Oktoberrevolution, Militärputsch und Zweiter Weltkrieg: Die Reihe »Go East – Aufbruch nach Osten« ist nicht nur eine Reise in den östlichen Teil Europas, es ist auch eine Reise innerhalb der Geschichte. Am 28. März startet die Reihe mit der Preview von »The Death of Stalin«, einer britischen Komödie, die mit derbem Humor das Machtgerangel nach Stalins Tod im März 1953 auf die Schippe nimmt. Allein um Steve Buscemi und »Monty Python«-Star Michael Palin mal wieder auf der Leinwand zu sehen, dürfte sich das schon lohnen. Einen wunderbar verspielten Blick auf die Verhältnisse in Russland bietet der Animationsfilm »1917 – Der wahre Oktober«. Anhand von Tagebucheinträgen und Dokumenten rekonstruiert Regisseurin Kathrin Rothe die Gedanken und Erlebnisse von Künstlern zur Zeit der Oktoberrevolution. Sehenswert, aber nicht immer leicht anzusehen ist »Das große Heft« von János Szász aus dem Jahr 2013. Der Film erzählt die Geschichte von ungarischen Zwillingsbrüdern, die während des Zweiten Weltkrieges bei ihrer bösartigen Großmutter aufwachsen und ihre Erfahrungen in einem Heft notieren. Das beklemmende Drama aus dem Jahr 2013 beschließt die Reihe »Go East« am 4. April. HANNE BIERMANN»Go East«: 28.3.–4.4., Kinobar Prager Frühling
Film der Woche: Das soziale Milieu von Tonya Harding ist der Inbegriff des »White Trash«. Ihre Mutter ist eine ungebildete, unsensible Schreckschraube, aber die Einzige, die Tonyas Talent auf dem Eis erkennt und die Trainerin mit ihrer charmanten Art dazu drängt, die Vierjährige zu fördern. Jahre später zählt Tonya zu den besten Eiskunstläuferinnen der Welt, wartet aber immer noch darauf, sich beweisen zu können. Es muss ihr ein Coup gelingen, um den Weg zur Olympiade zu ebnen. Was folgte, war der Skandal, der in die Geschichte einging. Eine Geschichte, wie geschaffen für ein Drehbuch. Margot Robbie (»The Wolf of Wall Street«) unterzog sich einer erstaunlichen Metamorphose und sorgt als rotzfreche, selbstbewusste Tonya für beste Unterhaltung. Die bittere Note holt die Figuren aber immer wieder zurück auf den Boden. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»I, Tonya«: Passage Kinos (auch OmU)
Thelma (Eili Harboe) ist auf den ersten Blick eine ganz normale junge Frau, die hoffnungsvoll, aber recht unsicher ihr Studium in Oslo beginnt. Dem schüchternen Mädchen aus der Provinz fällt es schwer, sich zu integrieren. Die ständigen Kontrollanrufe ihrer Mutter helfen nicht gerade dabei. Der zunehmende Druck entlädt sich in einem Anfall – unkontrolliert zuckend liegt Thelma am Boden. Die Kommilitonin Anja kümmert sich um sie und zwischen den beiden entsteht ein ungewöhnlich starkes Band. Doch dann häufen sich die Anfälle und sie beginnen auch ihre Umwelt zu beeinflussen. Thelma erfährt, dass die Vorsicht ihrer Eltern nicht ganz unbegründet ist. Die Werke des norwegischen Autorenfilmers Joachim Trier (»Louder Than Bombs«) entfalten ihre Sogwirkung ganz langsam. Mit jeder Szene fügt sich ein neues Puzzleteil ins faszinierende Bild. Das ist auch der Reiz von »Thelma«, seinem ersten Vorstoß ins Genrekino. Wobei sein vierter Film kein Horror im klassischen Sinne ist. Vielmehr liegen unter den Genreelementen genaue gesellschaftliche Beobachtungen von Kontrolle und Wahn. Triers Wegbegleiter Jakob Ihre findet dafür kraftvolle, poetische Bilder und White Birch-Frontmann Ola Fløttum den passenden atmosphärischen Soundtrack.
»Thelma«: ab 22.3., Schauburg
2011 zerstörte ein Tsunami den Reaktor im japanischen Fukushima. Immer noch leben Menschen in der Gegend, obwohl sie wissen, dass von ihr eine unsichtbare tödliche Gefahr ausgeht. Aber warum? Dieser Frage geht Thorsten Trimpop in seinem Dokumentarfilm »Furusato« nach, für den er 2016 bei DOK Leipzig die Goldene Taube für den besten deutschen Dokumentarfilm erhielt. Heimat hat in Japan eine besondere Bedeutung. Die Tradition sagt, dass der Mensch die Landschaft, in die er geboren wird, ein Leben lang in sich trage, dass sie ihn zu dem mache, was er ist. Sie ist sein Furusato. Genau diese Tradition veranlasst viele Bewohner der Region um Fukushima, zu bleiben – allen gesundheitlichen Risiken zum Trotz. Das sind zum Beispiel der Umweltaktivist Bansho, die junge Pferdezüchterin Miwa, die ihre Eltern nicht im Stich lassen möchte und sich strikt weigert, eine Atemmaske zu tragen, obwohl sie tagtäglich inmitten des radioaktiv verseuchten Gebiets arbeitet und sieht, wie ihre Tiere krank werden und sterben. Oder die ältere Frau Noda, die den Tempel, in dem sie lebt, nicht verlassen möchte. Trimpops Film ist verstörend, unbequem und beklemmend. Und gerade deshalb von großer Bedeutung: Er zeigt, wie naiv die Industrienation Japan mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima umgeht, wie sie, ohne Rücksicht auf Verluste, die Bevölkerung belügt, vertröstet und im Stich lässt. Ausführliche Kritik von Nikta Vahid-Moghtada im aktuellen kreuzer.
»Furusato«: ab 15.3., Cinémathèque in der Nato/em>
Der Österreicher Werner Boote ist ein Schüler des von Michael Moore etablierten subjektiven Dokumentarfilmstils. Wie Moore ist Boote ein Meister der Selbstinszenierung. Kaum ein Bild, in dem er nicht bedeutungsschwanger nickt und seinen Gesprächspartnern auf den Leib rückt. Das nervt bisweilen. Andererseits macht die persönliche Herangehensweise komplexe Themen für ein breites Publikum nachvollziehbar. So feierte er mit seiner Öko-Doku »Plastic Planet« in seiner Heimat und auch im deutschen Kino Publikumserfolge. In »Die grüne Lüge« knüpft er nun an das Erfolgsrezept an. Die Welt hat sich weitergedreht. Längst rühmen sich viele Hersteller und Firmen mit grünen Unternehmensphilosophien. »Nachhaltigkeit« ist das Schlagwort der Stunde – das bekommt der Zuschauer nachhaltig eingetrichtert. Dabei betreiben die Unternehmen konsequentes »Greenwashing«: Umweltschädliche Produkte werden als »grün« dargestellt, weil sie vielleicht ein bisschen weniger umweltschädlich sind als die der Konkurrenz. Die Journalistin Kathrin Hartmann hat sich auf dieses Gebiet spezialisiert und Boote begleitet sie um die Welt. Er spielt dabei den Zweifler, der es sich in seinem Wohlstand bequem eingerichtet hat. Das wirkt nicht immer überzeugend, aber es hilft die Message zu transportieren. Die beiden besuchen – stets im Bild – Palmölplantagen, sprechen mit Aktivisten, stellen aber auch Unternehmenssprecher zur Rede. So entsteht ein narrativer Fluss auf ihrer Reise, der am Schneidetisch entstand, ihren Aussagen allerdings Kraft verleiht. Warum wird die Entscheidung auf den Konsumenten übertragen, ob er Fair Trade-Schokolade kauft oder jene, die durch Kinderarbeit entstanden ist? Und: Kann man den Labels eigentlich trauen, die uns ein gutes Gewissen verabreichen sollen? Unterm Strich also ein höchst effektiver Erklärfilm, der seine Wirkung nicht verfehlt.
»Die grüne Lüge«: ab 22.3., Passage Kinos
»Willkommen bei den Sch’tis« war vor zehn Jahren ein Überraschungserfolg und machte Dany Boon über Nacht zu einem der bekanntesten Franzosen. Dass er sich so lange Zeit gelassen hat für eine Fortsetzung, macht eigentlich Hoffnung, dass es sich hier nicht um einen Schnellschuss handelt. Zumal der zweite »Sch’tis« genau genommen gar keine Fortsetzung ist, sondern eine eigene Geschichte erzählt: Der angesehene Designer Valentin D. (Boon) hat der Heimat im Nord-Pas-de-Calais vor Jahren den Rücken gekehrt und den eigentümlichen Dialekt abgelegt. Ausgerechnet am Tag der Präsentation seiner neuen Kollektion taucht seine Familie in Paris auf und will mit ihm den Geburtstag der Mutter feiern. Das Chaos ist vorprogrammiert. Wieder hat Boon die Regie, das Drehbuch und die Hauptrolle übernommen und er gefällt als Schnösel. Der Auftakt hält einige schön böse Spitzen auf die Kunstwelt parat und das eine oder andere witzige Wiedersehen mit bekannten Mimen. Allerdings wird »Die Sch’tis in Paris« zunehmend albern und vorhersehbar. Vom erfrischenden Witz des Erstlings ist wenig geblieben.
»Die Sch’tis in Paris – Eine Familie auf Abwegen«: ab 22.3., Cineplex, Passage Kinos, Regina Palast
Weitere Filmtermine der Woche
Im inneren KreisIris P. führte enge Freundschaften und ging intime Beziehungen mit Menschen ein, die sie zugleich ausspionierte. Als Verdeckte Ermittlerin »Iris Schneider« forschte sie jahrelang die linke Szene und die »Rote Flora« in Hamburg aus. – Am 24.3. Filmgespräch mit dem Regie-Duo Hannes Obens und Claudia Morar24.3., 19.30 Uhr, Cineding
Andrej RubljowDas monumentale Werk Andrej Tarkowskijs erzählt in mehreren Episoden die Lebensgeschichte des legendären altrussischen Ikonenmalers Andrej Rubljow. Ein Meilenstein der Filmgeschichte in 35 mm. – Schauwert-Sonntag25.3., 11.30 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Kobieta Sukcesu (OF)Eine Geschäftsfrau kämpft um ihre Firma und ihre Liebe. – Polnisches Kino im Original25.3., 20.15 Uhr, Cineplex
Detektiv Conan – The Crimson Love LetterDetektiv Conan kann gerade noch verhindern, dass sein Kollege Heiji Hattori und dessen Freundin Kazuha Toyama, die er schon seit Kindheitstagen kennt, einem Anschlag zum Opfer fallen. Offenbar wurde der Fernsehsender Nichiuri TV, bei dem die beiden gerade Gast waren, von Terroristen als Ziel ausgewählt, darauf deuten jedenfalls einige Indizien hin. Unklar ist hingegen die Motivation des Täters, der den Anschlag auch nicht im Vorfeld angekündigt hatte. Da taucht plötzlich eine Frau namens Momiji Ooka auf, die behauptet, schon seit frühester Kindheit mit Heiji verlobt zu sein. Schnell stellen der und Conan jedoch fest, dass Momiji kurz vor dem Attentat am Tatort gesichtet wurde. Kann es sein, dass sie etwas damit zu tun hatte? Und können Conan und Heiji den Fall rechtzeitig aufklären?27.3., 20 Uhr, Cineplex, CineStar
Lesvos: Beautiful PrisonDie Dokumentation zeigt anhand der Geschichte und der Erfahrungen von fünf Frauen die Situation auf der griechischen Insel Lesvos. – Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Flucht und Migration«27.3., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Horror-Doppel mit DonisHorrorpapst Donis präsentiert zwei Filme vom italienischen Godfather of Gore Lucio Fulci: »Der New York Ripper« (I 1982) und »Das Haus an der Friedhofsmauer« (I 1982). (Filmstill: Das Haus an der Friedhofsmauer«)28.3., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Pihalla – Auf zu neuen UfernDie Party, die Miku und sein großer Bruder zu Hause organisieren, läuft gelinde gesagt etwas aus dem Ruder. Zur Strafe muss der introvertierte 17-Jährige mit den Eltern den Sommer in deren Ferienhäuschen auf dem Land verbringen. Dort trifft er auf den selbstbewussten und unangepassten Elias. – Queerblick28.3., 19.30 Uhr, Passage Kinos