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Kultur

Wenn der Adel vom Elfenbeinturm steigt

Jan Peter Bremer zu Gast bei »Die schlecht gemalte Deutschlandfahne«

  Wenn der Adel vom Elfenbeinturm steigt | Jan Peter Bremer zu Gast bei »Die schlecht gemalte Deutschlandfahne«

Seit Januar 2019 versucht »Die schlecht gemalte Deutschlandfahne« im Neuen Schauspiel monatlich den Spagat zwischen Hochkultur und Show – in der Literatur sind daran schon viele gescheitert (man denke bloß an »Gottschalk liest?«). Zeit für einen Besuch anlässlich des ersten Geburtstags am 8. Januar 2020.

Der Gong tönt, die Veranstaltung beginnt. Moderatorin und Mitbegründerin Rebecca Maria Salentin und ihr Co-Moderator Ralf Donis betreten die Bühne. »Donis ist schwarz«, sagt Salentin und es dauert kurz, bis klar wird: Ach ja genau, die Deutschlandfahne. Salentin trägt ein rotes Kleid, Donis zumindest grau. Und auf den Gast des Abends, Jan Peter Bremer, wartet eine Schaufensterpuppe, die goldenes Haar, Krone und Umhang bereithält. Die drei nehmen Platz, zwei Sessel, ein Sofa, Wohnzimmerflair. Bremer tauscht die Schiebermütze gegen Krone und Umhang; den Rest des Abends sieht er aus wie der König aus dem Märchen, bei dem man nie weiß, ob er nicht doch ein bisschen verrückt ist.

Anekdotenhaft und plauderig geht es in die erste Runde: Der Lebenslauf des Autors wird verlesen. Zwischen die Fakten (»Der kleine Jan ging in die örtliche Dorfschule, wo es nur einen Lehrer gab. Dieser Mann hieß Herr Venus. Herr Venus machte seinem Namen alle Ehre, denn die Hälfte der 24 Schuldkinder waren seine eigenen.«) ist ein »Fake« gemischt, den das Publikum zu erraten hat. Im zweiten Teil (»Im Club der roten Lichter«) wird ein neu erfundener Cocktail gemixt, passend zum Buch des Autors. Im Fall von Jan Peter Bremers »Der junge Doktorand« ist das ein Rezept aus 5 cl Whisky, Zitronensaft »nach Gutdünken«, Zuckersirup und Rotwein (gefloatet) auf Eis mit Rosenblättern – stellvertretend für den Rosenkrieg des Ehepaars Greilach im Roman. Das Rauchen und Trinken auf der Bühne lockert die Stimmung, Bremer beginnt den Inhalt seines vielfach ausgezeichneten Buchs zu erklären. Nachdem das Publikum einen Namen für den Cocktail erfunden hat (»Liebe süß-sauer«, Bremer ist begeistert), geht die Show in die letzte Runde. Der wegen einer Erkältung näselnde Autor liest noch fünfzehn Minuten aus seinem Roman (»Reden ist Silber, lesen ist Gold«), die Krone und der Umhang erschweren es ein bisschen, sich auf die literarische Qualität des Textes zu konzentrieren.

Doch das Publikum interessiert sich sowieso für ganz andere Sachen: »Wann hat Jan angefangen zu rauchen und gab es Pausen dazwischen?«, wird da zum Beispiel gefragt. Auch die Rolle des »Nummerngirl« (Kerstin Preiwuß) kommt gut an, die Autorin hat sichtlich Spaß an ihrem Job als Assistentin. Es gelingt der Literaturshow die Schwelle zwischen Autor und Leser abzubauen, weniger Wasserglas geht nicht. Wer eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Arbeit des Autors erwartet hat, geht, zumindest an diesem Abend, leer aus. Aber ein Buch kann man schließlich auch zuhause lesen.


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