Personalmangel bedroht die Leipziger Gastronomie. Müssen auch hier bald Kneipen und Restaurants schließen, weil »gute Leute« fehlen? Und was kann man tun, um die Situation zu verbessern? Ein Kommentar von Gastroredakteurin Petra Mewes
»Wir schließen unser Gasthaus zum Jahresende, wir finden keinen Koch!« Mit diesem Schild an der Tür verabschiedete sich jüngst ein Wirtspaar in der sächsischen Provinz in den vorgezogenen Ruhestand. Droht das Szenario auch Leipziger Kneipen? Aktuell gibt es in der Stadt rund 2.000 Betriebe vom Imbiss bis zum Gourmet-Restaurant. Die Zahl schwankt, weil stetig neue Lokale eröffnen, während andere dichtmachen. Vom großen Kneipensterben kann keine Rede sein, denn auch wenn spektakulär scheinende Schließungen wie die vom Café Waldi oder vom Bio-Restaurant Macis im vergangenen Jahr die Szene »erschütterten«, folgen an den betreffenden Orten doch meist wieder neue.
Trotzdem schrillen die Alarmglocken, denn kaum ein Gespräch mit Leipziger Wirten vergeht, ohne dass diese klagen, kaum noch »gute Leute«, geschweige denn Fachpersonal zu finden. Woran das liegt? Die Arbeitszeiten sind sicher ein Faktor, der dafür sorgt, dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger nur selten einen Ausbildungsberuf in Hotels oder Restaurants als Traumberuf im Visier haben. Teil-, Abend- und Wochenenddienste bedeuten, dass man arbeiten muss, wenn die Freunde frei haben. Die Bezahlung ist dafür unterirdisch im Vergleich zu geregelten Bürojobs in Steuerkanzleien oder Banken – trotz Mindestlohn, der gerade von 8,84 Euro brutto je geleisteter Arbeitsstunde auf 9,19 Euro, also um 35 Cent, gestiegen ist. Selbstständige in der Gastronomie haben nicht selten Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden am Tag, weil der bürokratische Aufwand enorm ist. Wozu das Ganze, wenn man dann auch noch mit unzufriedenen Gästen diskutieren oder sich über Behördenauflagen, Schreiben vom Finanzamt und ständig neue Gesetze ärgern muss?
Wie raus aus dem Dilemma? Dem Trend entgegenwirken lässt sich nur, wenn Gäste bereit sind, den ganzen Aufwand zu honorieren, und nicht motzen, dass sie beim Discounter 500 Gramm gemahlenen Kaffee in der Tüte zum gleichen Preis wie für eine Tasse Cappuccino im Café bekommen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Leipziger Lokale ist gut bis sehr gut.
Ausnahmen bestätigen die Regel, trotzdem gilt: Faire Preise – faire Löhne, dann können Wirte ihre Angestellten besser bezahlen – vorausgesetzt, sie tricksen die gesetzlichen Vorgaben nicht dreist aus, indem sie zum Beispiel Umkleidezeiten aus der Arbeitszeit herausrechnen oder benötigte Werkzeuge wie ordentliche Küchenmesser selbst kaufen lassen. Wer Koch-Azubis nur in der Fußgängerzone Bratwürste grillen lässt oder angehende Hotelfachleute im Restaurant zum »Teller-Taxi« degradiert, muss sich nicht wundern, wenn sie das Weite suchen. Zu einem guten Arbeitsklima gehört zudem, den Angestellten Trinkgelder der Gäste zu 100 Prozent weiterzureichen. Chefs, die es vorenthalten oder kürzen, machen sich sogar strafbar.
Und dann wäre da eine weitere Forderung direkt an die zuständigen Ämter der Stadt: Die Beamten können zwar keine bundes- oder europaweit geltenden Gesetze aushebeln, dafür aber Ermessensspielräume ausnutzen. Und sie müssen auch nicht ständig neue Bandagen ansetzen, um mit Abgaben von Gastronomen und Hoteliers die klamme Stadtkasse zu füllen. Das gilt ganz besonders im Hinblick auf die kommende Freiluft-Saison.
In zurückliegenden Jahren wurde nicht selten von Mitarbeitern des zuständigen Verkehrs- und Tiefbauamtes mit dem Maßband gemessen, ob die Angaben zur Größe der Freisitzflächen auf den Zentimeter genau stimmen, oder gefordert, dass Terrassenmöbel und Lämpchen auf der Karli einheitlich auszusehen hätten. Sieht so die »bunte Vielfalt« aus, mit der sich Leipzig überregional und international gern schmückt?