Am Montag sollte ein Asylbewerber aus der Ernstaufnahmeeinrichtung im Leipziger Norden abgeschoben werden. Nachdem die Polizei ihn abgeholt und ins Revier gebracht hatte, eskalierte die Situation. Der 31-jährige Kameruner wachte schließlich im Krankenhaus auf. Während die Polizei von einem medizinischen Notfall spricht, wirft der Asylbewerber den Beamten Gewalt und Missbrauch vor.
»Diese Nacht ging ich durch die Hölle«, sagt Etong Collins, nippt am Kaffee. Der 31-Jährige Kameruner sollte in der Nacht von Montag zu Dienstag Deutschland verlassen. Gemäß dem Dublin-Abkommen sollte er nach Italien zurückgeführt werden, wo er erstmals einen Asylantrag gestellt hat. Doch es kam anders. An diesem Dienstagnachmittag sitzt er mit müden Augen, geschwollener Schläfe und blutigen Händen in einem Café in der Nähe der Geflüchtetenunterkunft in der Max-Liebermann-Straße. Mit gebrochener Stimme erzählt er, wie er die Nacht seiner versuchten Abschiebung erlebte.
Montag, 26. August, 22 Uhr: Während vor dem Gelände der Unterkunft zwischen 50 und 100 Menschen gegen die Abschiebung protestierten, war Etong bereit, mit den Beamten mitzugehen, erzählt er. Einen Monat vorher hatte er einen Brief bekommen, dass ihn die Beamten am 26. August um 22 Uhr abholen würden. Mit gepacktem Rucksack wartete er, mit etwa einer halben Stunde Verspätung kam ein Einsatzwagen mit sechs oder sieben Einsatzkräften, um den Kameruner abzuholen.
»Hört auf, ich bin krank«
Auf dem Polizeirevier sei die Situation dann recht schnell eskaliert, erzählt Collins. Die Beamten hätten ihn darüber belehrt, dass er besser keine Fehler machen solle, sonst hätte er sofort Handschellen an Händen und Füßen. Collins, der Hepatitis-B-infiziert ist und nach einer Messerstichverletzung in einem italienischen Geflüchtetencamp noch heute an den Folgen leidet, habe den Beamten daraufhin erklärt, dass er nicht vorhabe, sich zu widersetzen, dass er krank sei und sie bitte, auf eine Fesselung zu verzichten. Daraufhin habe ihm ein Beamter von hinten einen Arm um den Hals gelegt, sodass Collins nichts mehr atmen konnte. Die anwesenden Polizisten hätten ihn anschließend zu Boden gebracht, hätten auf seine Hände und seinen Kopf getreten, ihn mit Pfefferspray attackiert. »Ich habe geschrien, dass ich krank bin und sie bitte aufhören sollen«, sagt Collin am Tag danach. Irgendwann sei er bewusstlos geworden und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht.
Fragt man bei der Polizei nach den Vorkommnissen von Montagnacht, heißt es nur, es sei zu einem medizinischen Notfall gekommen, weshalb ein Rettungsdienst alarmiert worden sei. Um was für einen Notfall es sich gehandelt habe, wollte die Pressestelle auf Nachfrage des kreuzer nicht mitteilen. Die LVZ berichtete hingegen, nach Angaben der Polizei habe der Mann einen Anfall erlitten, weshalb er ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung
Im Collins’ Arztbrief, der dem kreuzer vorliegt, heißt es, der Patient sei mit Polizeibegleitung eingeliefert worden, nachdem er auf dem Polizeirevier um sich geschlagen und getreten habe. Er habe daraufhin von der begleitenden Amtsärztin ein Beruhigungsmittel bekommen und sei benommen in die Notaufnahme eingeliefert worden. Auch die Verletzungen an den Händen sind dokumentiert. Um 8.20 Uhr sei Collins am nächsten Morgen aus der Notaufnahme entlassen worden.
Collins’ Weg führte ihn zurück in die Max-Liebermann-Straße. Erneut hat er sich am Eingang der Erstaufnahmeeinrichtung vorgestellt, ist dort wieder aufgenommen worden. Von der Polizei sei weit und breit nichts mehr zu sehen gewesen, so Collins. »Als ich aufgewacht bin, war ich mir sicher, dass ich noch Handschellen trage und ein Polizist neben mir sitzt. Ich war überrascht, dass niemand mehr da war«, sagt der Asylsuchende. Der Schock der vergangenen Nacht lässt ihn nicht los.