Noch bis Ende September läuft die Abschlussausstellung der Residenz Pilotenküche. Die Hälfte der Künstler und Künstlerinnen, die dort ihre Werke präsentieren sollten, hat sich aber bereits vorzeitig aus dem Programm verabschiedet. Vorwürfe an die Organisation werden laut. Diese sieht sich zu Unrecht in der Kritik.
»Das ist keine professionelle Residenz.« »Wir bezahlen eine teure Wand auf einer Baustelle.« »Es gab keine Küche und nicht mal einen Drucker haben sie uns zur Verfügung gestellt.« Die Vorwürfe klingen hart, die drei Künstler gegenüber dem kreuzer an die Pilotenküche erheben. Sie waren Teil des 36. Durchgangs des dortigen Residenzprogramms, dessen Abschlussausstellung bis 25. September zu sehen war. Die Arbeiten der Künstler und die von vier weiteren fehlen allerdings. Denn von ursprünglich 14 Ausstellenden haben sich sieben (die Zahl stammt von den Künstlern, der Chef der Pilotenküche behauptet, es waren fünf) vorzeitig aus dem Programm verabschiedet oder wurden herausgeworfen. »Sie sind nur gut in der Werbung«, meinen die drei Künstler, die ihre Namen nicht veröffentlichen möchten beim Treffen mit dem kreuzer. Darum sprechen sie hier mit einer Stimme. Sie fühlen sich, sagen sie, als ob sie einer Marketingmasche auf den Leim gegangen seien. Immerhin hätten sie 1200 Euro pro Person für das dreimonatige Programm bezahlt.
Residenzprogramme stellen Künstlern Raum und Arbeitsmittel zu Verfügung. Dies soll das schöpferische Wirken unterstützen, weil die Künstler sich um möglichst wenige Sachen sorgen müssen. Es gibt institutionell geförderte Residenzen oder eben selbstorganisierte, wie Magdalena Cichon erklärt. Sie ist Programmkoordinatorin der Pilotenküche. »Residenzen liegen in Hotspots wie Berlin, Leipzig, New York, wenn ich mir diese Auflistung erlauben darf. Wir arbeiten selbstorganisiert und achten sehr auf die Kosten. Andere Residenzen nehmen das Dreifache. Circa die Hälfte der Kosten benötigen wir für die Miete, dann wird noch mein bescheidenes Gehalt bezahlt. Pro Monat sind rund 1.800 Euro übrig, von denen dann Strom, Druckkosten und sonstiges zu tragen sind. Kaputte Dinge müssen davon auch ersetzt werden.« Dass man damit keine großen Sprünge machen kann, versteht sich. Aber ob man so mit internationalen Standards mithält?
Die Werkstatt der Pilotenküche sei gut ausgestattet, sagt Cichon, die hier in Teilzeit arbeitet. Werkzeug wie Hammer und Stichsäge sei vorhanden. Aber: »Drucker und Projektor stellen wir nicht mehr zur Verfügung. Die sind mehrfach kaputtgegangen. Wir können das nicht mehr ersetzen.« Die Künstler verstehen das nicht, immerhin haben Vorgänger den Schaden verursacht. »Im Vertrag steht doch, dass Verursacher auch haften. Was hat das mit uns zu tun? Warum können wir nicht arbeiten?« Zugang zu den Arbeitsräumen hätten die Künstler rund um die Uhr gehabt. Allein das Arbeitsgerät sei halt nur dann zugänglich, wenn auch sie oder eine andere Teilzeitkraft anwesend seien – das sind eben nur ein paar Stunden. Das müssten die Künstler verstehen.
[caption id="attachment_70202" align="aligncenter" width="320"] »A place for rebellion is approved by the king«: Das letzte Kunstwerk, das die Künstlerin Sasha Nikitina hinterließ - um ihrem Vertrag nachzukommen. Sie nennt es Konzeptkunst, die Pilotenküche Sachbeschädigung[/caption]
Die Kritik an der fehlenden Küche vor Ort weist sie zurück: »Es ist eine Teeküche, wir dürfen aus Brandschutzgründen keine Kochmöglichkeit anbieten.« Eine Baustelle sei das Studio auch nicht: »Es ist eine stillgelegte Fabrik. Andere Etagen werden ausgebaut, aber da haben wir als Mieter keinen Einfluss drauf. Die Pilotenküche ist sicher. Da gibt es keine offenen Leitungen oder so. Das hat Martin Holz alles selbst renoviert, der bringt da viel Wissen mit.« Martin Holz, den Namen des Direktors, nennt Cichon ziemlich oft. »Die Kritik, dass Martin Holz zu oft weggewesen war, übersieht, dass er das erste Mal in vier Jahren im Urlaub war.« Oder: »Bei der Abschlussausstellung hatte Martin Holz wieder die Hauptarbeit.« Die Künstler beschreiben Holz als aufbrausend und schwierig. »Da war er fast nie. Und wenn er mal da war, dann schrie er viel.« »Er ist eher so der totalitäre Typ.«
Die Künstler hätten gar nicht das Gespräch gesucht, entgegnet Cichon. Erst nach eineinhalb Monaten habe die Gruppe einen Beschwerdebrief formuliert. »Davor gab es kein Zeichen, dass sich die Künstler nicht wohlfühlen bei uns.« Sie habe den Eindruck, dass die Kritik an den Arbeitsmitteln nur einen anderen Punkt kaschieren soll: Den Streit ums Geld. Denn es geht auch um eine – je nach Lesart der Streitparteien – Anzahlung oder Kaution. Im auf englisch verfassten Vertrag steht das Wort »deposit«, das beides heißen kann. Die Künstler hätten genau gewusst, dass das ein nicht rückzahlbarer Vorschuss sei, so Cichon, und das auch so unterschrieben. Auch eine schriftliche Stellungnahme von Martin Holz, die sie dem kreuzer nachreicht, wiederholt diese Sichtweise. Die Künstler sehen das allerdings anders. »Mit den anderen legitimen Forderungen oder Kritikpunkten hätten wir umgehen können«, sagt Cichon. »Wir stellen uns immer der Kritik. Aber die Beschwerde enthielt eben auch diese Lüge.«
Nachdem die Pilotenküche zwei Künstler wegen verleumdenden Verhaltens rausgeschmissen und eine Künstlerin verwarnt hatte, zogen nun auch andere die Reißleine. Sieben von 14 Künstlern haben die Residenz vorzeitig verlassen. Sie bezeichnen die Atmosphäre als vergiftet, einige suchen anwaltlichen Rat. Rufmord hingegen fürchtet die Pilotenküche. Die Leinwand zwischen beiden Parteien ist zerschnitten, ein Mediator ist nicht in Sicht.