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Stadtleben

Aufruhr aus dem Cockpit

Angestellte von Clever Shuttle machen ihrem Unmut Luft

  Aufruhr aus dem Cockpit | Angestellte von Clever Shuttle machen ihrem Unmut Luft

Ende März haben sich Angestellte von Clever Shuttle mit Kritik am Unternehmen an die Öffentlichkeit gewandt. Es geht ihnen um den betrieblichen Umgang mit der Pandemie und verschärfte Arbeitsbedingungen. Die Betriebsleitung weist die Vorwürfe zurück.

»Hier läuft vieles falsch«, mit diesen Worten meldeten sich Angestellten von Clever Shuttle Ende März unter dem Namen »Betriebsgruppe Clever Shuttle« auf der Online-Plattform Twitter zu Wort. Ziel des neu gegründeten Zusammenschlusses sei es, »über Verstöße von Ethik, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz« beim Unternehmen zu berichten.

Clever Shuttle versteht sich als modernes Taxiunternehmen, das umweltfreundlicher und effizienter als die Herkömmlichen ihrer Art sein will. Statt einer exklusiven Taxifahrt setzt das Unternehmen auf das Modell Mitfahrgelegenheit: Wer den gleichen Weg hat, kann mitfahren und teilt sich dabei auch noch den Preis. Die Flotte besteht ausschließlich aus elektro- und wasserstoffbetriebenen Autos und rundet das grüne Image ab.

Die Vorwürfe vonseiten der Betriebsgruppe sind schwerwiegend: Das Unternehmen sei »ein potenzieller Superspreader«, sagte ein Vertreter der Initiative gegenüber Leipziger Nachrichtenprotal la-presse. Es habe »lange gedauert, bis wir Masken gestellt bekommen haben«. »Von den vorgeschriebenen Corona-Tests haben wir bis heute nichts gesehen«, teilte die Initiative mit. Unternehmen sind in Sachsen seit Ende März dazu verpflichtet, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen kostenfreien Selbsttest pro Woche anzubieten.

»Seit Anfang April stehen allen Mitarbeiterinnen Schnelltests zur Verfügung«, teilt Johanna Reinhardt von Clever Shuttle auf Anfrage des kreuzer mit. Es gebe eine betriebseigene Teststation am Hauptbahnhof, dem Leipziger Standort des Unternehmens. Doch »die wird nicht gut angenommen«, sagt Reinhardt. Das Unternehmen will ihren Angestellten künftig zwei Mal die Woche kostenlose Schnelltests zur Verfügung stellen.

Auch die anderen Vorwürfe weist das Unternehmen zurück. Dass das Gesundheitsamt eingeschaltet worden sei, wie die Betriebsgruppe betont, dementiert die Unternehmenssprecherin: »Vom Gesundheitsamt wurden wir bisher nicht kontaktiert«. Clever Shuttle halte »sich natürlich an alle bestehenden Regeln und Gesetze«. Fahrerinnen stünden Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung, die Fahrzeuge würden zudem professionell gereinigt.

Wie viele Unternehmen hatte auch Clever Shuttle in der Pandemie mit erheblichen Einbußen zu kämpfen: Kundinnen blieben aus. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, hat das Unternehmen außerdem die Sitzplatzzahl während den Fahrten reduziert und »teilweise geteilte Fahrten komplett ausgesetzt«, wie Reinhardt mitteilt.

Auch darum stellte Clever Shuttle im März letzten Jahres nach Absprache mit dem Betriebsrat einen Antrag auf Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsagentur. Dadurch wurden die Arbeitszeiten und Löhne von April bis August entsprechend reduziert. Insbesondere in Niedriglohnsektoren kann dies schnell zu existenziellen Nöten führen.

Doch nicht alle bewerten die Kurzarbeit als Problem: »Durch die damals schnell eingeleitete Kurzarbeit wurde keiner entlassen«, sagt ein langjähriger Fahrer von Clever Shuttle, der sich von der Betriebsgruppe nicht vertreten fühlt und anonym bleiben möchte. Er bringt Verständnis für die Entscheidung von Betriebsrat und Unternehmen auf, auch dafür, wie schnell die Entscheidung getroffen worden ist.

An diesem Punkt übt die Leipziger Betriebsgruppe scharfe Kritik an dem Betriebsrat, der »gegen die Interessen der Mitarbeiterinnen« gehandelt hätte. Dabei geht es der Betriebsgruppe vor allem um die Haltung des Rates. Er würde »alles von der Betriebsleitung durchwinken«. Sie fühlen sich übergangen, nicht nur in Sachen Kurzarbeit. Ebenfalls mit Zustimmung des Betriebsrates hatte Clever Shuttle nämlich die Erhöhung eines Teils der Schichten auf 10,5 Stunden beschlossen.

Die arbeitsrechtlichen Grenzen für eine solche Ausweitung des 8-Stunden-Tages sind eng gesteckt, rührt sie doch an einer historischen Errungenschaft der Gewerkschaften. Dies ginge nur in Absprache mit dem Betriebsrat durch eine betriebsinterne Regelung, heißt es aus der Rechtsschutzabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Auf eine Anfrage zu dieser Regelung reagierte der Betriebsrat nicht.

Fahrerinnen und Fahrer müssen ein Mal die Woche eine lange Schicht übernehmen. Dies ergebe sich aus dem Geschäftsmodell des Unternehmens, sagt Reinhardt. Durch das »On-Demand Angebot«, also dem Angebot auf Knopfdruck, müssten die Fahrten entsprechend flexibel angeboten werden. Dies habe mit der »Intelligenz, die hinter dem System steckt«, zu tun. Das sagt die Unternehmenssprecherin mit Verweis auf den Algorithmus, der die Fahrten berechnet.

Warum dies nur mit einer Verlängerung der Schichten möglich sei und nicht mit mehr kürzeren Schichten, ergibt sich daraus nicht. Aber »bei vielen kurzen Schichten« müsste das Unternehmen »viel mehr Fahrerinnen und Fahrer einstellen, denen wir dann keine Fahrten geben können«, erklärt sie.

Derart lange Schichten stellen insbesondere im Personenverkehr ein Risiko dar. Mitarbeiter berichten etwa von langen Nachtschichten, in denen das Unfallrisiko erheblich steige. Dass es solche Nachtschichten gebe, bestätigte das Unternehmen. Das habe mit den »Nachfragespitzen zu tun, die vor allem ab 17 Uhr bis in die Nacht hinein und am Wochenende entsprechend länger« seien. Reinhardt entgegnet, dass »bisher keine Zunahme an Unfällen« festgestellt worden seien. Sicherheit für Kunden und Fahrer gehöre zu einer Priorität bei Clever Shuttle.

Auch wenn es sehr unterschiedliche Perspektiven auf die vorgebrachten Vorwürfe gibt, der Unmut bei einigen Fahrerinnen scheint groß. Das Unternehmen kündigte an, die Kritikpunkte Ernst zu nehmen. In welche Richtung sich der Konflikt entwickelt, ist ungewiss. Anfang nächsten Jahres finden die nächsten Betriebsratswahlen statt. Da könnten auch arbeitsrechtlich neue Weichen gestellt werden, dann hoffentlich ohne Pandemie.


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