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Politik

Frauentag heißt Kampftag

Mia Smettan über die Notwendigkeit feministischer Streiks

  Frauentag heißt Kampftag | Mia Smettan über die Notwendigkeit feministischer Streiks

Das »Feministische Streikbündnis Leipzig« organisiert zum Internationalen Frauentag am 8. März einen Streik unter dem Namen: »Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still«. Mia Smettan, Sprecherin des Bündnisses, erklärt die Ziele und die Dringlichkeit feministischer Kämpfe.

kreuzer: In Berlin ist der 8. März seit diesem Jahr ein Feiertag, für alle Leipzigerinnen und Leipziger bleibt der Internationale Frauentag ein Werktag. Wie steht das »Feministische Streikbündnis« zu der Frage: Kampf- oder Feiertag?

MIA SMETTAN: Definitiv Kampftag! Und am besten Streiktag! Selbst an einem gesetzlichen Feiertag haben viele Frauen* und Queers nicht frei. Sie kümmern sich zu Hause unbezahlt um Kinder, Angehörige oder den Haushalt und schieben unterbezahlte Schichten in Krankenhäusern, Pflege- und Senior*innenheimen. Diese Arbeit muss bestreikt werden, um sie sichtbar zu machen und für bessere unbezahlte und bezahlte Arbeitsverhältnisse zu kämpfen – auch an einem Feiertag!

kreuzer: Wie ist das Bündnis hier in Leipzig, aber auch überregional organisiert?

SMETTAN: In Leipzig sind wir ein Bündnis aus vielen Leipziger Akteur*innen, Gruppen und Einzelpersonen. Wir treffen uns seit September regelmäßig in offenen Großplena, auf denen alles gemeinsam entschieden wird. Überregional beteiligen wir uns am bundesweiten Streikbündnis, in dem mittlerweile über 35 Städte vertreten sind. Auf gemeinsamen Streiktreffen im November und im Februar haben wir zum Beispiel einen bundesweiten Aufruf sowie bundesweite Forderungen formuliert und abgestimmt.

kreuzer: Das Motto des Streiks lautet: »Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still«. Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte?

SMETTAN: Wir rufen dieses Jahr das erste Mal in Leipzig und bundesweit zu einem feministischen Streik auf und knüpfen damit sowohl an den Frauen*streik von 1994 in Deutschland, als auch an aktuelle Streikbewegungen in Argentinien, Spanien, Italien und Polen an. Frauen* und Queers verdienen in Deutschland nach wie vor rund 22 Prozent weniger als Männer. Wir fordern also gleiche Löhne. 
Da sowohl bezahlte als auch unbezahlte Sorgearbeit nach wie vor überwiegend von Frauen* und weiblich sozialisierten Menschen geleistet wird, fordern wir außerdem eine Anerkennung und Umverteilung von Sorgearbeit. Ein feministischer Kampf ist aber zu gleich auch immer ein Kampf für das Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, für ein Ende von Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz und gegen jede Form von Gewalt an Frauen* und Queers.

kreuzer: Das Bündnis hat sich in diesem Jahr neu organisiert. Der Name wurde von »Feministischer Kampftag« zu »Feministischer Streik« geändert? Hat sich neben der Form auch am Inhalt etwas verändert?

SMETTAN: Ja, es gibt Neuerungen. Allerdings würde ich sagen, sie sind eher strategisch als inhaltlich. Die Forderungen und Themen waren in den letzten Jahren sehr ähnlich. Neu ist jedoch, dass der zentrale Fokus nun auf dem Thema Arbeit liegt, denn von ungleichen Löhnen, unsichtbar geleisteter Sorgearbeit und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt oder am Arbeitsplatz sind wir alle betroffen. Daher die neue Aktionsform: Streik. Das knüpft sicherlich an die Debatte um neue Klassenpolitik an, die es seit einiger Zeit gibt: Denn wir sind alle Arbeiter*innen!
Neu ist leider auch der steigende Druck von Rechts auf feministische Errungenschaften. Es ist also an der Zeit für neue Aktionen und stärkere Bündnisse gegen Rechts. Mit dem Streik wollen wir mehr Frauen* und Queers einbinden und lauter und klarer für feministische Themen kämpfen.

kreuzer: Wo liegt innerhalb des Bündnisses der Konsens? Welcher Feminismusbegriff wird vorausgesetzt?

SMETTAN: Unser Feminismus ist vielfältig. Gemeinsam ist uns allen jedoch ein Feminismus, der antikapitalistisch ist, also gegen jede Ausbeutung kämpft. Wir richten uns gegen patriarchale Zustände, gegen Sexismus und Gewalt an Frauen*, Trans- Personen und Interpersonen. Unser Feminismus ist also auch queerfeministisch. Ein weiteres wichtiges Thema ist Antirassismus. In dem Sinne üben wir uns auch in einem intersektionalen Feminismus, das heißt, wir beschäftigen uns damit, dass schwarze Frauen* anders von Sexismus betroffen sind als weiße Frauen*, erwerbslose Frauen* anders als lohnarbeitende Frauen*. Denn nur gemeinsam, können wir grundlegende Veränderungen für Frauen* und Queers verwirklichen.

kreuzer: Das Bündnis hat sich in der Gestaltung für die Farbe Lila entschieden. Wieso?

SMETTAN: Mit der Farbe Lila knüpfen wir an vorangegangene Frauen*bewegungen an. Bereits während der zweiten Frauenbewegung in Deutschland war Lila die Farbe der Gleichberechtigung. Auf dem zweiten bundesweiten feministischen Streiktreffen haben wir uns daher erneut für Lila als gemeinsame Aktionsfarbe geeinigt.

kreuzer: Wie wird die Arbeit des Bündnisses nach dem 8. März aussehen? Was sind Ziele und Pläne?

SMETTAN: Unsere Pläne sind langfristig und dieses Jahr ist erst der Anfang. In Leipzig sowie bundesweit werden wir nach dem diesjährigen 8. März versuchen, das Streikbündnis größer und breiter aufzustellen. Wir werden Pflegekräfte und Krankenhauspersonal ansprechen, weitere Kontakte in migrantische Communities knüpfen und sicher auch mit Gewerkschaften sprechen. Wir arbeiten darauf hin, dass sich am 8. März 2020 bereits wesentlich mehr Menschen am Streik beteiligen als dieses Jahr. Und 2021 gehen wir dann hoffentlich mit 5 Millionen Menschen auf die Straße, so wie letztes Jahr in Spanien.

kreuzer: Welche Aktionen gibt es am 8. März in Leipzig?

SMETTAN: In Leipzig ist auf jeden Fall viel los! Ab 10 Uhr gibt es Kieztreffen im Osten (Rabet), im Westen (Lindenauer Markt) und im Norden (Möckern). Dort können alle hinkommen, die streiken, sich zum 8. März informieren wollen oder einfach Lust haben mit uns gemeinsam in den feministischen Streiktag zu starten. Es gibt Frühstück und Mittagessen, Musik, Workshops, Siebdruck und vieles mehr. 
Um 15 Uhr startet dann die Sterndemo mit Redebeiträgen von »Leipzig nimmt Platz«, dem Netzwerk »Care Revolution«, »Pro Choice« und vielen mehr. Aus allen vier Himmelsrichtungen gehen wir zum Richard-Wagner-Platz. Dort findet um 17 Uhr der globale Aufschrei statt: Wir werden bundesweit 100 Sekunden schreien, um darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen* und Queers jeden Tag 100 Minuten mehr arbeiten müssen, um das gleiche zu verdienen wie Männer. Danach geht es weiter mit der Abschlusskundgebung am Augustusplatz mit Redebeiträgen und Konzerten.

kreuzer: Wird das »Feministische Streikbündnis« Leipzig lahmlegen?


SMETTAN: Na klar – Leipzig, Dresden, Halle, Berlin, Hamburg und noch viele Städte mehr!


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