In den »Connewitz-Prozessen« am Amtsgericht Leipzig spielen Angriffe auf Personen weiterhin keine Rolle. Trotz Chat-Protokollen, in denen ein Angeklagter anscheinend über genau die Waffen schreibt, mit denen an dem Abend Menschen verletzt wurden.
»Ich hatte schon immer ein Problem mit Nummern«, entschuldigt sich der Angeklagte Eric L. Er könne daher nicht sagen, ob die von der Staatsanwaltschaft zitierte Handynummer tatsächlich bis vor einiger Zeit zu ihm gehörte. Mittlerweile habe er einen neuen Vertrag.
Es ist die zehnte Verhandlung am Leipziger Amtsgericht zum Angriff von rund 250 bewaffneten und vermummten Neonazis und rechten Hooligans auf den Stadtteil Connewitz – zum ersten Mal werden nun Inhalte von Chats der mutmaßlichen Täter thematisiert. »Ich glaube, da können wir diesmal auch drauf verzichten«, äußerte Richter Pirk kurz zuvor noch über die gesammelte Telekommunikation. Im ersten Prozess der Reihe hatte er einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Lesung der entsprechenden Ordner abgelehnt, seitdem war dies nicht erneut gefordert worden.
»Bewaffne dich bis an die Zähne«
Da sich in besagten Ordnern jedoch auch Chats finden sollen, an denen der Angeklagte L. beteiligt war, fordert die Staatsanwaltschaft diesmal die Lesung der entsprechenden Seiten. Ergänzend reicht sie eine Auskunft des Telefonanbieters ein, um nachzuweisen, dass der besagte Anschluss Eric L. zuzuordnen sei. »Bewaffne dich bis an die Zähne« (sic!), »Ist Pfefferspray ok?« zitiert die Staatsanwaltschaft im Schlussplädoyer einen Dialog, den L. geführt haben soll. Schon vor rund einem Jahr veröffentlichte der kreuzer zahlreiche Nachrichten der mutmaßlichen Täter, die zeigen, wie offen im Vorfeld über Bewaffnung und Gewalt kommuniziert wurde.
Zugleich verweist die Staatsanwaltschaft zwar erneut auf das enorme Gefährdungspotential der Gruppe, bezieht dies jedoch explizit nur auf Sachschäden. Bereits in vergangenen Prozessen war von Vertretern des Gerichts und der Staatsanwaltschaft mehrfach geäußert worden, nur durch Glück sei an dem Abend des 11. Januar 2016 in Connewitz niemand verletzt worden. Recherchen des kreuzer zeigten im November jedoch, dass es aus der Gruppe heraus zu mehreren Körperverletzungen kam und dies den sächsischen Justizbehörden bekannt ist.
Auf eine anschließende Landtagsanfrage im Dezember 2018 antwortete Justizminister Sebastian Gemkow, dass durch unbekannte Täter mindestens vier Personen verletzt wurden – unter anderem durch Pfefferspray, das in eine Kneipe gesprüht wurde, nachdem Angreifer erfolglos versucht hatten, ins Innere zu gelangen. »Wir mussten zu dritt die Tür zuhalten. Wenn das kein Sicherheitsglas gewesen wäre, hätten die uns vermutlich totgeschlagen«, schilderte eine der Verletzten dem kreuzer. Dass Menschen mit einer solchen Waffe verletzt wurden, wie sie der Angeklagte L. anscheinend mitführen wollte, wird an diesem Verhandlungstag jedoch nicht thematisiert.
In Leipzig kein Thema, in Dresden Teil der Anklage: Gefährliche Körperverletzung
Auch für das verhängte Strafmaß scheint dies nicht von Belang zu sein. Eric L. und der Mitangeklagte Robert T. werden wegen besonders schwerem Landfriedensbruch zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Das Urteil bewegt sich im Rahmen der meisten bisherigen Verhandlungen zum Connewitz-Angriff. Strafmildernd seien vor allem ihre »geständigen Einlassungen« zu werten, die eine umfangreiche Hauptverhandlung mit zahlreichen Zeugen erspart hat. Beide Angeklagte ließen durch ihre Verteidiger eine knappe Erklärung zu ihrer Anwesenheit in Connewitz an dem Abend verlesen. Die Gesamtdauer beider Geständnisse betrug dreieinhalb Minuten, für Fragen standen beide Angeklagte nicht zur Verfügung.
Während es am Leipziger Amtsgericht noch immer keine Rolle spielt, dass beim Angriff auf Connewitz nicht nur Scheiben eingeschlagen und Autos demoliert wurden, zeigt sich in der Landeshauptstadt ein anderes Bild. So hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen acht der mutmaßlichen Connewitz-Angreifer in Bezug auf die Ereignisse am 11. Januar 2016 nicht nur wegen besonders schweren Landfriedensbruchs Anklage erhoben, sondern auch wegen gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen.