Was passiert mit all den Werken, die die Kunstschaffenden im Freistaat tagtäglich erschaffen und die nicht den Weg zu einem Sammler oder ins Museum finden? Gewöhnlich stapeln sie sich in den Ateliers. Im Koalitionsvertrag 2014 »Sachsens Zukunft gestalten« von CDU und SPD findet sich unter dem Punkt »Kultur« die Aufgabenstellung, »eine Standortkonzeption zur Sicherung von Vor- und Nachlässen sächsischer Künstler zu erarbeiten«. Mit anderen Worten: Ein Plan sollte her, wie und wo Nachlässe von Kunstschaffenden aufgearbeitet und aufbewahrt werden, um sie als kulturelles Erbe zu sichern. Denn, so schreibt das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) auf kreuzer-Anfrage: »Ein gesellschaftliches und öffentliches Interesse an Künstlernachlässen entspricht dem Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland und des Kulturlandes Sachsen.«
Der Landesverband Bildende Kunst Sachsen und der Sächsische Kultursenat schlugen der Regierung im Oktober 2017 ein Konzept zum Aufbau eines Kompetenzzentrums für Künstlernachlässe vor. Ganz konkret wurden finanzielle Mittel aus dem Landeshaushalt ab 2019 gefordert, um ein personelles und logistisches Netzwerk etappenweise aufzubauen. Im Konzept standen 120.000 Euro für die jährlichen Personalkosten eines Beratungszentrums und 500.000 Euro für ein Förderprogramm, um Anträge von Museen, Vereinen und Privatpersonen zur Aufarbeitung von Nachlässen stellen zu können. Zur Aufbewahrung der Kunstwerke sah der Plan Investitionsmittel für Interims-Depotflächen im Wert von zwei Millionen Euro vor.
Federführend bei der Erarbeitung der Konzeption war der Landesverband Bildende Kunst Sachsen. Über den aktuellen Stand sprach der kreuzer mit der Geschäftsführerin Lydia Hempel. »Erst kurz vor Jahresschluss«, sagt Hempel, beschloss der Landtag endgültig die finanzielle Unterstützung für ein Beratungszentrum im künftigen Doppelhaushalt 2019/20. Das Zentrum werde an der Landesstelle für Museumswesen angesiedelt. Außerdem würden Gelder für ein Förderprogramm bewilligt, das eine »Begleitung von Künstlern und deren Nachlassbeständen« garantiert. Kein Geld nehme das Land in die Hand, um zukünftige Depotflächen zu sichern. Laut SMWK werde es auch perspektivisch »kein in Trägerschaft des Freistaates Sachsen liegendes Depot geben, sondern die Nachlässe sollen bedarfsweise in inhaltlich und regional geeigneten Depots in ganz Sachsen, auch in ländlichen Räumen, unterkommen«.
Im Hinblick auf die derzeit vorhandenen Raumbedingungen stellt das sicherlich keine ideale Lösung dar. Dafür betont das SMWK die Einrichtung eines »virtuellen Nachlassdepots« an der Fotothek der Sächsischen Landesbibliothek. Wie das Ministerium weiter mitteilt, sind im Haushaltsjahr 2019 für die Datenbank und Nachlässe 417.500 Euro sowie ein Jahr später 430.000 Euro vorgesehen – und
damit 200.000 Euro weniger als im Konzept empfohlen.
Von wie vielen Nachlässen kann eigentlich ausgegangen werden? Lydia Hempel rechnet im Freistaat mit »über 1.000 tätigen Künstlern im Alter ab 59 Jahren, deren Nachlässe in überschaubarer Zeit in unterschiedlichster Form anfallen können. Inwieweit diese aber durch die Erben selbst eventuell optimal gesichert und bewahrt werden, kann nicht abgesehen werden.« Wie kann man aus dieser Zahl von Kunstschaffenden eine Auswahl treffen und deren Nachlässe mit staatlichen Geldern sichern? Hempel erklärt dazu: »Ein neunköpfiger Fachbeirat Künstlernachlässe, berufen durch das SMWK und bestehend jeweils aus einer Person aus dem Bereich Kunstwissenschaft, Museumswesen und Kunstschaffenden aus allen drei Regierungsbezirken, stellt die Förderwürdigkeit für künstlerisch herausragende Vor- und Nachlässe sächsischer Kunst fest.« Nach der Aufarbeitung werden die Werke »in bestehende Sammlungen vermittelt und sollen dort lebendig bleiben«.
Letztlich sichert der Doppelhaushalt erst einmal das Pilotprojekt. Für Kunstministerin Eva-Maria Stange sind das alles sehr positive Fakten, denn »wir sind im Freistaat Sachsen damit so weit wie sonst kein anderes Bundesland. Mir ist es wichtig, dass die Nachlässe repräsentativ für die sächsische Kunst und von hoher Qualität sein sollen.«