Vorfreude und Hoffnung im Theaterbereich auszusenden, ist derzeit unmöglich. Das liegt nicht am mangelnden Willen – selbst für jede realistische Einschätzung fehlen die Anhaltspunkte. Belassen wir es also hier bei der Beschreibung der Hindernisse, mit denen die Theater, Theatermachenden und Zuschauenden in diesem Jahr rechnen müssen und welche sie eventuell umschiffen können.
Was wir wissen: Personell gibt es ein paar Sicherheiten. Opernintendant Ulf Schirmer wird im Sommer seine letzte Spielzeit antreten. Schauspielintendant Enrico Lübbe wird voraussichtlich bis 2027 verlängert werden – zumindest hat Oberbürgermeister Burkhard Jung angekündigt, das dem Stadtrat vorzuschlagen. Und auch die Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke hat ihr Placet schon gegeben. Christian Watty wird der neue Chef der Euro-Scene werden. Ein denkbar schlechtes Jahr für so einen Start und einen Wechsel nach 27 Jahren. Man muss ihm mehr als Glück wünschen, findet das Festival mit dem November in einer pandemiebedingt ungünstigen Saison statt.
Dann hören die gewissen Sicherheiten aber auch schon auf. Alle sächsischen Staats- und Stadttheater sind bis Ende Februar geschlossen. Was danach passiert? Und mit den freien Häusern und Gruppen? Gute Frage. Das hängt einerseits mit der Länge des Lockdowns zusammen. Vor März werden die kommunalen Häuser nicht öffnen, es ist eher nicht vorstellbar, dass viele Freie-Szene-Orte da eher wieder Theater zeigen. Zumindest nicht in der gewohnten Form – vielleicht als Outdoor-Walk oder Schaufenstertheater. Alles andere wäre wohl kaum vermittelbar und beim Publikum wenig vertrauenswürdig. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Betriebe auch noch länger geschlossen bleiben werden.
Technisch wird der Betrieb in den Sälen herausfordernd bleiben. Die Stadttheater und das gut ausgestattete Lofft werden aufgrund ihrer Klimaanlagen die Virenverbreitung durch Aerosole verhindern oder stark eindämmen können. Das Krystallpalast Varieté hat sich eine entsprechende Klimaanlage angeschafft. Das werden nicht alle können. Allein mit Abstand und Desinfektionsmittel aber wird man der Pandemie nicht beikommen können. Gerade bei der derzeit hohen Zahl Infizierter wird die Luft- und Lüftungsfrage der Knackpunkt sein. Das Problem teilen sich die Theater beispielsweise mit den Bereichen Gastronomie und Schule. Da ist von der Auslastungsfrage, also davon, ob bei reduziertem Publikum überhaupt noch Kosten eingespielt werden können, noch gar keine Rede.
Sich immer wieder ändernde, weil neu ausjustierte Quarantänen und Einreisebestimmungen werden die internationale Zusammenarbeit erschweren. Das betrifft nicht nur Festivals wie das Off Europa, sondern auch solche Player wie das Lofft. Man muss mit diesen Unwägbarkeiten rechnen, die alle Planungen zu Wackelkandidaten werden lassen. Das kann nachhaltige Negativfolgen mit sich bringen.
Die ökonomischen Schäden sind nicht absehbar, viele Theatermachende, gerade die Freien ohne Festanstellung, werden im ohnehin schlecht bezahlten Bereich auf längere Zeit ihr Auskommen mindestens zum Teil anderweitig suchen müssen, nicht wenige sind seit Monaten auf Arbeitslosengeld II angewiesen.
Die Krise als Chance für neue Ästhetiken, Arbeitsweisen etc. zu nutzen, wird vielleicht an manchem Theatertanker möglich sein. Im Großen und Ganzen sicherlich nicht, solange keine neuen Förderstrukturen, finanziell abgesicherte Arten der Zusammenarbeit usw. existieren. Auch hier bleibt die Frage offen, wie viel Theater sich eine Gesellschaft leisten will. Denn das hat das vergangene Jahr auch klar gemacht: Nur mit offenen Formaten wie Parcours oder lediglich als Stream oder anderes Digitalformat kann das Theater seine ureigene Kraft nicht entfalten. Es braucht die Masse des Live-Publikums, aus der gemeinsam mit den Spielenden die theatrale Situation entsteht. Wann wir wieder in Gänze zu dieser finden können, ist leider ungewiss. Und dass sich alle schon aufs Sommertheater freuen, ist in dieser Hinsicht keine so gute Nachricht.