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Politik

Parteien im Leipziger Stadtrat: Die Bilanz

Die Übersicht vor der Stadtratswahl: Was Parteien seit 2014 in Leipzig erreicht haben

  Parteien im Leipziger Stadtrat: Die Bilanz | Die Übersicht vor der Stadtratswahl: Was Parteien seit 2014 in Leipzig erreicht haben

Am 26. Mai wird in Leipzig ein neuer Stadtrat gewählt. Zehn Parteien und Vereinigungen stehen zur Auswahl. Wir haben uns angeschaut, was diese in der letzten Wahlperiode seit 2014 so getrieben haben. Wenige Tage vor Wahl gibt es hier unsere Mai-Titelgeschichte noch einmal kostenlos.

Die Linke
: Partei mit VisionenMehr als 130 Anträge und fast 300 Anfragen – mit dieser Bilanz war Die Linke in der vergangenen, fünfjährigen Stadtratsperiode die aktivste Fraktion in der Gemeindevertretung. Einen besonders dicken Punkt konnte die Partei für sich verbuchen, als sie im vergangenen Oktober – übrigens zusammen mit der CDU – dafür sorgte, dass dem Antrag stattgegeben wurde, die Zuschüsse der Stadt für die Leipziger Verkehrsbetriebe zu erhöhen, wodurch die Ticketpreise bis 2020 nicht steigen werden. Mobilität und Daseinsvorsorge waren im Programm zur Kommunalwahl 2014 ein zentraler Punkt. Das Zukunftsbild der Linken war eigentlich der fahrscheinlose Nahverkehr. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht. Und 
dennoch ist es auch der Arbeit der Linksfraktion zuzuschreiben, dass die Kosten für das Sozialticket seit 2017 nicht mehr erhöht wurden. Damals setzte der Stadtrat 35 Euro fest. In erneuten Debatten um eine Preissenkung auf 20 Euro lehnte 
der Stadtrat die von der Linksfraktion unterstützte Petition jedoch ab.

Trotz einiger Erfolge: Die Vision von einer Stadt, in der Die Linke gerne 
leben will, scheint weit weg. In den »Linken Blicken in die Zukunft« von 2014 heißt es etwa, die Freie Szene solle künftig nicht mehr unterfinanziert sein, sie solle lokal, regional und international mit ihrer ganzen Vielfalt kooperieren. Die Realität sieht bisweilen anders aus. Zwar wurde im Januar die Erhöhung der Fördermittel für die Freie Szene beschlossen. 2017 lag das durchschnittliche Tageshonorar aber bei 47 Euro – und damit weit unterhalb des festgesetzten Mindestlohns. Nicht irrelevant sind für diesen Stillstand die vergangenen sieben Jahre mit Kulturbürgermeister 
Michael Faber. Seine Amtszeit war eine unaufhaltsame Talfahrt, die bereits 2011 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, als der Stadtrat den Parteilosen abwählen wollte. Der Karriereknick scheiterte, Faber trieb im Namen der Linksfraktion weiterhin sein Unwesen. Dieses Loch muss die Linke nun versuchen zu stopfen, um ihre Glaubwürdigkeit nicht einzubüßen.NADJA NEQQACHE

WVL (Freie Wähler)
: Lokalpatrioten mit IdentitätMischt euch ein!«, rief die Wählervereinigung Leipzig (WVL) Anfang 2014 den Bürgerinnen und Bürgern der Messestadt zu. Gegründet wurde die WVL schon 1997. Kandidat Dieter Deißler war 2014 der Einzige, der es in den Rat schaffte, er gehört seitdem zur Grünen-Fraktion. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um eigene Pläne durchzuboxen. Vor der Wahl sprach Deißler sich unter anderem für den Erhalt des Naturkundemuseums am bekannten Standort Goerdelerring aus – es sieht so aus, als könnte daraus was werden. Eine verbesserte Unterstützung der Freien Szene mahnte Deißler 2014 ebenfalls an, 2019 wurde sie ein bisschen Wirklichkeit.

Die als Verein eingetragene WVL und die Partei Freie Wähler, die auf Landesebene für die Landtagswahl antritt, aber nicht kommunal agiert, sind übrigens nicht dasselbe. Dennoch gibt es in Leipzig und Sachsen personelle Überschneidungen. Das ist ein Grund, weshalb die WVL sich 2018 in »WVL – Wählervereinigung Leip-zig (Freie Wähler) e. V.« umbenannte. In diesem Jahr hat sie 23 Kandidaten, die in allen zehn Wahlkreisen antreten. Erklärtes Ziel ist der Fraktionsstatus mit mindestens vier Vertretern im Rat. Im Wahlprogramm bezeichnen sich die Freien Wähler als Lokalpatrioten, die sich für die Leipziger Belange »bürgernah, sachorientiert und parteiunabhängig« einsetzen wollen.

An erster Stelle steht die Sicherheit, die sich dadurch verbessern ließe, die »Rechte der Polizei zu stärken und ihre Durchsetzungskraft zu erhöhen«. Es folgt an zweiter Stelle der Erhalt der »kulturellen Identität« der Stadt, ohne dass klar würde, was das ist und wie genau der Erhalt geschehen soll. Angesichts des Bevölkerungswachstums solle der Wohnraum in Randlagen genutzt und diese infrastrukturell besser ausgestattet werden. In puncto Wirtschaft zählt der regionale Mittelstand – auch bei der Auftragsvergabe und beim Einkauf im Buchladen. Die Vorschläge für den Verkehr reichen von bezahlbaren Parkplätzen bis zu geringeren ÖPNV-Preisen. Weitere Anliegen sind weniger Fluglärm, mehr Investitionen in Bildung, saubere Parks, Naturschutz und eine wirksamere Bürgerbeteiligung.FRANZISKA REIF

FDP
: Ambitioniert, aber erfolglosZumindest in einer Hinsicht muss die aktuelle Sitzungsperiode des Stadtrats für die Leipziger FDP als Erfolg gewertet werden. Seit der letzten Wahl konnte sich die FDP um 50 Prozent vergrößern. 2017 wechselte Naomi-Pia Witte, die ursprünglich für Die Linke eingezogen war, zur Freibeuterfraktion und trat wenig später in die FDP ein. Seitdem sitzen statt zwei nun drei Vertreter der Liberalen im Leipziger Rat.

Deren Programm ist fest zwischen Neoliberalismus und Wirtschaftsförderung verortet. Als eine Gästetaxe für Leipzig diskutiert wurde, nannte FDP-Stadtrat René Hobusch den Plan »asozial«, nach der Einführung wollte er sicherstellen, dass es keine »Nachteile für Vermieter« gebe. In ihrem Programm von 2014 beschwerten sich die Leipziger Liberalen in schnoddrigem Ton über »unnötige Überregulierung der Stadt« und Freiheitseinschränkungen. Man kündigte große Pläne an: Die Umweltzone gehöre abgeschafft und die Bürokratie abgebaut. Damit befindet sich die Leipziger FDP fest auf dem Kurs, den die Partei auch auf Landesebene verfolgt: Man will sich von »Ideologie, Agitation, Müßiggängern und Verhinderern« befreien.

Um die Leipziger FDP zu verstehen, liegt der Blick auf die Landesebene allein deshalb nahe, weil mit Sven Morlok der ehemalige Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Sachsens im Leipziger Stadtrat sitzt. Schon als Minister gab er ambitionierte Ziele aus und kündigte an, Sachsen werde bis 2020 zum Geberland im Länderfinanzausgleich. Selbst der Koalitionspartner winkte 
damals ab. In Leipzig wiederum forderte die FDP verpflichtende Einsparungen bei der Kultur um jährlich 10 Millionen Euro. Durch Privatisierung kommunaler Unternehmen sollten weitere Gelder in die Stadtkasse fließen und vorrangig zur Schuldentilgung genutzt werden.

Ihre Schulden hat die Stadt Leipzig in den letzten Jahren abgebaut, der 
Anteil der lokalen FDP dabei ist fraglich. Die Umweltzone gilt weiterhin und der jüngst bewilligte Haushalt gesteht sowohl Kultur wie auch Jugendarbeit zusätzliche Fördermittel in Millionenhöhe zu. Der Beschluss wurde in weiten Teilen der Stadt mit großer Begeisterung aufgenommen.Wie auch die Sachsen-FDP, die für die Landtagswahl das Doppelte der aktuellen Umfragewerte als Ziel ausgegeben hat, bleiben die Leipziger Liberalen gewohnt ambitioniert: Hobusch kündigte an, die FDP wolle 2019 mit eigener Fraktion, also mindestens vier Sitzen, in den Leipziger Rat einziehen.AIKO KEMPEN

Die Partei
 Die Partei: Die Partei hat immer Recht. Oder?Die Partei ist eine Abkürzung, nämlich Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative. Thomas Kumbernuß, der Leipziger Vorsitzende, dürfte ihr bekanntestes Gesicht sein. 2015 startete er eine Petition für die Umbenennung eines Teils der Connewitzer Simildenstraße in »Frau Krause ihre Straße«. Die Stadtverwaltung widmete sich der Petition ausführlich, das Anliegen wurde allerdings abgelehnt. Im Mai 2016 demonstrierte die Partei aus Anlass des Katholiken-Tags in Leipzig: »Zeigt den Tour-Christen, dass unsere Sünden nicht nur krasser, sondern auch nachhaltiger und hochwertiger sind«, stand im Aufruf dazu, Kumbernuß trug ein Kreuz aus leeren Sternburg-Kästen.

Die Partei hat kein Wahlprogramm, dafür neun Bewerber für den Stadtrat. 2014 lautete ein Slogan: »Ruhe, Ordnung, Heimatliebe!«, ein anderer forderte auf: »Inhalte überwinden!«, und Silvester heißt es seit mehreren Jahren am Connewitzer Kreuz: »Bier statt Böller«. Alkoholika spielten auch bei den Protesten gegen Legida eine Rolle, unter anderem mit dem Spruch: »Bier trinkt das Volk« – inklusive des Zwischenrufs: »Und Schnaps!« Dass sie oft als Satire- oder Spaßpartei apostrophiert werden, mag daran liegen, dass sie bei den Aktionen gegen Legida Transparente hochhielten, auf denen zu lesen stand: »Trinker aller Länder, besauft euch!« oder »Menschen sind auch keine Lösung«. Für Legida ersonnen sie, fast schon etwas monothematisch, die Langform »Leipziger Ethanolfreunde gegen die Illegalisierung des Alkohols«.

Dass es nicht nur ums Saufen geht, zeigen die Forderung »Leipzig raus aus Sachsen« und das Motto »Wer Juden hasst, hat Luther verstanden«, unter dem im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 eine von Der Partei initiierte Demonstration vom Connewitzer Kreuz zum Rathaus zog. Anfang April 2019 fragte Thomas Kumbernuß den Oberbürgermeister auf dem schriftlichen Weg der Bürgeranfrage, was das Ordnungsamt gegen das »bewusste Falschparken von Autos entlang der Karl-Liebknecht-Straße« tut. Das klingt doch fast schon nach Realpolitik, mit der sich der Stadtrat da befassen muss. Bisher noch ohne Partei-Mitglieder, aber das kann sich ja ändern.FRANZISKA REIF

Die AfD
: Rechte Offensive hält anDie AfD gibt sich hoffnungsfroh und erinnert an ihr Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl. Sie bekam in Leipzig 18,3 Prozent der Zweitstimmen. Ganze 78 Bewerber hat die Partei aufgestellt, in den zehn Wahlkreisen ist nur eine Spitzenkandidatin gelistet. Bis zu 15 Sitze im Rat peilt die AfD an und will die »Stadtgesellschaft vom Joch der rot-rot-grünen Einheitsfront befreien«.Die vier AfD-Stadträte der jetzt endenden Amtsperiode verhielten sich weitestgehend unauffällig. Rhetorisch mitreißende Reden ließen sie vermissen, aber auch scharfe Angriffe von beleidigendem Kaliber, wie man es andernorts von der AfD kennt – von Bismarck-Zitaten und anderem nationalistischem Klimbim mal abgesehen. So wurde ihr Vorschlag, einen zentralen Platz nach dem »Eisernen Kanzler« zu benennen, deutlich abgelehnt. Viele eigene Anträge brachte die AfD nicht ein. In ihrem Verhalten wirkt sie wie ein noch rechter ausgeprägter Klon der CDU. Den Mittelstand sieht sie als gebeutelt an. Autofahrer bräuchten Vorrang vor dem Radverkehr und mehr Parkplätze, eine Umweltplakette und Einhaltung von Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerten hält sie für falsch. Lieber sollten die Messstationen an belastungsärmere Standorte umgesetzt werden.

Sicherheit wird großgeschrieben. So stimmte die AfD gegen eine Kennzeichnungspflicht für den Stadtordnungsdienst. Sie fordert härtere Strafen für Graffiti und Leipzig solle endlich den »linksextremistischen Terror« bekämpfen. Dazu müsse man dem Werk 2 und Conne Island die Mittel streichen. Zwischendurch fiel es der Partei schwer, sich von Legida zu distanzieren. Mit der Polizistin, die wegen Körperverletzung im Amt gegen Legida-Blockierer vor Gericht steht, solidarisiert sich die AfD. Ebenso verteidigte sie den Jura-Professor Rauscher. Dessen Twitter-Äußerungen seien 
nicht rassistisch gewesen, sondern nur Ausdruck von Meinungsfreiheit.

Ein Neueinzug in den Stadtrat 2019 soll die »Wende für Leipzig« einleiten. Man hofft auf eine Unterstützung durch die CDU, um konservativ gegensteuern zu können. Wirtschaftswachstum und Jobs benennt die AfD als Problemfelder. Sie fordert kleinere Kitas statt »Verwahranstalten«, die Förderung des Eigenheimbaus von jungen Familien, die Bekämpfung von religiöser und politischer Gewalt. Der »Verhunzung und Diskriminierung der deutschen Sprache und Kultur« wird die AfD »den erforderlichen Widerstand entgegensetzen«. Und: »Mobilität hat Vorfahrt«.TOBIAS PRÜWER

Grundeinkommen: 
Agendasetting für Menschenwürde»Das wird sicher ein spannendes Rennen ;-)«: Der Smiley in der Kandidatenankündigung drückt aus, wie sehr sie selbst an einen Wahlsieg glauben. Vier Kandidaten der Wählervereinigung Leipziger für Grundeinkommen stehen in den Wahlkreisen 4, 5 und 7 zur Auswahl. Und mit dem Gruppennamen auf dem Wahlzettel haben sie schon alles erreicht. Hinter der Vereinigung steht die Initiative Grundeinkommen Leipzig, die für ihr Anliegen werben will: das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Das, erklärt die Initiative, »ist eine monatliche, staatlich garantierte Zahlung an jede Person eines Landes. Die Höhe muss jedem Menschen eine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Jede/r bekommt es – ohne Bedingungen, von der Wiege bis zur Bahre.«

In der Schweiz gab es vor einigen Jahren eine Volksabstimmung, um die BGE-
Idee populärer zu machen. Der Entscheid fiel zwar negativ aus. Aber das Thema war in den Köpfen verankert, wird weiter debattiert. Einen solchen Effekt erhoffen sich auch die Leipziger für Grundeinkommen mit ihrem Agendasetting.TOBIAS PRÜWER

Piraten: 
Freiheit, Transparenz und was zum NaschenTransparenz ist das Piratenthema schlechthin. Mit der Forderung nach mehr Durchsichtigkeit der Prozesse in Stadtverwaltung und Stadtrat positionierten sich die Piraten 2014 bei den Kommunalwahlen. Weitere Anliegen betrafen Konzepte für die Stadt- und Einwohnerentwicklung, die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten und den fahrscheinlosen ÖPNV. Ein Zwölfpunkteprogramm versammelte Ideen, die sich kostenneutral umsetzen lassen würden, darunter freies WLAN in öffentlichen Gebäuden und die Freigabe des Stadtraums für Street Art und Urban Gardening. Nur eine Piratin enterte den Stadtrat: Ute Elisabeth Gabelmann, Kampfname: Piraten-Lily. Noch als designierte Stadträtin strebte sie ein Bürgerbegehren gegen die städtische Förderung des Katholikentags 
im Mai 2015 an.

Den Transprenzgedanken verwirklichen die Piraten gemeinsam mit der L-IZ, indem sie die Ratsversammlungen online streamen. Transparenz übt Gabelmann auch selbst und legt ihre monatlichen Einnahmen und Zuwendungen offen. Die Palette ihrer Stadtratsarbeit umfasste den Pleißemühlgraben, die Ladenvielfalt in der City, Straßenbäume, das Clubsterben, Fledermausschutz, das Wohnen auf Hausbooten, die Jobcenter-Sanktionspraxis, sozialen Wohnungsbau, die Verlegung von Solarpanels auf Straßen und Radwegen oder die Kameraüberwachung im öffentlichen Raum auf dem Online-Themenstadtplan der Stadt. Seit Mai 2017 bildet Gabelmann zusammen mit zwei FDP-Stadträten 
und einer ehemaligen Linken-Stadträtin die Freibeuter-Fraktion.

Das aktuelle Piraten-Wahlprogramm, das – wenig überraschend – einiges 
aus 2014 wiederholt, beginnt mit den Komplexen Arbeit und Soziales sowie Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung: Die selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen Leben soll allen Leipzigern gleichermaßen möglich sein, das Jobcenter transparenter und freundlicher werden. Die Planungen für Orte wie den Leuschner-Platz sollen unter Einbezug der Bevölkerung überarbeitet werden, die Verkehrsplanung soll Betroffene wie Anwohner anhören und Alternativen zum Auto bieten. Die durchschaubare Vergabe von Kitaplätzen ist ebenso ein Anliegen wie deren Ausbau und mehr Investitionen in Schulen. Kunst und Kultur sollen frei und allgemein zugänglich sein, ein monatlicher Zahl-was-du-willst-Tag soll finanzielle Barrieren mindern, und Bauvorhaben sind so zu planen, dass nicht noch mehr Clubs sterben.TOBIAS PRÜWER, FRANZISKA REIF

SPD: 
Auf SchrumpfkursVor fünf Jahren lautete der Slogan »Für unsere Stadt: Ein Leipzig für alle.« Das meinte Sicherheit, mehr Drogenpräventionsarbeit, keinen Stellenabbau bei der Polizei und mehr legale Graffitiwände. Sauberkeit in der Stadt sollte der zweite Arbeitsmarkt liefern und ein Mindestanteil an bezahlbarem Wohnraum in jedem Viertel vorhanden sein.Damit erhielt die SPD 18,2 Prozent, nahm mit 13 Sitzen Platz im Stadtrat und integrierte noch die Piratin Ute Elisabeth Gabelmann. Heute umfasst die SPD-Fraktion elf Mitglieder. Gabelmann trat aus der Fraktion aus, Stadtrat Matthias Weber lief zu den Linken über. Später legte Nicole Wohlfahrt-Bärwald ihr Mandat nieder, die ihre Parteiarbeit nicht genügend gewürdigt sah, als es um die Listenplätze zur Wahl ging. SPD-Stadtchef Hassan Soilihi Mzé verließ gleich die ganze Partei.

Was bewirkte die SPD? Die kooperative Baulandentwicklung wurde von der SPD angeregt. Heißt: Investoren größerer Baugebiete wie etwa Freiladebahnhof Eutritzsch oder das Gebiet um den Bayerischen Bahnhof sollten 30 Prozent Sozialwohnungen bauen. Es wurde das Bündnis für bezahlbares Wohnen angeregt ebenso wie die Aufstellung von drei Giveboxen – sogenannte Tauschboxen, in denen Menschen Nichtmehrgebrauchtes gegen Benötigtes eintauschen können. Seit der 2015 eingeführten städtischen Koordinierungsstelle Graffiti wurde lediglich im Sommer 2017 die »Wall of Fame« an der Antonienstraße als einzige legale Graffitiwand eingeweiht. Gemeinsam mit der CDU wurde der neue Polizeiordnungsdienst auf den Weg gebracht. Die SPD war aktiv gegen die Sperrstunde, um eine lebendige Clubkultur in der Stadt zu sichern, fordert perspektivisch öffentliche Plätze für Open-Air-Partys und einen Beauftragten für das Nachtleben in der Verwaltung. Stark machte sich die Volkspartei, damit das Wackerbad wieder von der Stadt bewirtschaftet und den Verkehrsbetrieben bis 2020 keine Erhöhung des Fahrpreises um zwei Prozent erlaubt wird. Die L-Gruppe soll sich mehr um ihre Kunden kümmern, indem sie Vereine stärkt, Rabatte bei den Sportbädern und bei den Verkehrsbetrieben für Kunden gewährt.

Beim Ost-Konvent der SPD Anfang April gab der sächsische Innenminister und Ost-SPD-Beauftragte Martin Dulig der Partei für den Wahlkampf mit auf den Weg: »Mundwinkel nach oben!« Ob das alle Leipziger Genossen ernst nehmen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.BRITT SCHLEHAHN

CDU: 
Investoren willkommenDas berühmte »Rote Leipzig« ist eigentlich gar nicht so rot, was man auch daran sieht, dass die größte aller Fraktionen im Stadtrat die der Leipziger CDU ist. Gleichwohl scheint diese Stadt-CDU hier nicht viel zu melden zu haben. Das liegt vor allem daran, dass sie von einem Quasi-Rot-Rot-Grün-Bündnis in Schach gehalten wird – und es nie geschafft hat, einen überzeugenden Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl aufzustellen.

Etwas zersplittert wirkt die Leipziger CDU-Fraktion in den letzten zwei Jahren. Jens Lehmann, damals Richtung Bundestag ausgeschieden, war moderat, mit großem Herz für Familien und einer vergleichsweise zurückhaltenden Asylpolitik. Im Wahlprogramm 2014 versprach die CDU Schulausbau und Entlastung im 
Bereich der Kinderbetreuung, außerdem den WLAN-Ausbau im öffentlichen Verkehr, drohte aber auch Einsparungen im kulturellen Bereich an. Das Notfallpaket vom Juni 2018 in Höhe von 155 Millionen Euro hatte dann tatsächlich auf den Missstand an Bildungseinrichtungen reagiert. Dennoch: Die realpolitischen Maßnahmen der CDU zeichnen sich durch eine »Willkommenskultur für Investoren« und Anträge für mehr Sicherheit und Ordnung aus – und speisen damit bewusst die emotionalen Bedürfnisse der potenziellen Wählergruppe. Ganz klar hatte Michael Weickert, der jüngste und polarisierendste Konservative der Fraktion, sein »ungebrochenes Vertrauen in Polizei« bekundet, als 2017 im Stadtrat über die
Kennzeichnungspflicht für die Polizeibehörde verhandelt wurde.
 Mittlerweile ist der ehemalige Lehramtsstudent etabliert; seine Belange
tragen oft einen Hauch Patriotismus, wenn er für erfolgreiche Integration eine deutsche Leitkultur voraussetzt. Das Bild des Vorzeigemigranten ist fraktionsintern 
beliebt – denn wer genug und gute Leistung erbringt, der dürfe natürlich auch bleiben.

Auf städtische Problembereiche reagieren die Christdemokraten gerne mit mehr Kontrolle, höherer Polizeipräsenz, besserer Präventionsarbeit. Sichere Konsumräume für Menschen, die Substanzen einnehmen, hatten sie vehement abgelehnt, trotz der Empfehlung des Leipziger Suchtberichts 2016. So verwundert es kaum, dass Weickert sowie CDU-Stadträtin Andrea Niermann vor Ausgaben zurückschrecken, die an wirtschaftlichem Erfolg nicht messbar sind, und dem kulturellen Sektor vorwerfen, er würde sein »Einsparungspotenzial« nicht nutzen. »Fordern statt Fördern«, das ist das Prinzip der CDU, das schon Jens 
Lehmann 2014 mit härteren Hartz-IV-Regelungen geäußert hatte. Das Interesse der Fraktion ist somit letztlich unverändert, denn sozialpolitische Ansätze müssen, 
wenn symbolisch gefordert, den erhofften Investitionen in Leipzig weichen.YASEMIN SAID

Die Grünen: Bäume, Energie und BasisarbeitDie Leipziger Grünen spielen mit der drittgrößten Fraktion im Stadtrat eine wichtige Rolle im Stadtparlament und in der Verwaltung. Ihnen fiel in der Vergangenheit das mächtige Dezernat Stadtentwicklung und Bau zu. Besetzt wurde es 2013 mit der Kandidatin der Grünen, der parteilosen Dorothee Dubrau. Die Partei verfügt darum über einen ganz besonderen Zugriff auf zwei der wichtigsten Themen in der 
wachsenden Stadt: Wohnen und Mobilität.

Im Jahr 2014 traten die Grünen mit einem der umfangreichsten Programme zur Stadtratswahl in Leipzig an: Auf mehr als 40 Seiten waren die Vorhaben aufgelistet. Da ging es vom Freifunk in der Innenstadt über die Forderung einer Kulturtaxe für Touristen bis zu Kürzungen bei der Stadtverwaltung nebst Schuldenabbau und dem Test der kontrollierten Abgabe illegaler Drogen an Süchtige. Städtische Betriebe sollten ab dem Jahr 2030 ausschließlich erneuerbare Energie nutzen.Mit einem Ergebnis von 15 Prozent und 11 Sitzen zog die Partei schließlich in 
den Stadtrat ein und bildete zusammen mit dem Kandidaten der WVL eine Fraktion, 
die bis heute hält. Erfolge konnten die Grünen vor allem im Bereich des Gleichstellungsreferats verbuchen, die Pläne zum Schuldenabbau mussten weitgehend verschoben werden. Die Stadt Leipzig gilt als relativ gut aufgestellt, was Energie- und Klimaschutzmaßnahmen betrifft – zumindest im Vergleich mit anderen deutschen Städten. Dafür sind vor allem die ehrgeizigen Ziele des Leipziger »Energie- und Klimaschutzprogrammes 2014–2020« verantwortlich, das von einer Mehrheit im Stadtrat beschlossen wurde. Nicht so richtig geklappt hat ein Vorhaben der Grünen von 2014 mit dem Namen »Essbare Stadt«. Das Ziel war, urbane Landwirtschaft und den Aufbau von Gemüsegärten auf städtischen Brachflächen zu fördern. Obwohl die Existenz des Annalinde-Gartens gesichert werden konnte, dürften auf den meisten der damaligen Brachflächen derweil eher die Mieten gedeihen, in Form von schicken Neubauwohnungen.

Den Ausbau des Fahrradwegenetzes in Leipzig schreiben sich die Grünen weiter auf die Fahnen, ebenso die Anstrengungen hin zu einer grüneren Stadt. Aber auch das Thema Wohnen spielt eine Rolle, unter anderem mit dem Vorhaben, jedes Jahr tausend »bezahlbare« Wohnungen in Leipzig entstehen zu lassen. Zur Wahl 2019 können die Grünen mit einem Superlativ aufwarten, der das hohe Engagement der Basis zeigt: Sie stellen mit 110 Gemeldeten die meisten Bewerber und Bewerberinnen für die diesjährige Stadtratswahl.ANDREAS RAABE


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