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Stadtleben

Freiheit vs. Sicherheit

Das aus Leipzig stammende Fahrradschloss Texlock lässt Kritiker zweifeln

  Freiheit vs. Sicherheit | Das aus Leipzig stammende Fahrradschloss Texlock lässt Kritiker zweifeln

»Ritzeratze! voller Tücke, / In das Texlock eine Lücke«: Schnell machte das Video des Fahrradschlossknacks die Runde. Das einfache Durchtrennen des Texlocks sorgte für enttäuschte (Ex-)Fans bis hin zu Hasskommentaren gegen die Produzentinnen aus Leipzig. Die halten ihr Schloss noch immer für sicher. Denn, so betonen sie dem kreuzer gegenüber, in der Branche gebe es nur relative Sicherheit. Auch wenn da ein anderes Bild vermittelt werde.

Bis dahin galt das Texlock vielen Fahrradfahrern als ultimative Lösung ohne Kompromisse. Denn es vereint zwei bei der Schlosskonstruktion widerstreitende Faktoren: Flexibilität und Sicherheit. Stabile Schlösser – wie Falt-, Ketten- oder Bügelmodelle – sind schwer und steif. Das stört beim Transport und erschwert bis verhindert das Anschließen an Gegenständen. Das aus einem Gewebeverbund und Drahtseil bestehende Texlock ist dagegen leichter und so flexibel wie ein Seil. Der kreuzer stellte das Leipziger Start-up im vergangenen Jahr vor (kreuzer 04/2017) und pries die Idee. Nun aber kamen Zweifel an seiner Sicherheit auf. Zuletzt bewertete die Stiftung Warentest das Schloss als nicht überzeugend. Demnach reicht eine kleine Säge aus, um das unter Zugkraft gespannte Schloss durchzusägen. Auf die Reaktion von Texlock, das seien unrealistische Laborbedingungen, in Wirklichkeit könne man das so nicht spannen, folgten weitere Videos. Sie zeigen, dass es etwas mehr als neun Sekunden braucht, aber man sehr wohl in einer Alltagssituation das Schloss aufsägen kann.

»Das Texlock ist sicher«, sagt Texlock-Geschäftsführerin Alexandra Baum. Gegen die Beurteilung der Stiftung Warentest gehe das Unternehmen gerichtlich vor, in sechs Punkten enthalte der Test implizite, unwahre Aussagen. Näher benennen will Baum diese aufgrund des laufenden Verfahrens nicht. »60 Prozent der Fahrräder, die geklaut werden, werden weggetragen. Da hilft ein Schloss, das das Fahrrad fest anschließt, schon sehr viel. Da ist eine psychologische Hürde.« Diebe würden sich andere, leichtere Ziele suchen. Das hundertprozentig sichere Schloss gebe es nicht, so Baum. »Andere Schlösser haben auch ihren Feind.« Und bisher sei es nur unter Laborbedingungen in Tests geknackt worden. »Uns hat noch niemand geschrieben, dass sein Fahrrad gestohlen wurde, weil es mit einem Texlock abgeschlossen war.« Alle Hersteller würden mit »80-Prozent-Produkten« auf den Markt gehen, sagt Baum. Das seien nun einmal die Spielregeln.

Ob die Konkurrenz mit im Spiel ist, darüber kann Baum nur spekulieren. »Wir stören ein in sich ruhendes Oligopol, bei dem sich seit Jahren wenige Marken im hochpreisigen Segment eingerichtet haben. Und dann kamen wir und machten ihnen spürbar Marktanteile streitig.« Vielleicht war auch die Vermarktung zu gut: »Unsere Prämisse war, die bestmögliche Balance aus Sicherheit, Handhabbarkeit und Aussehen zu kreieren. Beim Fahrrad geht es ja vielen Kunden auch um Lifestyle.« Das habe bei der »Kickoff-Kampagne« einen zu großen Erwartungsdruck aufgebaut. »Das Video hat bei einigen den Eindruck erweckt, das Schloss sei unzerstörbar.« Geschockt haben Baum die krassen Kommentare von Kunden und Trollen, wobei das nicht recht unterscheidbar war. »Von ›Wenn Frauen so etwas entwickeln, kann das nichts werden‹ bis hin zum ›Deutschen Gruß‹ war alles dabei.«

Von den Kunden erbittet sich Baum etwas Nachsicht: »Ich hoffe auf die Akzeptanz, dass bei so etwas Neuartigem noch mit Kinderkrankheiten zu rechnen ist. Stahlprodukte werden seit hundert Jahren entwickelt.« Und selbst da kämen Fehler vor, hätte sich ein Modell einmal mit einem Kugelschreiber öffnen lassen. »Wir haben mit Sicherheit den Sägetest etwas unterschätzt, was die Laborbedingungen angeht. Darum haben wir den Aufbau hinsichtlich der Sägefestigkeit noch einmal verbessert.« Anfang Juli soll das nachgebesserte Schloss den Händlern auf einer Messe vorgestellt werden. Ohnehin hätten die Händler gelassen reagiert. Sie hätten ja einen Überblick und wüssten, dass es nur relative Schlosssicherheit gebe und auch andere Schlösser Macken hätten.

Das ist aus Kundensicht wenig tröstlich. Eines jedenfalls müssen diese im Auge behalten, wenn sie zum 110-Euro-Schloss greifen. Denn Baums Argument mit der Nische hat mit der Bekanntheit der Schwachstelle seine Kraft verloren: »Wer stellt sich mit einer Säge hin, wenn das Hauptinstrument des Fahrraddiebstahls der Bolzenschneider ist?« Eine kleine Metallsäge wiegt knapp 100 Gramm.


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1 Kommentar(e)

radfahrer 25.06.2018 | um 14:36 Uhr

desaster worst case Schade!