anzeige
anzeige
Politik

Von Mietern zu Genossen

Eine neue Genossenschaft in Lindenau setzt sich für mehr bezahlbaren Wohnraum ein

  Von Mietern zu Genossen | Eine neue Genossenschaft in Lindenau setzt sich für mehr bezahlbaren Wohnraum ein

Es gibt zumindest eine Sache, über die in diesem Land Einigkeit herrscht: Seien es Politiker der CSU, Linken oder SPD – alle sind der Ansicht, dass Wohnen die soziale Frage unserer Zeit sei. Anlass zu dieser Lageeinschätzung gibt es zweifellos, vor allem, wenn man nach Leipzig blickt. Die »Solidarische Wohngenossenschaft« versucht eine Antwort zu geben.

Zwischen 2012 und 2016 stiegen die Angebotsmieten in Leipzig um 22 Prozent. Der Hype um die Stadt zieht immer mehr Leute an, die oft mehr Geld zur Verfügung haben als Alteingesessene. Das Mittel der Wahl für Immobilienbesitzer ist dann oft Entmietung mit anschließender Luxussanierung. Häuser werden nicht mehr instand gehalten, umständliche »Bauarbeiten« beginnen und enden nie – bis entnervt der letzte Mieter ausgezogen ist. Dann wird das Haus an einen Investor verkauft, der daraus Luxus-Lofts macht, diese umgehend verkauft, so dass sie anschließend für ein Vielfaches der Ursprungsmiete auf dem Markt wieder auftauchen.

Genau so sollte es im Haus an der Georg-Schwarz-Straße 1 geschehen, wie Dirko, einer der letzten verbleibenden Bewohner, berichtet. »Die meisten Mieter wurden rausgeklagt, rausgekauft oder rausgeschmissen.« Dirko wollte nicht ausziehen, obwohl ihm mehrmals Geld angeboten wurde und der Vermieter sich nicht um einen Wasserschaden gekümmert hat. Er wandte sich an die Wohnungsgenossenschaft Sowo, damit das Haus in die Hand derer übergeht, die darin wohnen.

Die Sowo konnte mit Hilfe der schweizerischen Stiftung Edith Maryon das Grundstück und das Haus kaufen. Diese sieht sich der Anthroposophie verpflichtet, unterstützt Projekte für soziales Wohnen und hat sich der Idee verschrieben, dass Grund und Boden keine Spekulationsobjekte sein sollen. Die Stiftung hat bereits andere selbstverwaltete Hausprojekte in Leipzig unterstützt. Der Vorteil ist, dass sie über viel Geld verfügt und kurzfristig Immobilien erwerben kann. Jetzt kauft die Genossenschaft das Haus Stück für Stück von der Stiftung zurück.

Sowo steht für »Solidarische Wohngenossenschaft«, das Projekt wurde letztes Jahr gegründet und besitzt noch ein weiteres Haus in Lindenau. Die Sowo arbeitet nicht profitorientiert und versucht laut Selbstbeschreibung, Mietshäuser dauerhaft der Spekulation zu entziehen. Zudem ist jedes Mitglied Miteigentümer der Wohnungen und kann die Genossenschaftspolitik mitbestimmen.

Dieses demokratische Element sei bei den großen bestehenden Genossenschaften meist nur Formsache, meint Tobias Bernet, Vorstandsmitglied der Sowo. Die Sowo möchte hingegen den Bewohnern die Verwaltung selbst überlassen und mit allen Mitgliedern gemeinsam eine aktive Wohnungspolitik verfolgen. »Die Genossenschaften haben sich in den letzten Jahren nicht hervorgetan, wenn es darum ging, neu zu bauen oder aus dem Bestand zu kaufen«, sagt Bernet.Auch die Stadt wendet sich meist nur an große Investoren, wenn es darum geht, neuen Wohnraum zu schaffen. Dies liege auch an der Passivität der Genossenschaften. Die Sowo will dem ein Ende setzen und schnell wachsen, damit die »soziale Frage unserer Zeit« auch sozial gehandhabt wird. Nichtstun kann man ihnen nicht vorwerfen: Momentan verhandelt die Sowo bereits über den Kauf von zwei weiteren Häusern.


Kommentieren


0 Kommentar(e)