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Stadtleben

Die Schnecke in den Köpfen

Wie es um den Radverkehr in Leipzig bestellt ist

  Die Schnecke in den Köpfen | Wie es um den Radverkehr in Leipzig bestellt ist

Der Ausbau des Radverkehrs in Leipzig ging lange nur schleppend voran. Resultate sind an vielen Stellen mangelnde Sicherheit und Unzufriedenheit der Bürgerinnen. Warum ist so lange nichts passiert? Und geht es jetzt endlich voran?

Wenn es um Radwege in Leipzig geht, wird schnell und gerne die Symbolik bemüht: Auf der Türklinke zum neuen Rathaus sitzt beispielsweise klein aber nicht unbemerkt eine Schnecke. Für einige Radfreunde bereits ein Omen dafür, dass der Ausbau von Radwegen hier keineswegs flott vorangehen kann: Trotz kleiner Erfolge ist die letzten Jahre wenig passiert, um die Verkehrssicherheit von Radfahrenden zu erhöhen. Da es berechtigte Zweifel gibt, dass die Schnecke in den Köpfen der Verantwortlichen nachhaltige Blockaden auslöst und allein für den schleppenden Ausbau verantwortlich ist, lohnt es zu fragen: Wo liegen die Probleme? Und was muss die nächsten Jahre passieren, um Leipzig fahrradfreundlicher zu machen?

Auf Anfrage des kreuzer teilt das Verkehrs- und Tiefbauamt mit, dass zwischen 2016 und 2019 in Leipzig durchschnittlich 4,38 Euro jährlich pro Einwohnerin fürs Rad ausgegeben wurden. Folgt man dem Nationalen Radverkehrsplan der Bundesregierung (NRVP) liegt der Finanzbedarf für eine Stadt wie Leipzig allerdings bei 13 bis 18 Euro pro Einwohnerin und Jahr. Jetzt ist aber auch klar: Es gibt zukünftig mehr Geld. Der aktuelle Haushaltsbeschluss des Stadtrats sieht ein Radverkehrsbudget für 2021/22 im Umfang von insgesamt 10,6 Millionen Euro vor. Damit kommt man bald zumindest auf circa 9 Euro pro Person und Jahr.

Ein entscheidender Faktor der letzten Jahre war jedoch nicht allein das Fehlen finanzieller Mittel: »Es war zu wenig Personal da, um die Planung voranzutreiben«, konstatiert Anja Feichtinger (SPD). Es habe häufig vor allem an Koordination und effektiver Planung gefehlt, denn »die Konzepte waren da«. Da zeigt sich, dass Radverkehr lange keine hohe Priorität bei der Umsetzung von Maßnahmen innehatte. Das kritisiert Rosaline Kreuijer, die Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Leipzig: »Es braucht eine strukturelle Aufstellung der Verwaltung auf Radverkehr, eine flexiblere und agile Arbeitsweise«. Insgesamt also zu wenig Wille?

Zumindest die rot-rot-grüne Mehrheit im Stadtrat treibt das Thema weiter voran. Mit dem Aktionsprogramm Radverkehr zeigen sich die politischen Entscheidungsträger willens, Leipzig fahrradfreundlicher zu machen. Dafür braucht es insgesamt aber mehr Ressourcen in der Stadtverwaltung.Der Haushaltsbeschluss des Stadtrats für 2021/2022 sieht neben der finanziellen immerhin auch eine personelle Aufstockung vor. Im Verkehrs- und Tiefbauamt sollen fünf neue Stellen für Fuß-, Radverkehr und den Öffentlichen Personen- und Nahverkehr entstehen. Dazu kommen nach Forderungen von Rot-Rot-Grün zwei zusätzliche Stellen, die sich dezidiert mit der Planung des Radausbaus befassen. Insgesamt sieht der Beschluss 24 neue Stellen im Verkehrs- und Tiefbauamt vor.

Es bewegt sich also etwas – mehr Geld und mehr Personal und das scheint mit Blick auf die letzten Jahre auch bitter notwendig. Nicht zuletzt der aktuelle Fahrrad-Klimatest des ADFC Leipzig verdeutlicht: Es hapert noch an einigen Stellen. Das Ergebnis der Studie verdeutlicht vor allem das Problem Verkehrssicherheit. Demnach gaben knapp zwei Drittel der Befragten an, sich beim Radfahren in Leipzig gefährdet zu fühlen. Etwa die Hälfte der befragten Leipzigerinnen wünschen sich zudem mehr Engagement der Stadt fürs Rad. Dabei ist insbesondere die Stadtverwaltung gefordert, die letztendlich für die Umsetzung der Stadtratsbeschlüsse verantwortlich ist. »Wir fragen seit mittlerweile anderthalb Jahren nach: Wo bleiben die nächsten Fahrradstraßen?«, sagt Christopher Zenker von der SPD. Für die Zukunft brauche es einen regelmäßigen Bericht über den Ausbau der Stadtverwaltung an den Stadtrat, wie es bereits im Bereich Schulausbau gängig sei. So könne auch klarer werden, wieso bestimmte Maßnahmen noch nicht umgesetzt würden.

Kreuijer vom ADFC hingegen wünscht sich mehr Transparenz und »eine für die Bürger sichtbare Kommunikation der geplanten Maßnahmen und ihrer jeweiligen Umsetzungsstände«. Als Möglichkeiten nennt sie interaktive Online-Karten, wie es sie bereits in Berlin gibt. Auf denen können die Bürgerinnen aktuell nachverfolgen, wie der Ausbau von Baumaßnahmen fürs Rad vorangeht.

In Leipzig zeigt sich trotz Unzufriedenheit der Bevölkerung und versäumter Maßnahmen der letzten Jahre: Das Rad erfreut sich auch zunehmender Beliebtheit. Die letzte Erhebung zur Verkehrsmittelnutzung in Sachsen aus dem Jahr 2018 zeigt: Knapp ein Fünftel der Strecken in Leipzig werden mit dem Fahrrad zurückgelegt – Tendenz steigend. Ein nicht unwichtiger Faktor könnten dabei auch in Zukunft der Einsatz von Pop-up-Radwege sein. In einer Studie der TU Berlin wurden zuletzt 106 europäische Städte analysiert. Ergebnis: Pop-up-Radwege hätten dort für durchschnittlich 11 bis 48 Prozent mehr Radverkehr gesorgt. Das alles scheint also Grund genug, der Schnecke in den Köpfen etwas entgegenzusetzen. Zenker bemüht dafür eine etwas dynamischere Metapher und bleibt optimistisch: »Der Tanker kommt so langsam in Fahrt, er muss aber noch volle Fahrt aufnehmen«.


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