Ab Ostern kann man um Leipzig und etwas weiter weg wieder gezielt die Orientierung verlieren. Labyrinthe und Irrgärten eröffnen eine neue Saison der Weg- und Sinnsuche. Der kreuzer schafft Übersicht.
Texteingangs soll einem Missverständnis entgegengetreten werden. Irrgarten und Labyrinth sind nicht dasselbe. Das Labyrinth ist ein gewundener Weg, der spiralförmig auf eine Mitte zustrebt. Ein Irrgarten ist so angelegt, dass man die Wege immer wieder kreuzt, nicht findet und sich verläuft – man bräuchte jenen roten Ariadnefaden aus dem Mythos über den kretischen Irrgarten. Vermitteln die Labyrinthwände beim Passieren durch Rhythmus Ruhe, so verursacht der Irrgarten als Verwirrmaschine Stress. Von Leipzig aus sind einige spannende solcher Anlagen zu erreichen, um den Unterschied zu erproben. Warum nicht nach Eiersuche oder Passionsspiel beim wendungsreichen Zickzackspaziergang die Seele baumeln lassen? Dazu sind sie schließlich da.
Labyrinthische Spiralzeichnungen kennt man seit der Vorzeit, viele Kulturen waren offenbar von diesen Mustern fasziniert. Das berühmteste jedoch aus der Überlieferung, jenes Gefängnis auf Kreta, in dem der Stiermensch Minotaurus auf seine jungfräuliche Leibspeise gewartet haben so soll, ist nicht aufzufinden. Im Mittelalter angelegte, zum Beispiel in Kathedralen befindliche Labyrinthe dienten der Bußübung: Man schritt sie in sich gekehrt ab und begab sich symbolisch auf Pilgerfahrt nach Jerusalem. Gelassenheit können auch weltlichere Gemüter auf solchen Mäanderpfaden erleben, etwa wenn sie sich durchs Natursteinwirrwarr namens Labyrinth in der Sächsischen Schweiz schieben.
Alt, auch wenn nicht konkret datierbar ist die so genannte Trojaburg von Steigra im Dreieck Nebra, Querfurt und Mücheln gelegen. Es ist eines der seltenen erhaltenen Riesenlabyrinthe in Deutschland. Das Grasnarbenmuster wird auch Schwedenring genannt, vielleicht ein Hinweis darauf, dass sich zahlreiche solche Labyrinthe dort nachweisen lassen. Oder es legten Schweden im Dreißigjährigen Krieg an. Nicht ganz so weit reisen muss man zu einem ähnlichen Bodendenkmal: Die „Schwedenhieb“ geheißene Trojaburg liegt ebenfalls als Rasenraster angelegt im Saale-Holzland-Kreis in Graitschen auf der Höhe, einem Ortsteil der Stadt Schkölen.
Über den Unterschied zwischen Irrgarten und Labyrinth klärt der Irrgarten der Sinne in Kohren-Salis auf. Neben der Lust am Orientierungsverlust im Freien ist das Hecken-Labyrinth südlich von Leipzig gespickt mit Lernherausforderungen wie Duftorgeln, einem Balancierbrett und Experimentierstationen. Mit Fläche will der Irrgarten Eckartsberga punkten, wo der Weg wirklich das Ziel ist. Findet man den kürzesten Weg, muss man nur 365 Meter zurücklegen, orientierungslos schiebt man sich auf längerem Pfad durchs Wegenetz von 1.550 Metern – Sackgassen nicht mitberechnet. Den größten und ältesten barocken Irrgarten gilt es im Gutspark von Altjeßnitz zu besichtigen. In der Muldeaue gelegen, lenken auf einer Fläche von 2.600 Quadratmetern Hainbuchenhecken die Wege. Eine Plattform in der Mitte verspricht die Übersicht auch über den historischen Baumbestand.
Auch wenn Brandstifter den markanten Turm im Zentrum der Anlage in Kleinwelka zerstört haben, geben die Betreiber nicht auf. Zu Ostern werden die drei Heckenlabyrinthe für die Saison eröffnet. Selbst als Provisorium ist der Park barrierefrei begeh- und befahrbar – auf einer Gesamtlänge von 7,5 Kilometern. Im Abenteuerlabyrinth verlaufen sich alle, das Rätsellabyrinth trennt die Wege der Erwachsenen von jenen der Kinder. Man setzt also auf Familienanimation.
Auch ohne Freiluft kann man sich regional verlaufen: Gleich vier Irrgärten mit Kitschfaktor bietet das Labyrinthehaus in Altenburg. Auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern kann man der Grabkammer eines Pharaos zu entfliehen versuchen, Voodoopuppen im Dschungel anpinnen, in der Tiefsee Wände einrennen und bei Magiern die Ewigkeit erleben.
Historisch angelehnt ist jener Mäanderweg, der seit einigen Jahren neben dem Magdeburger Dom zu bereisen ist. Das ins Pflaster eingelassene Motiv ist jenem von Chartres nachempfunden und misst fast 300 Meter bei einem Durchmesser von fast 15 Metern. Aus schwarzem Basaltmosaik und hellgrauem Bernburger Muschelkalkmosaik ist die beeindruckende Pflasterintarsie gestaltet worden. Unter der Mittelrosette hat man einen Amethystkristall eingearbeitet, weil diesem violetten Mineral heilende Wirkung nachgesagt wird. – Das sind wir wieder am Eingang angekommen: Wirrungen, Irrungen.