anzeige
anzeige
Filmkritik

Aussteiger

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Aussteiger | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Die Schauburg wird 90 und gönnt sich und uns zum Geburtstag einen der besten Filme des Jahres, das stille Aussteigerdrama »Leave no Trace«. Damit unterstreicht das Kino am Adler seine unentbehrliche Rolle in der Leipziger Kinolandschaft, als Brücke zwischen Arthouse und Multiplex mit einem Herz für Filme abseits des Mainstreams, immer wieder auch in der englischen Originalfassung. Dazu gratulieren wir und wünschen der Schauburg weiterhin viel Erfolg und einen festen Anker in der Kulturszene der Stadt.

www.schauburg.leipzig.de

Film der Woche: Tom (Thomasin Harcourt McKenzie) und ihr Vater, der Kriegsveteran Will (Ben Foster), leben seit vielen Jahren unentdeckt in Forest Park, einem riesigen Waldgebiet am Rande von Portland, Oregon. Eine zufällige Begegnung führt zu ihrer Entdeckung und zur Betreuung durch die Sozialbehörde. Sie versuchen sich an ihre neue Umgebung anzupassen, bis eine unerwartete Entscheidung sie auf einen gefährlichen Weg zurück in die Wildnis führt – und sie zwingt, sich mit dem widerstreitenden Wunsch, Teil der Gesellschaft zu sein und dem heftigen Verlangen, abseits zu leben, auseinandersetzen zu müssen. Debra Granik inszenierte mit »Leave no Trace« ihren ersten Spielfilm nach dem gefeierten Sozialdrama »Winter’s Bone« vor acht Jahren. Das Drehbuch schrieb sie erneut gemeinsam mit Anne Rossellini. Basierend auf dem Roman »My Abandonment« von Peter Rock erzählt sie eine einfühlsame Vater-Tochter-Geschichte, zwei Rastlose, die sich nicht an die moderne Gesellschaft anpassen wollen. Ein stiller Film, der zum Nachdenken anregt, getragen von zwei großartigen Hauptdarstellern: Ben Foster (»Hell or High Water«) sowie Newcomerin Thomasin Harcourt McKenzie.»Leave no Trace«: ab 13.9., Schauburg, UCI

Die Ostsee in ihren jahreszeitlichen Stimmungen, das helle Licht und die Luftspiegelungen, die Wolken am hohen Himmel, die Vögel im Sturm über den Wellen. Vor der magischen Naturkulisse begegnen wir Menschen, die an den Rändern der Ostseeländer leben: auf der Insel Usedom und an den polnischen Stränden, an den baltischen Küsten und den nördlichen Schären in Schweden. Fischer und Wissenschaftler, Seeleute und junge Menschen erzählen von ihrem Leben im Einklang mit der alle verbindenden Meereslandschaft, von ihrer Arbeit, ihren Erinnerungen und Hoffnungen. Sie entwerfen aber auch das Bild eines Alltags, in dem ökologische Probleme, politische Ost-West-Konflikte und nationale Egoismen allgegenwärtig sind. Mit »Seestück« schließt Volker Koepp einen filmischen Zyklus ab, den er mit »Berlin-Stettin« (2010) begann. In diesem Film mischte der Regisseur in seine Beschreibung ostdeutscher Film- und Lebensräume erstmals auch autobiografische Bezüge. »In Sarmatien« (2013) erweiterte den Blick auf die Region östlich der Weichsel und zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee. Mit »Landstück« (2016) kehrte Koepp in die Uckermark nördlich Berlins zurück. »Seestück« – ein Film über die Ostsee, über das Leben am Meer und mit dem Meer – schließt den Reigen nun ab. Wie in den Filmen zuvor spiegeln sich hier die Bögen der Historie in den privaten Lebensläufen der Gegenwart. Auch für die kleine Ostsee gilt: Landschaftsbild ist Weltbild.

»Seestück«: ab 13.9., Cineding

»Was für eine bescheuerte Idee, seinem Kind den Namen von einem Typen zu geben, der sich erschossen hat.« Cobain ist 15 und hat ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Mutter. Kein Wunder, meistens ist Mia weggetreten vom Heroin oder sturzbetrunken. Dennoch will er sie nicht aufgeben, wie es jeder tut, der Mia kennt. Dabei hat sich Cobain über die Jahre an das Leben im Heim gewöhnt und auch eine liebenswerte Pflegefamilie in Aussicht. Aber er begreift bald, dass er dort nicht hingehört. Immer wieder kreuzen sich die Wege von Mutter und Sohn. Mia ist wieder schwanger und richtet sich selbst und ihr ungeborenes Kind zugrunde. Schließlich erträgt Cobain ihre Selbstzerstörung und die ständigen Demütigungen seines Umfelds nicht mehr. Es ist Zeit, das Schicksal bei den Eiern zu packen. Nanouk Leopold (»Brownian Movement«), die mit ihren schroffen Charakterdramen Dauergast der Berlinale ist, traut ihrem Hauptdarsteller und auch dem Zuschauer viel zu und belohnt ihn mit einem berührenden Charakterdrama abseits durchdeklinierter Coming-of-Age-Standards. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.»Cobain«: 13.–15., 18.9., Schaubühne Lindenfels

Rike hat als Notärztin einen ebenso bedeutungs- wie anspruchsvollen, gut bezahlten Job in Köln. Davon braucht sie im Urlaub eine Auszeit: Allein mit dem Meer und dem Himmel will die passionierte Seglerin zur Ruhe kommen und von Gibraltar aus mit ihrer Jacht zur mitten im Südatlantik gelegenen Insel Ascension steuern. Die Vierzigjährige ist erfahren auf dem Wasser, kerngesund, gut ausgerüstet und jeder Handgriff sitzt. Auch einen schweren Sturm übersteht sie souverän. Das Unwetter nahe der afrikanischen Küste hat sie jedoch in die Nähe eines havarierten Fischerbootes gebracht, voll beladen mit Flüchtlingen, die darauf nicht lange überleben werden. Rike sieht sich außerstande ausreichend zu helfen, ohne sich selbst zu gefährden, hält sich ans Protokoll und bleibt auf Abstand. Per Notruf setzt sie die übliche Rettungskette in Gang, die aber schnell ins Stocken gerät. Regisseur Wolfgang Fischer, der seit seinem Debüt vor neun Jahren mit dem metaphorischen Drama »Was du nicht siehst« keinen Spielfilm mehr inszeniert hat, legt hier ein stilles, starkes und brandaktuelles Kammerspiel auf hoher See vor. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.»Styx«: ab 13.9., Passage Kinos

Sobald ein Kind geboren wird, stehen die Eltern über kurz oder lang vor der Frage, ob sie es impfen lassen wollen. Es gibt Empfehlungen, Erfahrungen, Meinungen und niemand wird mehr so richtig schlau daraus. All das gipfelt in den trendgewordenen »Masernpartys«, bei denen Kinder sich absichtlich gegenseitig anstecken sollen. Mit dem Film »Eingeimpft«, der im letzten Jahr Premiere beim Dok Leipzig feierte, mischt nun auch David Sieveking in der Debatte mit. Der Dokumentarfilmer konnte zuletzt einen Erfolg mit dem Film »Vergiss mein nicht« über seine an Alzheimer erkrankte Mutter verbuchen. Auch »Eingeimpft« ist ein autobiografischer Film. Diesmal rückt Sieveking seine kleine Familie in den Mittelpunkt, denn als Eltern können sich David und Jessica nicht einig werden, ob sie ihre Kinder impfen lassen sollen. So begibt sich David auf eine Reise, die ihn unter anderem nach Afrika führt, um sich intensiv mit dem Impfen auseinanderzusetzen. Wie auch in seinen letzten Filmen ist die Kamera in vielen sehr persönlichen Momenten dabei, filmt Glück und Streit gleichermaßen. Das Persönliche ist sowohl größte Stärke, als auch die größte Schwäche des Films. Es ist ein bisschen anstrengend, dem Paar in seiner Kreuzberger-Happy-Family-Idylle zuzusehen, die Diskussionen wirken nachgespielt und sind daher oft ohne Substanz. Davids Lebensgefährtin Jessica de Rooij ist Filmkomponistin und vertont hier ihr eigenes Leben. Die epischen Klänge, die sie dafür wählt, stehen im Gegensatz zu Davids professioneller und eher nüchterner Suche nach Antworten, und wirken mitunter ungewollt komisch. Damit ist der Film bloß als Familiengeschichte denn als wirklicher Beitrag zur Impfdiskussion zu sehen. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen kreuzer.

»Eingeimpft«: ab 13.9., Passage Kinos, Kinobar Prager Frühling Am 16.9. Premiere in Anwesenheit des Regisseurs David Sieveking in den Passage Kinos

Er ist ein scheuer, freundlicher Junge, dieser Lazarro, der wahrhaft außergewöhnliche Held dieses in Cannes gefeierten Filmkunstwerks der italienischen Regisseurin Alice Rohrwacher. Ein stiller Beobachter unter Außenseitern, genauer gesagt, einer Gruppe von Landarbeitern, die in einem scheinbar aus der Zeit gefallenen italienischen Ort namens Inviolata wie Sklaven auf den Tabakfeldern schuften. In diesem staubflirrenden, schweißgetränkten Szenario entwickelt sich die Geschichte einer Freundschaft zwischen jenem Lazarro und dem Sohn der Marquesa, dem etwas einfältigen Tancredi. Der rebellische Blondschopf hat sich in den Kopf gesetzt, seine eigene Entführung vorzutäuschen, um von seiner Mutter Geld zu erpressen. Lazarro wird sein Komplize und versteckt ihn in einer Höhle. Zu diesem Zeitpunkt erwartet der Zuschauer von der Krimikomödie bis zum homoerotischen Drama in Sachen Plotentwicklung so ziemlich alles – außer dem, was sich dann tatsächlich entspinnt. Die Regisseurin selbst nennt das sehr zutreffend »ein politisches Manifest, ein Märchen über die Geschichte Italiens der letzten fünfzig Jahre, ein Lied«. Komplexes, zugleich berauschendes Kino-Kleinod voller Zärtlichkeit für die Verlierer ausbeuterischer Systeme, zeitlos und hochaktuell.Ausführlich Kritik von Karin Jirsak im aktuellen kreuzer.»Glücklich wie Lazzaro«: ab 13.9, Passage Kino

Weitere Filmtermine der Woche

Mary und die Blume der HexenMary findet eine magische Blume, die ihr Hexenkräfte verleiht und sie an die Schule für Magie führt. Dort muss sie feststellen, dass die Lehrer Böses im Schilde führen. – Anime Special13., 16.9., 20 Uhr, Cineplex, Cinestar 16.9., 15 Uhr, 20 Uhr (OmU), Cineplex, 17 Uhr, Cinestar

The Spider's Web: Britain's Second EmpireWie sich Großbritannien von einem ehemals kolonialen Hegemon zu einer globalen finanziellen Supermacht gewandelt hat. – GlobaLe13.9., 20 Uhr, Ost-Passage Theater

It must Schwing – The Blue Note Story1939 gründeten Alfred Lion und Frank Wolff, zwei junge Emigranten aus Berlin, in New York das legendäre Jazz-Label Blue Note Records. Eine Freundschaft, die durch ihre leidenschaftliche Liebe zur Jazz-Musik und den tiefen Glauben an menschliche und künstlerische Freiheit verbunden war. Am 8.9. mit Regisseur Eric Fiedler und jazzigen Klängen vor dem Film im Innenhof14.9., 20 Uhr, Passage Kinos

Das PubertierDer Journalist Hannes Wenger versucht seine pubertierende Tochter Carla in Schach zu halten. Komödie mit Jan Josef Liefers, Detlev Buck und Heike Makatsch. – Open Air im Baumgarten, im Rahmen des Grünauer Kultursommers15.9., 21 Uhr, Caritas-Familienzentrum Grünau

Dywizjon 303Ein Film über ein hauptsächlich aus polnischen Soldaten bestehendes Flieger-Squadron im Zweiten Weltkrieg, das maßgeblich dabei geholfen hat, England gegen die Nazis zu verteidigen. – Polnisches Kino im Original mit englischen Untertiteln15.9., 20 Uhr, Cineplex (OmeU)

Pettersson und Findus – Findus zieht umKater Findus hat eine neue Matratze, auf der er von morgens bis abends herumspringt. Ihm macht das viel Spaß, aber der alte Pettersson ist mächtig genervt davon. Die Lösung des Problems: Pettersson baut seiner munteren Katze ein eigenes Haus zum Spielen und Hüpfen gleich nebenan. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, wie sehr Findus das neue Häuschen gefällt – er geht nämlich nicht nur zum Spielen rüber, sondern zieht komplett um. Das war nicht im Sinne des Erfinders! Pettersson fühlt sich einsam, da er zwar ein bisschen mehr Ruhe, aber den fröhlichen Findus doch nicht ganz aus dem Haus haben wollte.15.9., 15 Uhr, Cineplex in Anwesenheit von Mitgliedern der Filmcrew

Das Fahrrad im FilmDas Fahrrad wird 200: Vor zwei Jahrhunderten erfand Karl Freiherr von Daris die Laufmaschine. Na ja, eigentlich war der Geburtstag bereits im letzten Jahr. Macht aber nichts. Als Alternative zum Auto gerade auch in der Boomtown Leipzig gehrt das Zweirad mehr denn je gewürdigt. Dachte sich auch die Schaubühne Lindenfels und präsentiert eine Reihe mit Fahrradfilmen, Dokus, Spielfilmklassikern und Animation rund ums Rad.Am 16. September um 17 Uhr startet die Filmreihe mit einem Meisterwerk des italienischen Neorealismus: In Vittorio de Sicas »Fahrraddiebe« (I 1948) wird ein Arbeitsloser aus schierer Not zum Fahrraddieb.16.–22.9., Schaubühne Lindenfels

Legenden – Dean ReedDoku über den ein US-amerikanischen Schauspieler, Sänger, Drehbuchautor und Regisseur, der sich später dem Sozialismus zuwandte. Im Anschluss Filmgespräch mit der Regisseurin Heike Sittner, dem Redaktionsleiter Torsten Amarell und weiteren Gästen.18.9., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Life Saaraba illegalDas Filmprojekt verfolgt über fast ein Jahrzehnt Aladji und Souley, zwei Brüder von einer kleinen Fischerinsel im Atlantik vor der Küste Westafrikas auf dem Weg nach Europa. – anschl. Diskussion mit dem Regisseur Peter Heller, GlobaLe19.9., 20 Uhr, Cinémathèque in der Nato

Zeit für UtopienNachhaltigkeit ist das Schlagwort unserer Zeit. Wenn man das Wort ernst nimmt, steht es für Umdenken und Handeln. Der Film zeigt positive Beispiele, wie man mit Ideen und Gemeinschaftssinn viel erreichen kann. Am 21.9. Filmabend zum neuen Weltladen in Plagwitz, im Rahmen der internationalen Fairen Woche19.9., 21 Uhr, Ost-Passage Theater, 21.9., 19 Uhr, Weltladen Plagwitz


Kommentieren


0 Kommentar(e)