anzeige
anzeige
Stadtleben

Lokales Bier für die Nachbarschaft

In der Plagwitzer Brauerei betreibt Jakob Treige die Kunst des Bierbrauens

  Lokales Bier für die Nachbarschaft | In der Plagwitzer Brauerei betreibt Jakob Treige die Kunst des Bierbrauens

Ein One-Man-Betrieb im Leipziger Westen produziert handwerklich gebrautes Bier. Ein Besuch in der Plagwitzer Brauerei

Ein vierzig Quadratmeter großer ehemaliger Lagerraum auf dem Hof der Markranstädter Straße 8 – das ist seit Januar die Plagwitzer Brauerei. Wo früher eine Dampfmaschine puffte, stehen nun silberglänzende Braukessel. Als Jakob Treige die leere Halle übernahm, klafften Löcher in Fußboden, Decke und an den Wänden. Von Juni 2019 bis Anfang dieses Jahres hat er hier renoviert, am Konzept für seine Brauerei gefeilt »und irgendwann alles, was man sieht, in der Hand gehabt«, erinnert er sich im Gespräch. Dazu gehören drei Braukessel à 400 Liter, eine Schrotmühle zum Malzschroten, ein 1.000-Liter-Drucktank zum Abfüllen und ein Gärbottich. Jeder einzelne Schritt des handwerklichen Bierbrauens ist auf einer Tafel über dem Plattenwärmetauscher dargestellt. Nach dem Gärprozess wird das gegorene, noch nicht gereifte Jungbier in den Drucktank geleitet und später auf 30- und 50-Liter-Fässer gefüllt. Bisher hat Treige Rotbier mit einem Alkoholgehalt von etwa 5 Volumenprozent und Gose mit rund 5,3 Volumenprozent hergestellt. Dieses obergärige Weißbier gewinnt durch Koriandersamen eine eigene Note. Zudem verzichtet Treige auf die Milchsäuregärung: »Ich nehme dafür Sauermalz, ein mit Milchsäure fermentiertes Malz.« Statt mit Himbeer- oder Waldmeistersirup, wie in Kneipen meist angeboten, um die Säure zu mildern, lassen sich mit Treiges Gose sicher auch pur lange Kneipengespräche führen. Auf jeden Fall erweist sie sich beim Probieren (um 11 Uhr vormittags) als süffig und gut trinkbar. Beim vollkommen subjektiv-sensorischen Test schneidet das milde Rotbier, dessen Würze vor allem im Nachgang richtig zu schmecken ist, sogar noch einen Tick besser ab.

Jemand, der so geradeaus ein Start-up angeht, muss viel praktische Erfahrungen, Fingerspitzengefühl und einen klaren Kopf haben. Schließlich lässt sich so ein Projekt auch schnell in den Sand setzen. Doch Treige macht ernst. Den gebürtigen Berliner hatte es mit 20 zum Studium der Ethnologie nach Bayreuth in Oberfranken verschlagen: »Damals gab es den Trend zu handwerklich gebrauten Bieren noch gar nicht, aber mein Herz schlug jedes Mal höher, wenn ich eine dieser kleineren Brauereien um Bayreuth besucht habe.« Er fing an, nebenbei zu jobben, und als das Studium beendet war, bewarb er sich um eine Lehrstelle als Brauer in Niederbayern. Nicht nur der Dialekt war eine Umstellung, 
sondern auch die schwere körperliche Arbeit beim Schleppen von bis zu 75 Kilogramm schweren Säcken und Fässern: »Ich bin in den Familienbetrieb, der noch fast vorindustriell arbeitete, hineingewachsen, spürte aber auch, dass ich mich da nicht kaputtmachen durfte.« So sehr, wie ihn die bayerischen Dorfbrauereien faszinierten, so sehr fehlte letztendlich die urbane Lebensqualität der Großstadt. Mit dem Umzug nach Leipzig bewarb er sich bei einer Brauerei, die Gasthausbrauereien auf großen Kreuzfahrtschiffen unterhielt. Er heuerte an, lernte die Weltmeere kennen und trank am Strand von Jamaika sein eigenes, sächsisches Bier. Doch auch das Leben auf so einem Kahn folgt eigenen Gesetzen. Also ging der Seereisende wieder von Bord, diesmal mit dem Ziel, eine eigenen handwerklichen Betrieb zu gründen. Er bekam für seine Pläne, lokales Bier als Manufakturprodukt zu brauen, viel positive Resonanz, fand Wege der Finanzierung und den Raum in Plagwitz. Ringsum sitzen Gleichgesinnte wie Egenberger Lebensmittel, die Rasselbock-Köchinnen oder die Ölmühle Leipspeis. Treige ergänzt das Portfolio nun mit Fassbier. Ob auch Flaschen dazukommen, hängt vom organischen Wachstum ab, denn »auf Teufel komm raus« will der One-Man-Betrieb nicht expandieren. 
Unterstützt von der Familie und von Freunden sieht er seine Klientel vor allem in kleineren, ebenfalls individuell geführten Kneipen, die Plagwitzer Biere zusätzlich zu den vorhandenen am Hahn zapfen. Vor allem sein Rotbier könnte die Verträge aushebeln, mit denen große Brauereien ihre Gastro-Kunden oft zwingen, nur deren Biere auszuschenken. Ab April will er aus einer eigens in die Tür gebauten Luke auch vor Ort ausschenken.


Kommentieren


0 Kommentar(e)