Mit den Regelungen für verbilligte Abgabe gibt es ein neues Instrument für mehr sozialen Wohnungsbau in Leipzig. Jetzt muss die Stadt ihre Chance nutzen, kommentiert Aiko Kempen im Mai-kreuzer.
Rasant steigende Mieten, Verdrängung alteingesessener Bewohner und ein immer härterer Kampf um verfügbaren Wohnraum in zentrumsnahen Vierteln: Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit – auch und gerade in Leipzig. Kein Wunder, dass Anfang April über 3.000 Menschen unter dem Motto »Mietenwahnsinn stoppen!« durch die Stadt zogen.
Zwar wird an allen Ecken der Stadt gebaut, doch für Durchschnittsverdiener werden die hochpreisigen Neubauten unbezahlbar bleiben. An der dramatischen Entwicklung trägt die Stadt erheblichen Anteil. Über Jahre hinweg wurde sozialer Wohnungsbau vernachlässigt, die stadteigene Wohngenossenschaft LWB hat zahlreiche Objekte an Investoren verkauft.
Wie ein Tropfen auf den heißen Stein mutet es an, dass am Bayerischen Bahnhof durch Förderprogramme des Landes 360 Wohnungen entstehen sollen, die zunächst »nur 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter« kosten sollen. Zudem hat das Innenministerium seine Prognose über den Bedarf an Sozialwohnungen in Leipzig kürzlich halbiert – trotz nach wie vor steigender Bevölkerungszahlen.
Was Leipzig dringend benötigt, ist ein flächendeckender sozialer Wohnungsbau. Denn während teure Neubauten in den innerstädtischen Szenevierteln zu großen Teilen leer stehen, sind die verbliebenen erschwinglichen Wohnungen so begehrt, dass viele Bewerber auf der Strecke bleiben. So wohnen junge Familien zuweilen in viel zu kleinen Wohnungen, weil eine größere im vertrauten Stadtbezirk weder bezahlbar noch zu finden ist.
Dabei sind die Weichen für mehr bezahlbaren Wohnraum in Leipzig gestellt: Anfang März stellte SPD-Stadtrat Christoph Zenker den Antrag, die Stadt solle ein Grundstück in Connewitz erwerben und dort sozial geförderten Wohnraum bauen. Weil das Grundstück dem Bund gehört, habe die Stadt ein Vorkaufsrecht und aufgrund von Förderrichtlinien ließe sich der Kaufpreis für das auf 1,4 Millionen Euro geschätzte Grundstück bis auf Null senken.
Ist es wirklich so einfach, bezahlbaren Wohnraum in Vierteln mit rasant steigenden Mieten zu schaffen? Warum erst jetzt? Tatsächlich gelten die Regelungen zur verbilligten Abgabe erst seit Mitte 2018: Wird ein Grundstück aus Bundesbesitz zur Errichtung sozialen Wohnraums erworben, sinkt der Preis um rund 25.000 Euro pro Wohneinheit. Nun sollte man diese Möglichkeit nutzen.
Laut einer Liste von 2017 sind in Leipzig 61 Grundstücke im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Bei 27 der Immobilien ist ein kurz- oder mittelfristiger Verkauf geplant, 21 weitere sollen langfristig veräußert werden. Mit Verweis auf diese Liste wandte sich Stadträtin Juliane Nagel nun an den Oberbürgermeister und verwies auf Grundstücke in der Thierbacher Strasse, Kurt-Eisner-Straße und Karl-Heine-Straße.
Auch der Deutsche Städtetag und die BImA sehen hier ein entscheidendes Instrument: jüngst informierten sie die Kommunen über die »Mobilisierung bundeseigener Grundstücke für Zwecke des Wohnungsbaus«. Die Weichen für mehr sozialen Wohnungsbau sind also gestellt, jetzt ist das Rathaus gefragt. Leipzig benötigt mehr bezahlbaren Wohnraum – nicht weniger.