Kinderhände wühlen sich durch einen Berg aus Plastik. Aufgerissene Hüllen von Schokoriegeln, amerikanische Hundefuttertüten, italienische Pastapackungen. Die Kinder spielen darin, bauen sich Burgen. China ist Hauptimporteur für Plastikabfälle. Die Container kommen aus Japan, Europa, Korea und den USA und werden in der Volksrepublik weiterverarbeitet. Für den engagierten Familienvater Pen ist der Müll bares Geld. Er will mit seiner kleinen Recyclingwerkstatt das Schulgeld für seine 11-jährige Tochter Yi-Jie verdienen. Das Leben ist hart für die Mitglieder der Yi-Minderheit, tausende Kilometer entfernt von ihrer Heimat in den Bergen. Der Dokumentarfilm »Plastic China« beleuchtet die Globalisierung von unten.
Mit ruhigen Bildern zeichnet er ein erschütterndes Bild unserer Zeit. Der Film gewann beim größten Dokumentarfilmfestival in Amsterdam und wird am 14. Februar das fünfte »Chai. China-Filmfestival« in der Cinémathèque eröffnen. Zu Gast ist der Schnittmeister Bo Li, der auf dem renommierten »Golden Horse Festival« für seine Montage von »Plastic China« ausgezeichnet wurde. In neun Filmen entwirft das »Chai« an vier Tagen ein Mosaik des kontemporären China. Die Werke erzählen von den chinesisch-afrikanischen Beziehungen oder dem Coming Out einer Priesterin und sind dabei oft nicht auf den ersten Blick genau zu definieren. Die Dokumentarfilme verzichten auf Kommentare, die Spielfilme wirken dokumentarisch. Dem Leipziger Konfuzius Institut ist mit seiner Zusammenstellung ein inhaltlich wie stilistisch vielfältiger Blick ins heutige China gelungen. Nach fünf Jahren hat sich das kleine, feine Filmfestival in der Leipziger Kulturlandschaft etabliert. Mit einem Gastspiel im Chinabrenner wird es diesmal auch wieder kulinarisch – denn Essen gehört im chinesischen Film immer dazu.
»Chai. China-Filmfestival«: 14.2.–17.2., Cinémathèque in der Nato, Chinabrenner www.konfuziusinstitut-leipzig.de
Film der Woche: Die Winter sind in Wyoming besonders hart, mit Minustemperaturen im zweistelligen Bereich. In der schroffen, erbarmungslosen Kälte entdeckt der Fährtenleser Cory Lambert (Jeremy Renner) die Leiche einer jungen Frau im Schnee. Doch ihr Körper liegt nicht irgendwo, sondern am Rande des Indianerreservats Wind River und auch das tragische Opfer ist indianischer Abstammung. Für die Bundespolizei ist der Fall damit unwichtig. Die junge FBI-Agentin Jane Banner ist noch in der Ausbildung im 800 Meilen entfernten Las Vegas, als sie in die verschneite Gegend beordert. Je mehr sie über die Zustände in dem Reservat erfährt, desto mehr fühlt sie sich verpflichtet, den Fall aufzuklären. Mit der Hilfe von Cory, den der Fall mehr berührt, als sie zunächst ahnt, begibt sie sich auf Spurensuche. In den Reservaten der amerikanischen Ureinwohner sterben und verschwinden Jahr für Jahr zahllose junge Frauen, ohne dass ihr Schicksal je aufgeklärt wird. Taylor Sheridan, preisgekrönter Drehbuchautor von Filmen wie „Sicario“, widmet ihnen sein Regiedebüt. „Wind River“ ist eine erschütternde Studie von Verlust, ein genau beobachtetes Soziogramm und ein nervenaufreibender Thriller. Getragen wird der Independentfilm, der in Sundance und Cannes gefeiert und an den US-Kinokassen zum Überraschungshit wurde, von der einfühlsamen Darstellung Jeremy Renners. Die kraftvollen Bilder der unerbittlichen Landschaft und der getragene Score von Warren Ellis und Nick Cave runden Sheridans Film ab, zu einem stillen Meisterwerk, das lange nachhallt.
»Wind River«: ab 8.2., Passage Kinos
Von »Dinky« (Double Income No Kids Yet) zu »Sinky« (Single Income No Kids Yet): Frida ist 36 und wünscht sich ein Kind. Seit zwei Jahren unterliegt die Beziehung zu ihrem Freund Tobias einem strikten Zeugungsprogramm. Doch was sie auch versucht, ihr Kinderwunsch erfüllt sich nicht. Gerade als sie eine künstliche Befruchtung in Erwägung zieht, beendet Tobias die Beziehung. Fridas ganzer Lebensentwurf gerät aus den Fugen. Sie sehnt sich nach Heim und Familie, und nun soll sie mit Mitte dreißig von vorne beginnen? Während ihre Freunde in die nächste Lebensphase übertreten, verläuft ihr eigenes Leben vermeintlich rückwärts. Hinzu kommt, dass die Sportlehrerin von ihren Schülern gemobbt wird. Frida muss ihr Leben selbst in die Hand nehmen, bevor es ihr entgleitet.Das charmante kleine Spielfilmdebüt der in Köln geborenen Mareille Klein feierte beim Filmfest München seine Premiere, wo es mit dem Nachwuchspreis Neues Deutsches Kino für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Wo andere Produktionen bemüht wirken, kommt »Dinky Sinky« angenehm leicht daher. Zu verdanken ist dies vor allem seiner Hauptdarstellerin Katrin Röver, die Frida mit ihrem authentischen Spiel Leben verleiht.
»Dinky Sinky«: ab 8.2., Passage Kinos Am 10.2. in Anwesenheit der Regisseurin Mareille Klein und der Hauptdarstellerin Katrin Röver
Flimmerzeit_Jahresende_2017
Weitere Filmtermine der Woche
Playing GodKen Feinberg ist Entschädigungsspezialist, Anwalt und Mediator. Er entwickelte ein Modell, das es ihm erlaubt, den Wert eines Lebens, genauer gesagt den wirtschaftlichen Schaden durch den Tod oder die Arbeitsunfähigkeit eines Menschen, genau zu berechnen. Mit anschl. Gespräch mit Regisseurin Karin Jurschick9.2., 18.30 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Gezeitenwechsel im Leipziger OstenNeun Jahre nach »Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften« wirft Bernhard Wutka erneut einen Blick auf den Leipziger Osten.11.2., 18 Uhr, Pöge-Haus
Filmriss FilmquizWenn Bruce Willis auf alles außer Tiernahrung Prozente gibt, klingeln euch die Ohren? Ihr regt euch auf, wenn wieder einmal jemand das falsche Datum aus »Zurück in die Zukunft« postet? Und wenn keiner die Star-Trek-Referenzen in »Big Bang Theory« rafft, verdreht ihr die Augen? Dann seid ihr hier zu Hause. Hier dürft ihr Kinonerd sein und werdet belohnt: Tonnenweise Merchandise aktueller Kinoproduktionen warten auf euch. André Thaetz und Lars Tunçay nehmen euch mit auf eine Reise quer durch die Filmgeschichte.13.2., 20.30 Uhr, Conne Island
Gaza Surf ClubPhilip Gnadt begleitet junge Surfer in Gaza-City, die von ihren Hoffnungen und Träumen erzählen. – Salam Deutschland – Islam im Grassi, Einführung mit Verena Klemm (Orientalisches Institut/Uni Leipzig). (Bildrechte: Little Bridge Pictures/Niclas Reed Middleton)14.2., 19 Uhr, Grassi-Museum für Völkerkunde
Arrival CitiesAnkunftsstädte, so nennt der Journalist und Migrationsexperte Doug Saunders in seinem gleichnamigen Buch die Ankunftsorte, an denen Zugewanderte eine bessere Zukunft finden wollen. Wie die Eisenbahnstraße geraten diese Ankunftsorte zunächst häufig als Problemviertel in die Schlagzeilen. Um herauszufinden, wie diese 'Arrival Cities' funktionieren oder manchmal auch scheitern, besucht Doug Saunders europäische Ankunftsorte in Istanbul, London, Paris, Amsterdam und Berlin. Er zeigt, dass Einwanderung bei allen bekannten Herausforderungen immer auch große Chancen für Zuwanderer und Einwohner birgt – vorausgesetzt, die Zugewanderten finden dort Bedingungen vor, die es ihnen ermöglichen, selbst aktiv zu werden. Die Dokumentation spannt den Bogen von den persönlichen Geschichten einzelner Immigranten bis hin zu den städteplanerischen und politischen Konzepten, die erforderlich sind, damit Ankunftsorte gelingen.15.2., 20 Uhr, Pöge-Haus
Slemani – Inside Iraqi KurdistanDie kurdische Stadt Slemani ist das kulturelle Zentrum der kurdischen Gesellschaft im Nordirak. In dem Dokumentarfilm erzählen die Bewohner der Stadt von ihrer Wahrnehmung der vergangenen und gegenwärtigen Situation. – anschl. Filmgespräch mit Regisseur Lian Sommer15.2., 20 Uhr, Cineding