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Die Jagd nach dem geklauten Handy

Eine Friseurin verfolgt einen Einbrecher, denn die Polizei hilft nicht

  Die Jagd nach dem geklauten Handy | Eine Friseurin verfolgt einen Einbrecher, denn die Polizei hilft nicht

In einen Friseursalon wird eingebrochen. Die Inhaberin verfolgt die Spur auf eigene Faust, weil sie das Gefühl hat, ihr hilft niemand

Am nächsten Tag fährt Weiß noch einmal nach Mockau, sie hat einen Plan, für den sie ihren ganzen Mut zusammennehmen muss. Sie geht in die Pizzeria, hier wird Teig geknetet, Pizzen werden aus dem Ofen geholt, Lieferanten sammeln Bestellungen ein. Weiß tut so, als wäre sie ein ganz normaler Gast, und fragt beiläufig nach dem WLAN-Passwort. Über das Netzwerk will sie entweder auf ihr Handy oder ihre Musikanlage, die über WLAN steuerbar ist, zugreifen und einen Ton auf ihr Handy senden oder Musik anmachen. Ihr kühner Plan scheitert an der technischen Durchführbarkeit, keines der Geräte reagiert. Entnervt bezahlt sie und geht. Dann passiert das, was sie die ganze Zeit befürchtet hat. Ihr Handy verschwindet von der Bildfläche und wird für sie unsichtbar. Die Spur ist weg. Ob das Diebesgut wirklich in der Pizzeria oder vielleicht in einer der darüberliegenden Wohnungen war, weiß sie bis heute nicht.

Wechselseitig hätten Staatsanwaltschaft und Polizei die Verantwortung auf die jeweils andere Ermittlungsbehörde abschieben wollen, meint Weiß. Mit drei unterschiedlichen Kripobeamten habe sie wegen des Einbruchs zu tun gehabt, telefoniert oder Nachrichten hin- und hergeschrieben. Niemand habe ihr geholfen, stellt sie frustriert fest. Es sei sogar eher andersrum gewesen. Die Beamten hätten sie gebeten, sich zu melden, wenn es Neuigkeiten zu ihrem Handy gebe. Darüber kann sie heute lachen, damals hat sie das aufgeregt.

»Irgendwann bin ich aus der Haut gefahren«, Weiß musste Dampf ablassen. Also habe sie zum Telefon gegriffen und ihrer Wut und Verzweiflung beim zuständigen Staatsanwalt Luft gemacht: »Ich habe ihn gefragt, was noch passieren soll, damit eine Ermittlung anläuft.« Eine Antwort darauf erhielt sie nicht. Kürzlich kam Post von der Staatsanwaltschaft: Die Ermittlungen wurden eingestellt. Nichts anderes hat sie erwartet, aber sie versteht es nicht: »Wieso werden bei friedlichen Demonstrationen 2.000 Polizisten bereitgestellt, bei akuten Anliegen, wie Einbruchsdelikten, aber nicht mal eine Streife losgeschickt, um einer greifbaren Spur nachzugehen?«

Wie belastend müssen Hinweise sein, damit eine Straftat aktiv verfolgt wird? Wurde Annett Weiß’ Hinweisen wirklich nicht nachgegangen? Auf Anfrage des kreuzer bei der Polizeidirektion Leipzig teilt der Pressesprecher schriftlich mit, dass man es »befremdlich« finde, zu einem von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren Stellung zu nehmen. Nach eigener Auffassung wurde alles getan, um die Straftat aufzuklären.

In der Friseurbranche wird sich rege ausgetauscht und es hat sich herumgesprochen, dass es vor allem im vergangenen Dezember und Januar mehrere Einbrüche in Salons gegeben haben soll. In diesen Zeitraum fällt auch der Einbruch in Annett Weiß’ Laden, sie geht mittlerweile von einer Serie aus. Das sei eigentlich das größte Ärgernis, meint sie. Bereits in ihren alten Salon auf der Karl-Liebknecht-Straße sei eingebrochen worden. Auch da sei von Behördenseite ähnlich verfahren worden: Schadensaufnahme, Aushändigung der Tagebuchnummer und irgendwann das Schreiben der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Verfahrens. Ihren Salon hat Annett Weiß nun mit Alarmanlage und Kameras ausgestattet, aber »das wird im Zweifelsfall nichts bringen«, meint sie.


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