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Politik

»Die mahnen auch grundlos ab«

Teure Formfehler: Das Abmahnwesen bedroht Kleinstunternehmer – eine Betroffene berichtet

  »Die mahnen auch grundlos ab« | Teure Formfehler: Das Abmahnwesen bedroht Kleinstunternehmer – eine Betroffene berichtet

Eine Petition an den Bundestag fordert eine Reform des wettbewerbsrechtlichen Abmahnwesens. Viele Kleinunternehmer fühlen sich schikaniert und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, da Abmahnvereine aus Gewinninteresse Abmahnungen verschicken. Dieser missbräuchliche Einsatz werde vom derzeitigen Rechtsrahmen begünstigt. Der kreuzer traf eine Leipzigerin, die die Petition unterstützt – auch, weil sie selbst zum Opfer solcher Abmahnpraxis wurde. Ihren richtigen Namen will sie nicht genannt wissen, also heißt sie für das Interview Maria Schmidt.

kreuzer: Was ist Ihnen mit Ihrem Dawanda-Online-Shop widerfahren? 

MARIA SCHMIDT: Als ich im Frühjahr 2017 abgemahnt wurde, schrieb mir eine Freundin eine Warnung vor einer Abmahnwelle bei Dawanda. Da hatte ich das Schreiben aber schon im Briefkasten, es war zu spät. Ich erhielt ein Einschreiben von einem Verein, mit der Forderung 230 Euro Abmahnstrafe zu zahlen. Die sind gleich haarklein mit Screenshots gekommen und haben eine Frist von vier Tagen übers Wochenende gesetzt. Da denkst du im ersten Moment: Ich muss sofort überweisen, sonst wird es noch teurer. Und dann kommt man dahinter, dass so eine kurze Frist nicht rechtens ist.

kreuzer: Was war der Grund für das Schreiben?

SCHMIDT: Die mahnen auch grundlos ab. Bei mir war es anders. Bei der Widerrufsformel hatten sich die die Gesetze geändert und ich hatte eine Kleinigkeit in meinem Dawanda-Shop nicht umgeschrieben. Aber ich dachte auch: Das ist ein kleiner Shop, bei dem ich ein Produkt verkauft habe im Monat. Wen interessiert das? Außerdem habe ich hauptsächlich Maßanfertigungen gemacht, wo jeder selbständige Designer mit dem Kunden ausmacht, dass Umtausch ausgeschlossen ist. Dafür wird ja im Vorfeld alles ausführlich besprochen, damit der Kundenwunsch vollständig umgesetzt wird.

kreuzer: Sie haben nicht damit gerechnet, abgemahnt zu werden?

SCHMIDT: Ich mache das neben meinem Hauptberuf und der Shop bringt wenig Geld. Da kann ich nicht ständig einen Anwalt beauftragen, der über die Seite schaut und prüft. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Erlös.

kreuzer: Warum stellt Dawanda nicht einfach Muster-AGB für die Shops zur Verfügung?

SCHMIDT: Das frage ich mich auch. Sie haben zwar ein Anwaltsbüro, mit dem sie zusammenarbeiten und das sie empfehlen; das kostet aber Geld. Als ich sie anschrieb, hat Dawanda nur gemeint: »Tut uns leid, aber wir können da auch nichts machen.«

kreuzer: Wie gingen Sie weiter vor?

SCHMIDT: Ich hab mich bei der IHK gemeldet und die haben mir sehr geholfen. Die kannten den Verein schon und meinten, der ist sehr aktiv und es hätten nach Abmahnungen schon viele Unternehmer ihre Online-Shops geschlossen. In meinem Fall sahen sie eine 50-50-Chance, es auf das Verfahren ankommen zu lassen. Es gibt widersprechende Urteile, ob der Verein im Recht ist oder nicht. Bei mir ging es am Ende darum, ob sie überhaupt abmahnberechtigt sind. Bei dem Risiko habe ich dann gezahlt, sonst wären noch Gerichtskosten dazugekommen.

kreuzer: Warum haben Sie den Shop dann geschlossen?

SCHMIDT: Selbst wenn ich alles überarbeitet hätte, wäre ich weiterhin unter Beobachtung des Vereins und beim nächsten kleinen Fehler wieder dran gewesen. Das kostet dann gleich mehrere tausend Euro. Es ist gängige Praxis, dass man unter Beobachtung steht. Und das war mir zu riskant, daher habe ich den Shop geschlossen.

kreuzer: Die Petition vermutet eine Masche hinter solchen Vereinen und Anwälten. Sehen Sie das auch so?

SCHMIDT: Deshalb freut mich diese Petition, weil ich weiß, dass das viele Leute betrifft. Bei Dawanda haben viele ihre Shops geschlossen, weil es ihnen so ging wie mir. Das wirkt sich auch negativ auf Dawandas Geschäftsmodell aus. Ich glaube, sie haben es zu spüren bekommen, dass sie ihre Händler nicht unterstützten. Und viele Händler werden ja zu Unrecht abgemahnt, scheuen nur die Kosten fürs Gericht. Sie zahlen, weil sie denken, die anderen sind schon im Recht, oder, um ihre Ruhe zu haben. Interessant ist, dass selbst Dawanda jetzt gegen diesen Abmahnverein Anzeige erstattet hat.

kreuzer: Wenn es eine rechtliche Absicherung gibt, würden Sie wieder einen Shop eröffnen?

SCHMIDT: Ja, klar. Aber mal sehen, was die Petition bringt. Sie bezieht sich allgemein auf diese Abmahnpraxis, das finde ich gut. Verbraucherrechte sind wichtig, aber hier haben Leute ein Geschäftsmodell daraus gemacht. Für eine Veränderung müssten aber noch ein paar mehr unterzeichnen.


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