Barbara Köhler ist bekannt für ihre Gedichte und Essays. In der DDR aufgewachsen, arbeitete sie zunächst am Theater in Karl-Marx-Stadt und studierte dann am Leipziger Institut für Literatur. Nun ist sie im Alter von nur 61 Jahren verstorben. Unser Verlagsleiter Egbert Pietsch erinnert sich an frühere Begegnungen mit ihr.
Am 13. März 1991 gab es in der Galerie Eigen + Art, damals in der Fritz-Austel-Straße 31, heute Bornaische, eine Buchpremiere. Veranstaltet wurde sie von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung, damals in der Fritz-Austel-Straße 37, drei Häuser weiter. Die Buchhandlung pflegte gute nachbarschaftliche Kontakte zur Galerie und mietete sich gelegentlich dort ein, vor allem, wenn viel Publikum erwartet wurde. An jenem Abend gab sich die Karl-Marx-Städter Lyrikerin Barbara Köhler die Ehre. Sie stellte ihren Erstling, den Gedichtband »Deutsches Roulette«, vor. Der war soeben in der Edition Suhrkamp erschienen. Ein kleines oranges Taschenbuch, das es in sich hatte.
Barbara Köhler hatte da gerade ihr Studium am Literaturinstitut, damals noch unter dem Patronat Johannes R. Bechers, beendet. Das Publikum kam nicht in Massen, aber die Galerie war gut gefüllt. Köhler hatte in Leipzig durch ihr Studium einen eigenen Freundeskreis, Bekannte aus Chemnitz stießen hinzu, das übliche kulturinteressierte Volk aus Connewitz. Bei einer unbekannten Lyrikerin war und ist das Interesse natürlich auf einen kleineren Kreis begrenzt. Aber es wurde ein anregender Abend. Ins Gästebuch schrieb sie: »Kommt gut übern Markt, bin seit Neuestem auf demselben.«
Ein paar Jahre später zog sie nach Duisburg, weg aus der Chemnitzer Tristesse, die Anfang der 90er mit den Händen zu greifen war. Dabei ähneln sich die Städte ja durchaus. Proletarisch, intensiv, aber den Zenit ihrer Entwicklung fühlbar überschritten. Zumindest bis auf Weiteres. Dennoch erlebte man den Strukturwandel im Ruhrgebiet anders als in der gerade untergegangenen DDR, die ökonomisch einer Schocktherapie unterzogen wurde.
Im ersten Gedicht ihres zweiten Albums heißt es:
Ich übe das Alleinsein, und ich denke, ich habe es darin schon ziemlichweit gebracht. Ich rede mit der Sprache, manchmal antwortet sie.Manchmal antwortet auch jemand anders. Ich rechne nicht mehr damit,verstanden zu werden. Mathematik ist nicht mein Fach.
Was auch Anfang 2021 sehr zeitgemäß klingt, erschien 1995 - auch noch bei Suhrkamp, schon schmuck in Leinen gebunden. Bereits in diesem zweiten Band bildet sich die Erfahrung des Zeitenbruchs 1989 ab. Auch feministische Themen begleiten ihr Werk von Anfang an. Ihr Blick war glasklar und traf in ihrer Sprache exakt.
Ich jedenfalls verlor sie dann aus den Augen, man sah sich noch ein paarmal auf den Fluren der Frankfurter Buchmesse, oder war es die Leipziger? Kurze Gespräche zur Lage im Allgemeinen und zur Lyrik im Besonderen. »Machst Du noch den kreuzer?« war immer ihre erste Frage. Und immer wieder ihr Erstaunen darüber, dass es den kreuzer noch gebe und wie schön das doch sei.
Am 8. Januar verstarb Barbara Köhler viel zu früh mit nur 61 Jahren.