An Erzählungen über diese Liaison mangelt es nicht: Robert und Clara Schumann gelten als das ultimative Musiker-Liebespaar. Der in Leipzig produzierte und präsentierte Fernsehfilm »Leidenschaft und Pflicht und Liebe« setzt dezent ein paar neue Akzente.
Was haben wir in den 80ern mit Nastassja Kinski und Herbert Grönemeyer gezittert, die sich in »Frühlingssinfonie« erst so schön anschmachteten und dann trotz der Dauerintrigen des Vaters Wieck (Rolf Hoppe als Erzbösewicht) heiraten durften. Der Kinoerfolg war aber keinesfalls der Anfang der – immer noch vorherrschenden traditionellen Sicht auf die Schumanns: Seit mehr als 100 Jahren gilt Robert als schaffender und viel zu früh verstorbener Künstler, dem durch eine Handverletzung die pianistische Laufbahn verwehrt wurde. Clara hingegen ist die hochbegabte Klavierspielerin, die erst gegen den Vater ihre Ehe ertrotzte und dann zur Wegbereiterin der Musik ihres Gatten wurde.
Man kann die Geschichte aber auch anders erzählen, und spätestens seit Hans Joachim Köhler eine leider viel zu wenig beachtete Doppelbiographie vorlegte, sollte die einseitige Sichtweise eigentlich der Vergangenheit angehören. Denn der Leipziger schmiss nicht nur Vorurteile zu Friedrich Wieck in die Tonne, sondern belegte auch, wie modern Clara erzogen wurde. Und überhaupt: Welcher Vater würde nicht Sturm laufen, wenn sich die frühreife 13-jährige Tochter mit einem neun Jahre Älteren durchaus unplatonisch einlässt?
Ein hübsch gemachtes Denkmal
Magdalena Zieba-Schwind und Andreas Morell, die zum 200. Clara-Geburtstag einen Film über die Künstlerin drehten, entschieden sich jedoch, Clara nicht kritisch zu hinterfragen. »Liebe und Pflicht und Leidenschaft« ist vor allem ein hübsch gemachtes Denkmal. Dass der Film zudem, neben den obligatorischen Wissenschaftlern, auch immer wieder Ragna Schirmer als unbestreitbare künstlerische Autorität in Sachen Clara zitiert, lockert ihn angenehm auf.
Dennoch: Wenn die Pianistin ehrfurchtvoll die Tasten jenes Klaviers streichelt, das die Jubilarin im Gewandhaus spielte, wenn sie dabei nach Worten ringt und schließlich ein »berührend« findet, dann wünscht man, die Autoren wären mit mehr Abstand aufgetreten. Denn Kritisches gäbe es durchaus: Dem öffentlichen Bild als Schumann-Witwe opferte Clara die Beziehung zu ihren Kindern, von denen mehr als eines am Leben scheiterte.
Balance zwischen Dokumentation und Fiktion
»Leidenschaft und Pflicht und Liebe« ein sehenswerter Film, weil er nicht, wie so viele andere Porträts, mit Roberts Tod im Jahr 1856 endet. Vor allem aber, weil die Autoren eine spannende Balance zwischen Dokumentation und Fiktion fanden, als sie in der Schaubühne Lindenfels einige Brief- und Tagebuchausschnitte als surreales Kammerspiel inszenierten.
Für den witzigsten Moment sorgen unfreiwillig die Kinder der Leipziger Clara-Schumann-Grundschule, die vor der Kamera die Bedeutung der Jubilarin erklären sollen. »Sie konnte Klavier spielen. Sie hatte acht Kinder und einen klavierspielenden Mann«, erzählen sie und liefern so selbst eine Paraphrase auf die berühmte Anekdote der 1840er Jahre, als Robert Schumann nach einem umjubelten Konzert seiner Gattin in Russland gefragt wurde, ob er auch musikalisch sei.