es nicht.
Die neue Saison
Die allseits immer wieder gern zitierte Sportweisheit, dass die zweite Saison immer schwerer sei als die erste, sah in der Hinrunde zu Beginn und am Ende jeweils Niederlagen vor. Im DFB-Pokal ging es nach dem letztjährigen Aus in der ersten Runde bei Dynamo Dresden diese Saison in die zweite Runde. Hier wartete im Heimspiel Bayern München und Timo Werner besiegelte das Aus durch seinen verschossenen Elfmeter.
»Spektakulär«
»Spektakulär« nennt Bezahlsender Sky eine Auswahl aus dem Jahr 2017 von elf Choreografien aus deutschen Fanblöcken (https://sport.sky.de/fussball/artikel/g-228-nsehaut-pur-die-spektakul-228-rsten-choreos-2017/11184353/33896), in die es der RB-Fanblock beim Heimspiel gegen Besiktas Istanbul mit dem Spruch »Tausend und eine Fahne nur für dich« samt Wunderlampe und geschwungenen Fahnen schaffte.
Dies verwundert, weil eine derartig schlichte Choreo von aktiven Fangruppen anderer Leipziger Mannschaften bereits in der Landesliga zu sehen war und so ausgesprochen wenig mit »spektakulärer Fußballkultur« zu tun hat.
Aber der Fanblock lieferte durchaus auch interessante Bilder wie im Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Hierbei wurde mit einem dargestellten Rollfilm dem analogen Zeitalter gedacht. Ein medienanalytischer Verweis, den man nicht so oft in der Bundesliga sieht, vor allem wenn man bedenkt, dass das digitale Zeitalter 2002 begann und der Club erst sieben Jahre später entstand.
[caption id="attachment_62809" align="alignleft" width="308"] Lichtshow, Credits: GEPA pictures/Roger Petzsche[/caption]
Die »Lichtshow« bzw. »weihnachtliche Lichtinszenierung« (O-Ton RB) am Ende des letzten Spieltags gegen Hertha mit dem Schriftzug »Danke!« und Sternen auf dem Rasen kam bei den Fans nicht so an. Sie zogen mehrheitlich das schnelle Verlassen des Stadions vorher. Daran waren nicht nur die niedrigen Temperaturen schuld, sondern auch die Heimniederlage. Dafür feierte der volle Hertha-Block lauthals seine Mannschaft. Während des Spiels waren im Gästeblock einige kritische Banner zu lesen – etwa »Leipziger Demokratie: Zahlen Ja – Mitbestimmen? Nein«.
Die Fans von Borussia Mönchengladbach artikulierten sich schon etwas deutlicher mit dem aus Fans formierten Schriftzug »Scheiss RB« über den Ober- und Unterrang.
»Von Amerika lernen«
Und dabei kamen die Borussen-Fans noch nicht einmal in den Genuss einer der Saisonneuheiten: die Kiss Cam zur Animation des Publikums vor dem Spiel. Sie fiel vor dem Spiel nämlich aus. Was einige Betrachter fälschlicherweise zur Annahme führte, dass die gegen den SC Freiburg zu erlebende Show nur eine Eintagsfliege gewesen sei. Weit gefehlt – euphorisch und mit sich überschlagender Stimme kündigt der Stadionsprecher sie seither immer wieder an.
Im Gegensatz zum amerikanischen Vorbild muss allerdings festgehalten werden, dass die von Kameras im Stadionrund eingefangenen Pärchen, die auf den zwei Videowänden zu sehen sind, nicht durch ein Herz gerahmt werden. Konsequent ist diese Form der Unterhaltung allemal, denn der RB-Verantwortliche für Finanzen Florian Hopp erklärte bei einer HHL-Podiumsveranstaltung mit Martin Kind von Hannover 96 im Sommer, dass RB vom amerikanischen Sport lernt. Gesagt, getan: Es kam die Kiss Cam. Wurde sie bei der ersten Aufführung fast ohrenbetäubend bejohlt, kann dem Leipziger Publikum über die bisherige Saison hinweg eine zunehmend distanzierte Haltung bescheinigt werden. Wünschenswert wäre für die Rückrunde, dass auf diese Form der Stimmungsmache ganz verzichtet wird. Der jugendliche Radiosender, der dieses Prozedere präsentiert, wird vor dem Spiel bereits oft genug genannt, wenn nämlich die Lieblingslieder eines ausgewählten Spielers zu hören sind.
Der bisherige Spitzenreiter in dieser Kategorie ist Michael Jackson, den Emil Forsberg und Kevin Kampl jeweils als Lieblingssänger angaben.
Stolz und Frauen
Apropos Musik: Vor dem Spiel ertönt seit dieser Saison die gegnerische Fanhymne (zumindest eine Strophe), bevor dann die mit dem Titel »Stolz des Ostens« für die Heimmannschaft erklingt.
Darin wird unter anderem behauptet, dass Fußball hier noch gelebt werde, »mit Emotionen und Fairplay«. Davon abgesehen, dass man sich die Bezeichnung »Stolz des Ostens« von Energie Cottbus klaute, konnten Tim Thoelke und Julius Fischer mit ihrem Champions League-Song das Ganze noch torpedieren. Sie dichteten Zeilen wie »Fußball ist auch für Frauen da«, die sehr viel über ihre Ausdenker erzählen. Trotz CL-Aus schaffte es der Song jetzt auch ins Repertoire der Halbzeitpause.
Die zur Aufstiegsfeier in die Bundesliga von Sebastian Krumbiegel präsentierte Hymne erklingt 45 Minuten vor Anpfiff, wenn die Mannschaft den Rasen zur Erwärmung betritt. Die Stimme von Krumbiegel ist dabei allerdings nicht mehr zu hören.
Politik im Stadion
Als auf der Pressekonferenz vor dem Champions League-Spiel gegen FC Porto Trainer Ralph Hasenhüttl auf den Kniefall von Hertha BSC vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 angesprochen wurde, gab er sich sehr wortkarg und ahnungslos. Damit hielt sich der Coach an die offizielle Vereinssprache, dass Politik im Stadion nichts zu suchen habe – wie Vereinsvorsitzender Oliver Mintzlaff beim Fantreffen Anfang Dezember wiederholte: ein politikfreies Stadion also als eine ideale Bühne für den RB-Fußball.
Da stellt sich allerdings die Frage, warum RB bisher die einzige Bundesligamannschaft ist, deren Kapitän mit schwarz-rot-goldener Spielführerbinde auflief, was eine mehr als deutliche politische Inszenierung darstellt – vor allem im Hinblick auf Entstehungsgeschichte, durchspülende Kapitalströme und Mannschaftszusammensetzung.
Dies änderte sich, als in dieser Saison Péter Gulácsi als Kapitän beim Auswärtsspiel gegen den VfL Wolfsburg auflief. Anstelle der deutschen Nationalfarben trug er eine neonfarbene Binde mit dem Logo des Sportausrüsters. Seither ist von den Deutschlandfarben nichts mehr zu sehen gewesen.
Selbstkritik
Selbstkritisch zeigte sich beispielsweise Sportdirektor Ralf Rangnick. Auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel gegen Hoffenheim und nach Bekanntgabe seiner Vertragsverlängerung bis 2021 erklärte er auf kreuzer-Anfrage, dass sich die Nachwuchsarbeit der Akademie verändern müsse. Aus den Juniorenmannschaften fand in den letzten Jahren kein Spieler einen Platz in der ersten Mannschaft. Die über die Jahre gern präsentierten jungen Spieler, die, mit der Bezeichnung »Rohdiamant« bedacht, einen Profivertrag erhielten, sind teilweise überhaupt nicht mehr im Verein oder wurden ausgeliehen.
Neu zu überdenken sei, laut Rangnick, woher und in welchem Alter junge Spieler an den Cottaweg gelangten.
Statistiken
Bei zwei Statistiken führt RB in diesem Jahr auf jeden Fall. Rasenballsport e.V., der sich um den Nachwuchs bis zur U-14 und die Frauenmannschaft kümmert, zählt nach wie vor 17 stimmberechtigte Mitglieder. Ihnen stehen 850 nichtstimmberechtigte Fördermitglieder gegenüber.
Insgesamt fünf Männer im Alter von 53 bis 73 Jahren starben 2017 bei und nach einem Spiel im Stadion.