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Konzertkritik

Erhu, Xun und Orgel

In der Reihe »Weltenmusik« harmonieren chinesische Instrumente mit Orgelklängen

  Erhu, Xun und Orgel | In der Reihe »Weltenmusik« harmonieren chinesische Instrumente mit Orgelklängen

Musiker Jianguo Lu, der in Leipzig auch als Gastronom seinen Gästen die chinesische Lebenskultur näher bringt, hat am Sonntag unter Begleitung von Nikolaikantor Jürgen Wolf traditionelle fernöstliche Instrumente zur Kirchenorgel erklingen lassen.

»Der Andrang ist ja wie zu Weihnachten«, ließ ein Kirchendiener überrascht vernehmen, als sich ein halbe Stunde vor dem Konzert die Türen der Nikolaikirche öffnen und das in zwei breiten Schlangen formierte Publikum zu den Kirchbänken strömt. Dabei standen am Sonntagabend weder ein Oratorium noch Adventsmusik auf dem Programm.

In Leipzigs ältester und größter Kirche Sankt Nikolai machte dieses Mal die Ankündigung des Konzerts »Chinesische Geige und Orgel« in der Reihe »Weltenmusik« Menschen im Alter von vier Monaten bis zur Generation Ü80 neugierig oder zumindest skeptisch, ob bei dieser ungewöhnlichen Kombination die schmale, nur zweiseitige chinesische Geige Erhu der Kraft der 103-Register-Orgel gegenhalten kann. Dass das Experiment gelingt ist, so viel sei an dieser Stelle schon mal gesagt, vor allem dem Gespür und dem Können der beiden Musiker zu verdanken: Jianguo Lu und Jürgen Wolf. Der chinesische Musiker und der Nikolaikantor kennen sich seit langen.

Nun war die Zeit reif für ein gemeinsames Konzert an der Wirkungsstätte des Organisten, der das Konzert mit einem Piece d‘Orgue von Johann Sebastian Bach eröffnete. Bei den folgenden Stücken bedient Wolf sein Instrument so sensibel, dass die zarte Erhu souverän ihren eigenen Part übernehmen kann. Jianguo Lu entlockt dem Instrument leise und klangvolle Töne, er zaubert Stimmungen, lässt feinen Nuancen Raum und fordert zum genauen Zuhören heraus. Beim Ave Maria von Bach ergänzen sich die Instrumente auf ungewohnte Weise, denn auf der asiatischen Erhu erklingt die deutsche Klassik scheinbar mühelos im Zusammenspiel mit der Orgel. Deren Pfeifen bringt Wolf während des Präludiums in C-Dur von Johannes C. Kellner fast zum Glühen, während Lu von der Orgelempore ins Kirchschiff vor den Altar hinabsteigt, wo ihm die Zuhörer bei den folgenden Melodien auf die Finger sehen können. Zum Beispiel beim Intonieren eines Stückes aus seiner eigenen Feder, dem »Klang ferner Harmonie« auf der Xun. Mit der gleichen Präzision lässt Lu dann auch wieder die zwei Saiten der Erhu erklingen, wenn er zum »Sommerfest« bittet oder »Das Klagen der verwelkten Blumen« lebendig werden lässt. Beim »Tanz in der Mondnacht« von Shi Guangnan setzt Wolf dann leise begleitend zur Kürbisflöte die tiefen Töne der Orgel ein. Für das abschließende »Fischers Abendlied« wechseln sich beide zeitweilig ab, nehmen behutsam die Melodie des anderen auf und beweisen nochmals, dass Orgel und Erhu hervorragend zusammen passen, wenn ein Musiker dem anderen Raum lässt. Das Publikum dankt es den Künstlern mit lautem Applaus, der sie zu zwei Zugaben bewegt.

[caption id="attachment_71413" align="aligncenter" width="320"] Vor dem Altarraum der Nikolaikirche spielt Jianguo Lu sein eigenes Stück »Klang ferner Harmonie« auf dem chinesischen Instrument Xun[/caption]

By the way: Jürgen Wolf wurde 1993 als Kantor und Organist von Sankt Nikolai berufen. Der gebürtige Chinese Jianguo Lu hat am Konservatorium Shanghai Musik studiert und im chinesischen Zentralorchester für nationale Musik gespielt. Gemeinsam mit seiner Frau Li Ya Jun kam er 1989 direkt aus Beijing nach Karlsruhe zum Studium, fünf Jahre später führte ihr Weg das Paar nach Leipzig. Dass sie hier seit mehr als 24 Jahren parallel zu ihren künstlerischen Ambitionen auch ein Restaurant betreiben, in dem die Gäste original chinesische Lebenskultur erfahren, hätten sie sich nie träumen lassen. Bemerkenswert ist es, dass Lu trotz des Aufwandes als Gastronom stetig weiter auf hohem Niveau musiziert.


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