In insgesamt drei Schulen in Leipzig wurden in den letzten Tagen Kinder positiv auf Corona getestet. Wer selbst Kinder mit ersten Anzeichen auf eine Infektion hat, muss scheinbar viele Telefonate führen und vor allem Geduld aufbringen.
Ich habe einen Sohn, der ist 10 Jahre alt, hat lange rote Haare und geht in die 4. Klasse. Er ist kräftig, fröhlich, hat Spaß an der Schule, neigt nicht zum Krankwerden. Vor drei Tagen kam er nach dem Unterricht nach Hause und hatte Schnupfen. Die Nase lief, er nieste und verbrauchte viele Taschentücher. Na ja, es wird wohl Heuschnupfen sein, dachten wir, da draußen fliegt ja einiges herum zur Zeit.
Abends fing auch sein Bruder, 5 Jahre alt, an, zu schniefen und hochzuziehen. Also: Nase putzen, Nasenspray (wovon ich kein Fan bin) und ab ins Bett. Am nächsten Morgen klagte der Große, der mit den roten Haaren, zusätzlich über Halsschmerzen und fing an, auf eine bedenkliche Art und Weise zu husten. Meine Lebensgefährtin meldete sich auch krank: Husten, Schnupfen, Halsschmerzen. Fieber hatte zu dem Zeitpunkt noch niemand.
In der Schule sitzt mein Sohn jeden Tag mit 25 anderen Kindern und wechselndem Lehrpersonal in einem Klassenraum. Abstandsregeln gibt es nicht, die Kinder sitzen direkt nebeneinander und im Unterricht werden auch keine Masken getragen. Die Entscheidung, die Grundschulen in Sachsen mit voller Klassenstärke zu öffnen, war umstritten. Tatsächlich häufen sich seitdem die Meldungen von Ausbrüchen an Schulen. Aktuell sind allein im Kreis Mittelsachsen vier Schulen und ein Hort betroffen. Auch in Leipzig wurden in den letzten Tagen an zwei Schulen Corona-Fälle gemeldet, nachdem es wochenlang ruhig war: einer in Marienbrunn und einer in Anger-Crottendorf.
Wir beschlossen also, dass unsere Kinder zu Hause bleiben und fassten den Plan, sie zum Corona-Test zu schicken. Solche Tests sind ja keine große Sache mehr heutzutage. Dachte ich zumindest.
Eine befreundete Familie, die das schon durchhatte (Testergebnis: negativ), berichtete, dass das mit den Tests bei Kindern gar nicht so einfach sei: Kinderärzte würden sich weigern zu testen, erzählten sie, man solle am besten gleich »übers Gesundheitsamt gehen«. Ich rief trotzdem erstmal bei unserem Kinderarzt an. Soll man ja so machen, steht auf der Website der Stadt. Dort hörte ich, dass der Doktor eigentlich keine Abstriche macht und ich mich doch – wenn ich »Corona abklären« möchte – an die Corona-Ambulanz in der Uni-Klinik wenden solle. Eine Telefonnummer gabs dazu.
Es war noch früh am Tag, kurz vor 9 Uhr, und ich begann, bei dieser Corona-Ambulanz anzurufen. Es kam eine Ansage wie bei einem abgeschalteten Handy: »Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später nochmal«. Ich tat, wie mir geheißen, doch bei den nächsten vier Versuchen – dieselbe Ansage. Schließlich, beim fünften Mal, landete ich in einer Warteschleife. Die endete relativ schnell, was mich frohlocken ließ, es kam ein Tuten, das Signal, dass es am anderen Ende klingelt. Doch niemand hob ab. So ging es die nächsten zwei Stunden: Entweder: »Nicht erreichbar« oder das ewige Klingeln. Langsam bekam ich so ein komisches Kratzen im Hals.
Dann plötzlich, nach weiteren Versuchen passierte etwas Neues: »Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an ...« Ach so? Ich schaute zur Uhr: 12:02 Uhr. Tja, wochentags um Zwölf macht die Corona-Ambulanz zu. Wusste ich nicht, jetzt war ich schlauer. Anruf beim Kinderarzt, Bandansage: »Wegen der aktuellen Situation ist unsere Praxis nur von 8 bis 11:30 Uhr geöffnet«.Man soll sich ja nicht verrückt machen in solchen Situationen, sondern lieber Eiscreme essen. Die Kinder hatten offensichtlich noch genug Kraft, um sich beim Legospielen gegenseitig anzubrüllen. Noch liegt niemand im Sterben. Also ging ich los, Eis kaufen. Viel Eis.
Am nächsten Tag: Die Corona-Ambulanz ist immer noch nicht erreichbar – das gleiche Spiel wie am Vortag. Inzwischen habe ich auf der Arbeit alle Termine abgesagt, Bekannte äußern sich besorgt. »Corona, oje: Gute Besserung!« Ich habs doch noch gar nicht! Oder zumindest weiß ich es noch nicht. Aber irgendwie ist klar: Solange es keinen Test für die hustenden Kinder gibt, kann ich auch nicht zur Arbeit gehen oder Leute treffen. Das wäre rücksichtslos, oder?
»Es ist lieb von Ihnen, dass Sie so denken. Aber rein rechtlich können Sie ruhig zur Arbeit gehen«, sagt die Frau vom Gesundheitsamt, die ich schließlich über die städtische Corona-Hotline erreiche. Auch sie rät mir, zuerst zum Kinderarzt zu gehen. Als ich erzähle, dass der keinen Abstrich für einen Test machen wird – wie mir die Praxis heute nochmal bestätigt hat –, sagt sie, ja, dass die Kinderärzte das nicht machen, davon habe sie auch schon gehört. Warum das so sei, wisse sie aber nicht.
Ich berichte von meiner Erfahrung mit der unerreichbaren Corona-Ambulanz in der Uni-Klinik. Sie sagt, das höre sie immer öfter, seit zwei oder drei Tagen seien die Corona-Ambulanzen »schwer zu erreichen«. Die Mitarbeiterin nennt mir zwei weitere Telefonnummern von Corona-Ambulanzen in Leipzig: die vom Krankenhaus St. Georg und die vom Herzzentrum Leipzig. Anruf im St. Georg: »Der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar«. Anruf im Herzzentrum: »Der Teilnehmer ist derzeit ...« Ich lege erstmal auf. Und huste ein bisschen vor mich hin.
Mittags wird ein dritter Corona-Ausbruch in einer Grundschule in Leipzig vermeldet – diesmal in Holzhausen. Ein letzter Versuch: Kurz vor 12 – Anruf in der Uni-Klinik. Tatsächlich geht ein Mitarbeiter ans Telefon. In aller Seelenruhe erklärt er mir, ich könne am nächsten Tag vorbeikommen. »Der Weg ist ausgeschildert.« Mal gucken, was draus wird.
Nachtrag:
Am dritten Tag gingen wir in die Corona-Ambulanz der Uni-Klinik. Der Weg war tatsächlich ausgeschildert. Jeder kann dort einfach vorbeigehen, ohne Termin oder Anmeldung. An der Tür muss man einen Einlasser passieren - und man sollte Maske und Krankenkassenkarte nicht vergessen. Alle dort waren freundlich und entspannt, nach 30 Minuten hatten wir es geschafft. Danach gabs Eis. Am vierten Tag kamen die Testergebnisse per Telefon: alles negativ. Was ich ganz positiv fand.