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Politik

Das Video der Silvesternacht von Connewitz

Diskussion um »linken Terror«: Ein Video zeigt, was wirklich in der Silvesternacht von Connewitz passiert ist

  Das Video der Silvesternacht von Connewitz | Diskussion um »linken Terror«: Ein Video zeigt, was wirklich in der Silvesternacht von Connewitz passiert ist

Nachdem ein Polizist in Leipzig nach Angriffen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, entbrannte eine bundesweite Diskussion über »linken Terror«. Ein Video zeigt erstmals, was wirklich in der Silvesternacht von Connewitz passiert ist.

Menschen werfen Feuerwerkskörper auf Polizisten, ein Einkaufswagen brennt, junge Männer springen und treten auf Beamte ein, Herumstehende grölen »Haut ab, Ihr Schweine!«, Polizisten gehen zu Boden. Aufnahmen aus dem Leipziger Stadtteil Connewitz zeigen eine Eskalation in der Silvesternacht, über die seitdem bundesweit diskutiert wird.

Nach den Krawallen wurde ein Bereitschaftspolizist noch in der Nacht ins Krankenhaus eingeliefert und am Ohr operiert, mittlerweile wurde er wieder entlassen. Drei weitere Beamte wurden leicht verletzt. Vier Personen wurden festgenommen, die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt wegen Mordversuch und Deutschland streitet seitdem, was genau in dieser Nacht passierte und wie gefährlich linke Militanz ist. FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich, Sigmar Gabriel und auch die aktuelle SPD-Chefin Saskia Esken. Der sächsische Ministerpräsident sprach von »linkem Terror«, Sachsen Innenminister von einer »neuen Stufe linksextremer Gewalt«. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte davor, dass sich im linken Spektrum »militante Strukturen nach dem Muster der ›Roten Armee Fraktion‹ (RAF)« entwickeln würden.

Schlüsselmomente der Nacht

Umstritten ist vor allem, was genau in jenen Minuten kurz nach Mitternacht wirklich geschah – und wie organisiert die Angriffe auf die Polizei verliefen. Die Polizei in Sachsen hatte noch in der Silvesternacht eine Pressemitteilung verschickt, in der es hieß, »eine Gruppe von Gewalttätern versuchte einen brennenden Einkaufwagen mitten in eine Einheit der Bereitschaftspolizei zu schieben«. In einem Interview mit Zeit Online sprach der Leipziger Polizeipräsident Torsten Schultze von »einem geplanten und organisierten Angriff« einer Gruppe von 20 bis 30 Personen. »Die Angreifer kamen schnell und verschwanden danach sofort wieder in der Dunkelheit, in der Silvesterböllerei, im Rauch«, so Schultze. Es handele sich um Verbrecher und »Unmenschen«.

Nun liegt ein Video der entscheidenden Szenen der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz vor. Es ist nur knapp eine Minute lang, dokumentiert aber die Schlüsselmomente vor, während und nach der Verletzung des Beamten. Es zeigt allerdings ein deutlich differenzierteres Bild, als das bisher von der Polizei gezeichnete. Der Autor oder die Autorin ist der Redaktion nicht bekannt, Wir haben aber anhand von Augenzeugenberichten, Vor-Ort-Besichtigungen in Connewitz und weiterem Video- und Fotomaterial aus der Nacht aus unterschiedlichen Quellen, die Echtheit des kurzen Films verifiziert.

Das Video zeigt die Szene gegen 0:15 Uhr in der Nacht, als der 38-jährige Polizist im Einsatz am Connewitzer Kreuz angegriffen wird, sein Bewusstsein verliert und von Kollegen abtransportiert werden muss. Die Situation ist unübersichtlich, es ist laut, Raketen fliegen. Durch die Lichtverhältnisse ist nicht immer sofort erkennbar, wer Polizist ist und wer Zivilist. Relativ klar zu sehen ist jedoch, dass es keinen orchestrierten Angriff einer großen Gruppe Linksextremisten auf die später verletzten Polizisten gab.

An dem Abend waren drei Hundertschaften der Polizei, also 250 Beamte, im als links geprägt geltenden Stadtteil Connewitz im Einsatz. An dieser Stelle haben laut Polizei über tausend Menschen in das neue Jahr gefeiert. Unter ihnen sind bürgerliche Anwohner, Party-Touristen, auch eine Spaß-Fraktion von »Die Partei«, bestätigen Augenzeugen und zeigen weitere uns vorliegende Videoaufnahmen. Einige Anwesende sind vermummt und tragen schwarze Pullover und Hosen. Einige so gekleidete Männer greifen Beamte an. Zu sehen sind Pyroraketen, die auf Polizisten abgefeuert werden, Tritte gegen einzelne Polizisten und mindestens ein Wurf mit einem unbekannten Gegenstand, womöglich einem Stein. Ein Mann schubst einen Polizisten zu Boden, der aber wieder aufstehen kann.

Auch ein brennender Einkaufswagen – der mit Pappe wie ein Polizeifahrzeug dekoriert war – ist zu sehen. Jedoch wird er von einem Beteiligten auf dem Platz eher von den Beamten weg- als auf sie zugeschoben. Wenig später steht er entfernt von den angegriffenen Polizisten und spielt in dieser Situation offenbar eine untergeordnete Rolle. In einer Pressemitteilung hatte die Polizei angegeben, eine »Gruppe von Gewalttätern« habe versucht, den Einkaufwagen »mitten in eine Einheit der Bereitschaftspolizei zu schieben«.

Verletzter Polizist trug Helm 

Das LKA Sachsen erklärte nach der Silvesternacht, die Täter hätten den verletzten Beamten Helme vom Kopf gerissen, um massiv auf diese einzuwirken. Diese Darstellung gilt als ein Grund dafür, dass die Staatsanwaltschaft das Geschehen zum versuchten Mord hochstufte. Der Polizeipräsident schilderte in dem Interview mit Zeit Online die Schlüsselszene so: »Wir wissen auch noch nicht genau, was mit dem Helm des schwerverletzten Kollegen passiert ist. Wir gehen davon aus, dass der Helm von seinem Kopf gerissen wurde.« In dem nun vorliegenden Film sieht es hingegen so aus, als ob mehrere Polizisten von Anfang der Festnahme eines Beschuldigten an ohne Helme agiert haben. Schon zu Beginn dieser gefährlichen Situation trägt etwa einer der Beamten seinen Helm in der Hand und nicht auf dem Kopf. Unklar bleibt, warum der Beamte sich in dieser gefährlichen Gemengelage nicht am Kopf schützt. Womöglich sind bei der Polizei die Schilderungen verschiedener Beamter durcheinander gegangen. Weder die Polizeidirektion Leipzig, noch die ermittelnde Sonderkommission Linksextremismus (»Soko Linx«) haben sich dazu auf Anfrage bislang geäußert.

Zuvor hatte die Polizei aufgrund von Recherchen der taz bereits eingeräumt, dass der verletzte Beamte im Krankenhaus nicht »notoperiert werden musste«, wie sie zunächst mitgeteilt hatte. Die taz hatte im Krankenhaus recherchiert, dass es zwar einen Eingriff an der Ohrmuschel des Polizisten gab, er jedoch nicht unter Lebensgefahr stand und es keine Not-Operation gab.

Noch offen ist, ob die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft nun auf gefährliche Körperverletzung heruntergestuft werden. Seit Tagen ermittelt die »Soko Linx« in der Sache. Noch in der Nacht der Eskalation wurden die Ermittlungen bereits vier Stunden nach den Ereignissen, an die Sondereinheit des Landeskriminalamts Sachsen übergeben. Eine ungewöhnlich schnelle Übertragung an eine Fachabteilung in einer Situation, in der noch nicht viele Informationen über Beschuldigte und Situation vorgelegen haben konnten.


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4 Kommentar(e)

Z 12.01.2020 | um 14:30 Uhr

Aha! Und? Wie verlogen und falsch wurde über die angebliche Hetzjagd von Chemnitz berichtet? Eine Hetzjagd, die es so niemals gab! Angriffe auf Polizisten in der Silvesternacht gab es sehr wohl! Hier wird versucht, Straftaten wegen nicht 100%iger Übereinstimmung zum Gesagten zu relativieren, zu verharmlosen! Ganz übel!

ybacu 07.01.2020 | um 09:02 Uhr

Die Übertreibung bis hin zur fake news ist so wie es aussieht Bestandteil der Polizeitaktik. Beschämend.

glen 09.01.2020 | um 10:16 Uhr

Haben wir das gleiche Video gesehen? In dem Video was hier verlinkt ist wird der Wagen mit Anlauf in die Richtung geschoben aus der sich mehrere vermummte Personen zurückziehen, gleichzeitig Feuerwerk in die Richtung schießen und Gegenstände werfen. Ein paar Sekunden später kommen aus der Richtung auch mehrere Polizisten gerannt. Über die Intention des Typen mit dem Wagen kann ich nichts sagen, aber die Verharmlosung die hier betrieben wird mit offensichtlichen falsch aussagen ist einfach lächerlich. Es ist schon dreist genau das zu tun was man der Gegenseite vorwirft: Falschaussagen und Verdrehung von Tatsachen.

xxx 09.01.2020 | um 17:45 Uhr

@glen: Der Einkaufswagen landet definitiv nicht in einer Gruppe Menschen wie von der Polizei behauptet sondern steht dann am Rand des Geschehens herum und es ist auch nicht im Video ersichtlich, dass er irgendwen treffen soll. Wenn der kreuzer das Video genau analysiert und zudem mit Augenzeugen Rücksprache gehalten hat, traue ich den Reporter_innen zu, die Situation besser beurteilen zu können als Menschen, die nicht dabei gewesen sind.