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Kultur

»Meine Identität ist, was ich bei mir trage«

Interview mit dem Schriftsteller Roman Israel

  »Meine Identität ist, was ich bei mir trage« | Interview mit dem Schriftsteller Roman Israel

In seinem Essay »Minimal ist besser« berichtet der Autor Roman Israel undogmatisch und persönlich von seiner Art zu leben. Dabei will er weder belehren noch Regeln aufstellen; stattdessen zeigt er: So geht es eben auch.

kreuzer: Warum ist Ihr neues Buch ein e-book geworden? Aus minimalistischen Gründen?

ROMAN ISRAEL: Ja, aus minimalistischen und auch aus praktischen Gründen. Im Koffer eines Nomaden ist nicht so viel Platz. So brauche ich zu meinen Lesungen die Bücher nicht immer mitschleppen, sondern verweise einfach auf die ISBN. Man kann das Buch trotzdem in jedem Buchladen kaufen und bekommt es dann per Mail zugesandt.

kreuzer: Keinen festen Wohnsitz zu haben ist eine Form von Kontrollverlust, aber genau zu wissen, was man besitzt und bei sich trägt, ist wiederum ja doch eine Form von absoluter Kontrolle, wenn auch nur dessen, was man sein Eigen nennt. Welcher Fakt ist für Sie schwerwiegender?

ISRAEL: Ich finde nicht, dass es ein Kontrollverlust ist. Im Gegenteil, ich habe jetzt die Kontrolle über mein Leben zurück. Ein fester Wohnsitz bindet Menschen an Möbel, einen Job, Mietvertrag, Verträge mit Internet-, Stromanbietern, Sportvereine etc. Es gibt immer tausend verschiedene Gründe, warum du die Stadt, in der du lebst, dein Viertel, dein Umfeld und dein Lebensmodell nicht einfach so verlassen kannst, wenn du willst. Ich hatte das alles. Da habe ich mich gefühlt, als würde ich mit einer Kette um den Hals leben.

kreuzer: Unseren Besitz verknüpfen wir eng mit unserer Identität. Ein tolles Auto zu fahren oder ein gut sortiertes Bücherregal zu besitzen – wir wollen das, was wir sind, nach außen tragen. Das Privateste: die Einladung ins eigene Zuhause. Wie tragen Sie Ihre Identität an andere heran, jetzt da Sie sie nicht mehr in Ihre Wohnung einladen können?

ISRAEL: Meine Identität ist das, was ich bei mir trage. Erinnerungen, Erlebnisse, Erfahrungen, die ich unterwegs gemacht, Geschichten, die ich in mir angesammelt habe. Die kann ich auch in einem Café oder bei einem Spaziergang mit anderen teilen. Anderen durch Besitz und Statussymbole erklären zu wollen, wer man ist, finde ich bedenklich. Das klingt für mich sehr nach Maskerade und Schauspielerei, und dahinter verbirgt sich oft das große Nichts – ein Unwissen darüber, wer man wirklich ist. Seine Identität sollte man vor allem mit seinem Wesen, seiner Art, seinen Erlebnissen verkörpern.


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