anzeige
anzeige
Politik

Am besten nichts Neues

Das Amtsgericht scheint seine Linie für die Connewitz-Prozesse gefunden zu haben

  Am besten nichts Neues | Das Amtsgericht scheint seine Linie für die Connewitz-Prozesse gefunden zu haben

Auch der vierte Prozess am Leipziger Amtsgericht zum Angriff von über 200 Neonazis und rechten Hooligans auf Connewitz bringt keine neuen Erkenntnisse zum Ablauf oder zu den Hintergründen der Aktion. Derartige Erkenntnisgewinne scheinen aber auch gar nicht mehr im Interesse des Gerichts zu liegen. Man setzt auf effizientes Vorgehen: Durch »Teilgeständnisse« erhalten die Angeklagten Bewährungsstrafen.

Laut soll es gewesen sein in der Wolfgang-Heinze-Straße – in diesem Punkt sind sich die beiden Angeklagten Andreas M. und Jens Holger W. einig. Dass ebendieser Lärm im Zusammenhang mit gezielten Angriffen auf Geschäfte, Autos und Wohnhäuser stand, die einen Sachschaden von über 100.000 Euro hinterließen, konnten beide am Abend des 11. Januar 2016 aus ihrem Blickwinkel aber angeblich nicht erkennen. Man sei am Ende der Menschenmenge gegangen und noch bevor man so richtig verstanden habe, was da eigentlich passiert sei, habe die Polizei die gesamte Gruppe festgesetzt.

Es sind Aussagen, die unweigerlich an die vorangegangenen Verfahren zum Sturm auf Connewitz erinnern. Beide Angeklagte skizzieren in groben Zügen das Bild des unbeteiligten Mitläufers, der zwar Teil der Gruppe gewesen sei, selbst aber nicht aktiv am Geschehen teilgenommen habe. Erneut beruft man sich auf Rund-SMS, über die man von einer »Demo in Connewitz« erfahren habe – von unbekannter Nummer. Die damaligen Handys existieren angeblich nicht mehr. Vermummung oder Waffen bei den übrigen Teilnehmern des Aufmarschs wollen beide nicht gesehen haben. Nachdem es im letzten Verfahren bereits ähnliche Aussagen gab, äußerte heute auch Andreas M., er habe sich erst an der Wiedebachpassage in Connewitz dem Zug angeschlossen und sei allein dorthin angereist. Als Grund dafür, sich nicht wieder aus der Gruppe entfernt zu haben, gab er wenig später an, er habe Angst gehabt, allein durch das linksgeprägte Viertel zu laufen.

Richter: »Wüsste nicht, was heute grundsätzlich Neues kommen könnte«

Für das Gericht scheint es als Schuldeingeständnis auszureichen, dass beide in diesem rudimentären Umfang einräumen, zur besagten Zeit vor Ort gewesen zu sein und sich der Gruppe, die durch die Wolfgang-Heinze-Straße zog, angeschlossen zu haben. Weitere Hintergründe zur Planung oder eine mögliche rechte Gesinnung der Angeklagten wurden gar nicht erst thematisiert. Schon zu Beginn der Beweisaufnahme stellte Richter Pirk in einem Hinweis an die Angeklagten nebenbei fest, er »wüsste nicht, was heute grundsätzlich Neues kommen könnte«.

Da sich Verteidigung, Staatsanwaltschaft und das Gericht in einer Verfahrensabsprache vor Beginn der Hauptverhandlung auf die nun zum dritten Mal angewandte Formel »Bewährungsstrafen gegen geständige Einlassungen« geeinigt hatten, fiel das Urteil heute bereits nach weniger als zwei Stunden – inklusive einer 45-minütigen Unterbrechung. Zeugen hatte das Gericht auch diesmal bereits im Vorfeld abbestellt. Aufgrund der von der Staatsanwaltschaft als »Teilgeständnisse« bewerteten Einlassungen wurden beide Angeklagten zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie Geldstrafen in Höhe von 2.500 Euro für Andreas M. und 1.000 Euro für Jens Holger W. verurteilt.

Linkes Gewaltpotenzial – »Es hätte ein Blutbad gegeben«

In seiner Urteilsbegründung wies Richter Pirk abschließend nochmals auf die erhebliche Gefährdung hin, die beide mit zu verantworten hätten, da sie es durch ihr »ostentatives Mitmarschieren« einer Gewalt suchenden rechtsgerichteten Gruppe ermöglicht haben, durch das linksgeprägte Connewitz zu laufen – um zugleich das Gewaltpotenzial der »Gegenseite« nicht unerwähnt zu lassen. Diesbezüglich warf er die Frage auf, was passiert wäre, wenn »die Linken, wie ja anscheinend üblich, mit ihren Baseballschlägern aus den Häusern gekommen wären«. Sein Fazit mutet dramatisch an: »Es hätte vermutlich ein Blutbad gegeben.«


Kommentieren


0 Kommentar(e)