Deutschland hat als eines der letzten EU-Länder entschieden, die Hebammenausbildung in ein Studium zu überführen. Anfang 2020 soll die Reform in Kraft treten. Alexandra Kluge, Vorsitzende des Leipziger Hebammenkreisverbands, im kreuzer-Interview über Änderungen und die Pläne der sächsischen Landesregierung.
kreuzer: Der Hebammenberuf setzt bald ein Studium voraus. Ist das gut?ALEXANDRA KLUGE: Ja. Der Hebammenberuf hat sich weiterentwickelt und wird dies auch in Zukunft tun. Das muss sich inhaltlich in der Ausbildung widerspiegeln. Hebammen arbeiten selbständig und unabhängig. Sie müssen mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut sein, komplexe physiologische und psychische Prozesse begleiten und einer großen Verantwortung gerecht werden. Hebammen arbeiten bereits heute auf einem akademisierten Niveau.
kreuzer: In vielen europäischen Ländern ist das Studium für Hebammen längst Pflicht. Die Bundesrepublik hat da erst relativ spät nachgezogen. Mit welchen Auswirkungen?KLUGE: Folgen gibt es aktuell für Hebammen, die sich im europäischen Ausland bewerben. Obwohl eine Richtlinie die automatische Anerkennung innerhalb der EU-Staaten festschreibt, wird Hebammen mit deutschem Abschluss dort oft nur ein Arbeitsplatz auf einem geringeren Qualifikationsniveau angeboten. Die Chancengleichheit auf dem innereuropäischen Arbeitsmarkt ist erst wiederhergestellt, wenn die Ausbildung in Deutschland der EU-Vorgabe entspricht.
kreuzer: Die Umsetzung des neuen Studiengangs ist Ländersache. Wie sieht da die Situation in Sachsen aus?KLUGE: Die Redaktion von Michael Kretschmer hat uns informiert, dass die bisherige berufsfachschulische Ausbildung mit einer Übergangsfrist bis 2026 vollständig in eine akademische Ausbildung überführt werden soll.
kreuzer: Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei dieser Umstellung?KLUGE: Die werdenden Hebammen, die jetzt und zukünftig noch eine Ausbildung an den Berufsschulen absolvieren, werden einen anderen Abschluss erreichen als die studierenden Hebammen im Land. Es ist zu befürchten, dass die möglichen Konsequenzen für Hebammen, die noch eine Ausbildung beginnen, nicht ausreichend kommuniziert werden. Hier sollte zwingend Aufklärungsarbeit geleistet werden.
kreuzer: Zu DDR-Zeiten gab es bereits ein Studium für Hebammen. Was ist damit nach der Wende passiert?KLUGE: Viele Hebammen haben zu DDR-Zeiten an einer Medizinischen Fachschule studiert und somit eine akademische Ausbildung zur Hebamme absolviert. Mit der Wende ist dieser Abschluss rückwirkend an die Ausbildung der alten Bundesländer angeglichen und heruntergestuft worden. Eine bundeseinheitliche Regelung gab es damals nicht. Jedes Bundesland muss nun selbst darüber entscheiden, ob es eine Anerkennung der bisherigen Berufserfahrung, sowie der Fort- und Weiterbildungen geben wird. Damit verbunden werden könnte die Möglichkeit, einen akademischen Titel unter erleichterten Bedingungen zu erlangen.
kreuzer: Angesichts der aktuellen Veränderungen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Berufs?KLUGE: Ich wünsche mir eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der klinischen Hebammen und Ärzte. Eine Berechnung des Personalschlüssels mit dem Ziel einer eins-zu-eins Betreuung für die Geburt, und damit verbunden, die Abschaffung von Nebentätigkeiten im Kreißsaal, die nicht zur originären Hebammentätigkeit gehören. Für die werdenden Hebammen in Sachsen wünsche ich mir einen früheren Start an den Hochschulen als 2026. Es bleibt sonst zu befürchten, dass die Anwärterinnen andere Bundesländer für ihr Studium wählen. Und dann möglicherweise auch beruflich nicht in Sachsen starten.