Die Lausitzer Neiße ist die Verbindungsader im Herzen Europas. Auf ihrem 254 Kilometer langen Weg fließt sie durch Deutschland, Polen, Tschechien und sieht dabei die Welt. Ebenso wie der Fluss die Städte Görlitz und Zgorzelec einst trennte und heute vereint, so vereint auch die Liebe zum Film die Menschen in der Region, das zeigt das Neiße Filmfestival, das in dieser Woche im Dreiländereck flimmert.
Seit 15 Jahren spinnt das Neiße Filmfestival ein Netz zwischen den Nachbarn. 120 Filme an 19 Orten sind bis Sonntag zu sehen. Von Zittau bis Zgorzelec, von Varnsdorf bis Liberec. Ein einzigartiges europäisches Filmfestival, das die Macher immer wieder vor logistische Herausforderungen stellt. Bis Sonntag pendeln die Shuttle-Busse durch das Dreiländereck. Viele Regisseure begleiten ihre Filme an die Neiße und fördern so den kulturellen Dialog. Christian Petzold kommt am Freitag nach Zittau, um seinen Film »Transit« vorzustellen, und wird bei der Preisverleihung am Samstag einen Ehrenpreis entgegennehmen. Barbara Auer stellt ihren Film »Vakuum« am Donnerstag persönlich vor. Viele weitere Filmemacher kommen aus Prag und Warschau. Es gibt eine 68er Retrospektive mit dem Fokus auf die Umwälzungen im Osten, in Varnsdorf laufen Klassiker in 70mm auf einer der größten Leinwände Europas, man kann junges, experimentierfreudiges Kino aus Tschechien, Polen und Deutschland entdecken. Und wenn das Licht ausgeht, sind die Unterschiede gar nicht mehr so groß. Schließlich heißt der Sehnsuchtsort in allen drei Sprachen: Kino.
»15. Neiße Filmfestival«: 15.–20.5., u.a. Görlitz, Zittau, Varnsdorf, www.neissefilmfestival.de
Als Jimmy und Hannah nach zwei Jahren der Trennung beim Verkauf ihres Ferienhauses auf einer kleinen Vulkaninsel in der Ägäis unverhofft wieder Gefühle füreinander entwickeln, wollen die Zwei einen Neuanfang als Liebespaar wagen. Dabei ahnen sie nicht, dass ausgerechnet ihre siebenjährige Tochter Luca alles daransetzt, genau dies zu verhindern. Mit kindlicher Cleverness spielt Luca ihre Eltern gegeneinander aus, bis sich vor der Kulisse des Inselidylls ein abgrundtief bösartiger Machtkampf um den Familienthron entspinnt.
»Die Tochter«: ab 17.5., Schaubühne Lindenfels (am 22.5. in Anwesenheit der Regisseurin Mascha Schilinski)
Die meisten von uns benutzen sie täglich, aber die wenigsten von uns wissen wirklich, wie sie funktionieren: Soziale Netzwerke bestimmen längst unser Leben. Erst allmählich beginnen wir zu begreifen, dass wir nicht nur Nutzer, sondern auch Benutzte sind. Zum einen als millionenschwere Daten-Nutztiere, zum anderen – und hier wird nun auch das amerikanische Rechtssystem hellhörig – als willig steuerbare Masse. Wie sehr das Vorenthalten von Informationen und die zielgerichtete Beeinflussung durch Filterbubbles die demokratischen Grundfesten erschüttern und inwieweit Facebook, Google und Co. dafür Verantwortung tragen, damit beschäftigt sich unter anderem gerade der US-Senat. Auch der Dokumentarfilm »The Cleaners« von Moritz Riesewieck und Hans Block befasst sich mit den Mechanismen hinter der Zensur und Kontrolle der Internetkonzerne. Dabei sind nicht etwa Algorithmen dafür verantwortlich, was und was nicht auf Netzwerken wie Youtube oder Facebook gezeigt werden darf. In Wahrheit sitzen einfache Leute in kargen Büros in Manila vor dem Bildschirm und bewerten bis zu 25.000 Bilder täglich nach ihrer Tauglichkeit. Den Horror, dem sie ausgesetzt sind, der Verantwortung und ihrer Fehlbarkeit geben die Filmemacher ein erschreckendes Gesicht. Ihr Film liefert zwar keine Antworten, stellt jedoch eine Menge unbequemer Fragen. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»The Cleaners«: ab 17.5., Luru Kino in der Spinnerei, Schaubühne Lindenfels
Maria Callas – Meisterin der Tragödie und selbst tragische Figur der Opernwelt. Vor vierzig Jahren verstummte eine der größten Stimmen des zwanzigsten Jahrhunderts. Regisseur Tom Volf widmete der einzigartigen Diva mit »Maria By Callas« ein intimes Porträt. Dabei ist der Titel wortwörtlich zu verstehen. »Die Callas« – ein Produkt der Medien, deren Fokus die Künstlerin seit ihrem 18. Lebensjahr war – reflektiert in den Augen der scheuen Maria, eines 1923 in Griechenland geborenen, einfachen Mädchens, das in viel zu große Schuhe gesteckt wurde – zunächst von ihrer überambitionierten Mutter, später von ihrem ersten Ehemann Giovanni Battista Meneghini, einem reichen Unternehmer, den sie 1949 heiratete. Es gibt kein Entrinnen vor dem Schicksal, konstatiert Maria Callas in dem Interview, das sie dem englischen Fernsehen gegen Ende ihrer Karriere gab und das den Kern des Dokumentarfilms ausmacht. So gab sie sich bereitwillig dem Rummel um ihre Person hin, genoss den Ruhm, ertrug die Kritik mit einem offenen, herzlichen Lächeln, das einen durch den Film und über den Abspann hinaus begleitet. Ebenso wie ihr Glänzen in den Augen, wenn sie sang. Volf verwendet viele Aufzeichnungen ihrer Darbietungen – vielleicht etwas zu viele für all jene, die dem Operngesang nicht zugeneigt sind. Aber auch die erkennen in Maria Callas eine außergewöhnlich begabte Künstlerin, hinter der sich ein verletzlicher Mensch verbarg, der vor allem in den persönlichen Briefen (im französischen Original gelesen von Fanny Ardant) nackt und (ver)zweifelnd zum Vorschein kommt. Auf diese Aufzeichnungen und die zahlreichen Videodokumente kann Volf seinen Film stützen und verzichtet auf Dritte, die ihre Begeisterung für »die Callas« in die Kamera sprechen. Dadurch fehlt »Maria By Callas« zwar die Außenperspektive, man kommt ihr dabei aber schmerzhaft nahe.
»Maria By Callas«: ab 17.5., Passage Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Beach RatsIn ihrem zweiten Spielfilm erzählt die US-amerikanische Independent-Regisseurin Eliza Hittman in düster-verträumten Bildern eine packende Geschichte von homosexuellem Erwachen und einer Selbstverleugnung am äußersten Rand New Yorks, an dem soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität ebenso Alltag sind wie eine einseitige Vorstellung von Männlichkeit. – Internationaler Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie17.5., 20.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling
System ErrorRegisseur Florian Opitz setzt sich in seiner neuen Dokumentation mit dem Kapitalismus auseinander, der heute, wie es Karl Marx vorausgesagt hat, alle Lebensbereiche bestimmt und in einem ewigen Wachstumszwang gefangen ist. Am 17. Mai sind Regisseur Florian Opitz und zwei Protagonisten in den Passage Kinos zu Gast.17.5., 20 Uhr, Passage Kinos
Light to the WorldDer vom »Universalen Haus der Gerechtigkeit« (das weltweit leitende Gremium des Bahá‘í-Glaubens) in Auftrag gegebene Film erzählt die Geschichte des Religionsstifters Bahá'u'lláh und skizziert seine Lehren und ihren Einfluss auf Menschen in verschiedenen Regionen weltweit.18.5., 20 Uhr, Bahá'i-Zentrum
Shorts Attack: Marx & The Revolution10 Filme in 90 Minuten – anläßlich des 200. Geburtstags von Karl Marx' werden Kapitalismus und Gesellschaft reflektiert.18.5., 22.15 Uhr, Cineplex
Kino DatscheNachwuchsfilmer unterwegs: Die Kurzfilme des 4. Kinokabaretts in Leipzig.19.5., 21.30 Uhr, Ost-Passage Theater
Der FeuerwehrballIn einer tschechischen Kleinstadt soll ein Feuerwehrball stattfinden. Am Abend der Feier überlegt sich der Vorstand spontan, auch eine Miss-Wahl abzuhalten. Als schließlich der Höhepunkt des Abends in Form der Wahl der »Miss Feuerwehrball« bevorsteht, geraten die Feierlichkeiten außer Kontrolle, als sich die Kandidatinnen in der Toilette einschließen und neue Mädchen gefunden werden müssen; notfalls mit Gewalt. Der kürzlich verstorbene Regisseur Milos Forman (»Einer flog über das Kuckucksnest«) erlangte mit »Der Feuerwehrball« internationale Bekanntheit, nachdem der Film in der Tschechoslowakei verboten worden war. Die Zensoren glaubten, in der satirischen Handlung eine politische Allegorie auf das sozialistische System zu erkennen. Womit sie nicht ganz Unrecht hatten. – The revolution will be televised: Filmreihe und Ausstellung zur 68er-Bewegung20.5., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Die ReifeprüfungDer junge Benjamin wird von Mrs. Robinson verführt, verliebt sich aber in deren Tochter. Die dramatische Komödie mit dem Simon & Garfunkel-Soundtrack machte Dustin Hoffman über Nacht bekannt und avancierte zum Kult-Klassiker. – The revolution will be televised: Filmreihe und Ausstellung zur 68er-Bewegung23.5., 21 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Russisches KinoRussisches Kino im Original ohne Untertitel – diesmal mit dem Computer-Animationsfilm »Smeschariki – Dezha vyu« (R 2017): Krosch möchte ein Fest für den besten Freund von Smeshariki organisieren – den Braunbären Kopatytsch. Und unser Held geht die Sache gewissenhaft an: Er wendet sich an die Agentur Dejavu, die ihren Kunden wundersame Zeitreisen verspricht. Durch eine Vertragsverletzung kommen Smeshariki und seine Freunde in unterschiedlichen Zeiten an. Das Cineplex zeigt zusätzlich um 17 Uhr noch mal den Film »Sobibor« (R 2018; OF).20.5., 15, 17 Uhr, Cineplex, 14.30 Uhr, Cinestar, 15 Uhr, Regina Palast
5 Zimmer Küche SargEigentlich sind sie ja zum Anbeißen, die vier Vampire, die das Kamerateam für einige Wochen begleitet. Die »Flight of the Concords«-Macher schufen diese aberwitzige Mockumentary mit viel Situationskomik und haufenweise abgedrehten Ideen. Ein außerordentliches Vergnügen nicht nur für Genrefans.21.5., 11.30 Uhr, Passage Kinos
Your NameTaki lebt in Tokio, Mitsuha in einem kleinen Ort in der Provinz. Beide verbindet ein unsichtbares Band. Wenn sie träumen, finden die Teenager sich in den Schuhen des jeweils anderen wieder. Der gefeierte Animationsfilmer Makoto Shinkai inszenierte mit »Your Name« viel mehr als nur eine weitere Körpertausch-Komödie. Sein charmanter, warmherziger Anime avancierte in Japan zum erfolgreichsten Film des Jahres. – Filmspecial zum Wave-Gotik-Treffen21.5., 11.30 Uhr, Passage Kinos
It's Not the Time of My Life – Ernelláék FarkaséknálNachdem sie in Schottland kein Glück hatten, stehen Ernella, Albert und ihre zehnjährige Tochter Laura vor der Tür von Eszter und ihrer Familie. Ernellas Schwester kann sie nicht abweisen, doch das Zusammenleben erweist sich als schwierig. – Off Europa: Open Hungary21.5., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Underdog – Fehér istenAls die 13-jährige Lili und ihr Hund getrennt werden, setzt sie alles daran, ihn wiederzufinden, während der Vierbeiner sich auf den Straßen von Budapest behaupten muss. Beeindruckend gefilmter, außergewöhnlicher und preisgekrönter Hundefilm. – Off Europa: Open Hungary21.5., 21 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Körper und Seele – Teströl és LélekrölAußergewöhnliche, preisgekrönte Liebesgeschichte um einen Personalchef und seine Angestellte, die eine merkwürdige Gemeinsamkeit teilen: Nachts träumen sie davon, als Rehe durch den Wald zu streifen. – Off Europa: Open Hungary23.5., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Das große HeftDie dreizehnjährigen Zwillingsbrüder werden inmitten des Zweiten Weltkriegs von ihrer Mutter aufs Land zu ihrer Großmutter gebracht. Die bösartige Frau lässt die Zwillinge hart für sich arbeiten. – Off Europa: Open Hungary25.5., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Filmriss Filmquiz... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Das Filmquiz zum letzten Mal zu Gast im Conne Island. Seit 2009 stellen André Thätz und Lars Tunçay Fragen rund um unsere Lieblingskunst, quizzen durch 100 Jahre Filmgeschichte und belohnen Bescheidwissen mit haufenweise feinen Preisen. Ihr könnt alle 50 Schattierungen von Grau aufzählen? Ihr könnt den Handlungsort vom Murmeltiertag buchstabieren? Ihr könnt alle »Star Wars«-Teile in die chronologisch richtige Reihenfolge bringen? Respekt – dann seid ihr hier genau richtig! Ab Juni gehts in den StuK.22.5., 20.30 Uhr, Conne Island
Best of Kurzsuechtig 2018Heute Abend gibt es noch einmal das Beste aus dem Programm des 15. Kurzsuechtig-Kurzfilmfestivals zu sehen.23.5., 21 Uhr, Ost-Passage Theater
Horror-Doppel mit DonisDie neunziger Jahre waren der Horror. Das beweist Horrorpapst Donis heute Abend mit einem Filmdoppel. Zu sehen gibts Clive Barkers Slasher »Candyman's Fluch« von 1992 und den irren Horrortrip »Die Mächte des Wahnsinns« von 1994, in dem John Carpenter seinen Hauptdarsteller Sam Neill durch die Hölle jagt.23.5., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei