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Kultur

Eine Tonne Tortillas am Tag

Mexikanisch essen und trinken lässt sich im Gallo Leipzig

  Eine Tonne Tortillas am Tag | Mexikanisch essen und trinken lässt sich im Gallo Leipzig


Die mexikanischen Brüder Tovar Prado haben zwei Standbeine an der Karl-Heine-Straße. Mit dabei: kreolischer Mais, Bohnen und ganz viel Chili. Geliefert wird mit dem Lastenrad.

Mexiko liegt an der Karl-Heine-Straße. So sehen es zumindest die beiden Brüder Alan und Alexis Tovar Prado, die hier seit 2018 ihr Tortilla-Imperium aufbauen. Den Anfang machte das Gallo Negro, das außerhalb von Pandemiezeiten authentische moderne mexikanische Küche anbietet und dabei weit weg ist vom üblichen Kaktus-Sombrero-Klischee. »Unser Ziel war ein urbaner Style«, erzählt Alexis, der an der Bauhaus-Hochschule in Dessau Architektur studiert hat. Der große Raum ist aufgeteilt in verschiedene Designs mit großen Blickfängern. Hier holzgetäfelte Wände mit revolutionären Holzschnittwandbildern aus Chiapas, dort blanker Backstein und Street-Art, die das Motiv des Día de los Muertos aufnimmt. Auch die Karte kommt modern und aufgeräumt daher. Bewusst wurde auf texanische Einflüsse wie Chili con Carne oder Enchiladas verzichtet und stattdessen auf eine gehobenere Auswahl mit Lachs, Lammrücken, Oktopus und vegetarischen Varianten gesetzt. Die beiden Mole-Saucen auf der Karte, die Süßes und Scharfes in einem sämigen Sud kombinieren und neben Bohnen und Mais eine der Grundlagen der mexikanischen Küche bilden, sind hausgemacht. Ebenso die Guacamole, die als besondere Nuance mit Granatapfel überrascht. Leider bleibt coronabedingt die Küche zu, so dass ein ausführlicher Geschmackstest nachgereicht werden muss.

Aufgewachsen in 
einem kleinen Ort in den Bergen in der Nähe von Mexiko-Stadt, kamen die beiden zum Studieren nach Deutschland – Alexis ging nach Dessau und Alan beschäftigte sich in Freiburg mit Betriebswirtschaftslehre, um dann an der Universität Leipzig einen Master zu kleinen und mittleren Unternehmen dranzuhängen. Eine gute Grundlage, was Thema und Raum betrifft. Zuerst dachten die beiden an einen Importhandel für mexikanische Waren. Daraus entwickelte sich die Idee eines eigenen Restaurants. Dass die Wahl auf Leipzig fiel, war nicht nur dem Pragmatismus geschuldet. »Wir überlegten, zuerst nach Berlin zu gehen, aber da ist es schon zu voll«, erzählt Alexis. »Leipzig ist eine tolle Stadt und hier an der Karl-Heine-Straße entwickelt sich ja so einiges.« Sie sind heimisch geworden, haben mit Freunden sogar ein eigenes Fahrradteam aufgebaut, mit denen sie etwa an den Fünf-Seen-Classics teilnehmen. Fahrradfahren ist eine große Leidenschaft und Leipziger Kundinnen werden auch mal mit dem Lastenrad beliefert.

Doch ein Restaurant allein macht noch kein Tortilla-Imperium. Bald erweiterten die beiden Brüder ihr Betätigungsfeld, denn sie waren unzufrieden: Es war unmöglich, an gescheite Tortillas zu kommen. Gleichzeitig waren im Westwerk Räume frei. Hier steht nun die erste Showroom-Tortilleria, in der bis zu eine Tonne Tortillas pro Tag produziert werden können. Die werden entweder direkt verkauft oder zu gerösteten Tostadas oder Chips weiterverarbeitet. Außerdem läuft der Verkauf der mexikanischen Importwaren wie Chilis oder eingelegte Kaktusblätter über die Manufaktur mit dem Namen Maíz & Co. Der hiesige süße Futtermais eignet sich kaum für die eher kräftigen Tortillafladen, und so wird der kreolische Mais, den es in verschiedenen Farben gibt, eigens importiert. Neben Tortillas und Chips produzieren die Brüder Tovar Prado auch einen scharf-fruchtigen Chili-Dip auf Jalapeño-Basis namens Guaca-Chile und das Gewürz-
öl Macha aus Knoblauch, Heidelbeeren und Chili, das sehr vollmundig und rund daherkommt. Ihre Kundinnen sind mexikanische Restaurants in ganz Deutschland und Food-Trucks, die derzeit ja voll im Trend liegen. Tortillas, Chips und Salsas sind außerdem online und in den Ahoi-Spätis erhältlich.

Wer nicht nur mexikanisch essen, sondern auch trinken möchte, wird ebenso fündig. Die beiden Brüder haben als Erste in Deutschland den Tequila 1800 importiert und insgesamt 17 Tequilas und Mezcals im Programm. Ein Highlight ist der Chile Ancho, ein Schnaps auf Grundlage von geräucherten Jalapeños, der seine Schärfe erst im Abgang entwickelt und einen passenden Digestiv zu der frisch-fruchtigen Küche darstellt. Welche Wege die echten mexikanischen Leipziger Mais-Tortillas noch nehmen, wird die Zeit nach Corona zeigen.

Dieser Text erschien zuerst in der Mai-Ausgabe des kreuzer 05/21.


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