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Literatur

»Die Rolex des Intellektuellen«

Klaus Benesch erörtert die Frage zur Zukunft des Lesens

  »Die Rolex des Intellektuellen« | Klaus Benesch erörtert die Frage zur Zukunft des Lesens

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Literaturredakteurin Linn Penelope Micklitz taucht diese Woche ein in Klaus Beneschs kritisches Lob der Lektüre.

Nein, die Medien sind nicht schuld daran, dass niemand mehr liest heutzutage. Und dass niemand liest, ist auch nicht erst heute so, sondern schon viel länger! Und überhaupt stimmt das so ja auch gar nicht. Die Frage, die Literaturwissenschaftler Klaus Benesch stellt, ist folgerichtig nicht die Frage nach dem »ob«, sondern dem »wie«. Und er mutmaßt auf der Basis neuerer Studien, dass es sogar sein könnte, dass das Überangebot an Büchern durch Verlage und Selfpublishing Überdruss am Lesen hervorruft. Literaturwissenschaftler Franco Moretti fand heraus: Sowie die Zahl der publizierten Bücher stieg, so stiegen Lesetempo und Spezialisierung. Es wurde überflogen, um der Bücherflut nachzukommen. Der ein oder andere Literaturredakteur mag sich an dieser Stelle ertappt fühlen. Die Frage bei Benesch ist jedoch, »läutet dieser Wandel tatsächlich den Um- und Aufbruch in ein neues Zeitalter der Gegenaufklärung ein, in dem lesegestörte Primaten den Ton angeben und die großen Werke der Weltliteratur zu billigen massenkulturellen Versatzstücken verkommen?«

[caption id="attachment_126984" align="alignright" width="210"] Mythos Lesen; Cover: transcript Verlag[/caption]

Viele Akteure nimmt Benesch ins Visier: Literaturwissenschaftler, neue Technologien, die MINT-Fächer, den Kapitalismus. Die phrasenbehaftete Verteufelung des Nicht-Lesens nimmt der Professor für Nordamerikanische Literaturgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München genauso unter die Lupe wie das »close-reading«: »Ob wir in ein Buch hinein- oder herauszoomen, ob wir es digital mit anderen Büchern vergleichen oder es während akribischer Lektüre bis zur Unkenntlichkeit annotieren (…), ist keinem Buch eingeschrieben« – die Entscheidung liege allein bei den Leserinnen, sagt Benesch. Damit rückt die Geisteswissenschaft selbst in den Fokus und mit ihr der Gedanke, dass unter Umständen sie selbst »endgültig zur Hüterin ihrer eigenen Geschichtlichkeit mutiert.« Damit es soweit nicht kommt, liefert »Mythos lesen« Denkanstöße für das fruchtbare Arbeiten von analoger Literaturwissenschaft und neuen Medien. Und die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn man Proust auf dem Handy liest. Gerade wegen seiner kritischen Töne und dem pathosfreien Blick aufs Buch ist Beneschs Abhandlung das, was sie sein will: Ein Plädoyer fürs Lesen.


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