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Kultur

Alle wollen Sommerrollen

Die asiatische Küche in Leipzig wird zunehmend vegan. Ein kulinarischer Streifzug

  Alle wollen Sommerrollen | Die asiatische Küche in Leipzig wird zunehmend vegan. Ein kulinarischer Streifzug

Die asiatische Küche in Leipzig wartet zunehmend mit veganen Angeboten auf. Vier Restaurants haben wir besucht und den Test gemacht: Kann die fleischfreie Vielfalt an exotischem Gemüse, aromatischen Gewürzen und raffinierten Soßen überzeugen?

Matthias ernährt sich seit rund fünf Jahren vegan. Zuerst waren es nur die Hauptmahlzeiten, dann hat er seine Ernährung Stück für Stück gänzlich umgestellt. Käse, Klamotten, Wein – veganer Konsum ist für ihn weit mehr als nur Ernährung. Obwohl der gänzliche Verzicht auf tierische Produkte zunehmend im Trend liegt, musste er jedoch vielfach die Erfahrung machen, dass das nicht selbstverständlich ist. »Es ist nervig, nicht zu wissen, ob an der Currypaste Fisch ist, oder bei jedem zweiten Gericht fragen zu müssen, ob sie die Soße mit Milch oder die Nudeln mit Ei machen, weil oben drüber einfach ›vegetarisch‹ steht«, sagt er.

Deshalb geht er ungern in Mischrestaurants, also Lokale mit Fleischgerichten und veganen Menüs. »Da weiß man nie, ob sie die Gerichte in unterschiedlichen Pfannen zubereiten.« Beim Fast Food Dealer zum Beispiel ist eher nicht damit zu rechnen. »Die klatschen ihre veganen Burger auf die gleiche Platte, auf der das Fleisch brutzelt. Damit ist der vegane Burger nicht einmal mehr vegetarisch.« Auch Fleischimitate aus Seitan oder Soja – »Fake-Ente« oder »veganes Huhn« – sind für ihn keine Alternative. »In Berlin habe ich da mal aus Versehen echtes Fleisch bekommen. Ich habe es schnell gemerkt, aber so etwas prägt.« Grundsätzlich sind solche »Fleischimitate« aber durchaus eine gute Idee, findet er. »Quasi als Zwischenschritt oder damit man mit passionierten Fleischessern zusammen ausgehen kann.«

Auch in der asiatischen Küche, die seit jeher fleischfreie Vielfalt an exotischem Gemüse, aromatischen Gewürzen und raffinierten Soßen bietet, gibt es in Leipzig sowohl Mischrestaurants als auch jene, über denen groß »vegan« steht und die wirklich nur Tofu, Seitan und Gemüse servieren. Wir beginnen unseren Streifzug im Süden von Leipzig. Das Pho Binh auf der Bornaischen Straße hat einen guten Ruf im Viertel. Die Küche ist allerdings auf Bestellungen außer Haus ausgelegt, zumal das Interieur eher Imbiss als Restaurant ist. Wir ordern trotzdem drinnen und setzen uns an die Luft. Die Sommerrollen als Entrée sind vielversprechend, mit einem würzigen Dip und gefüllt mit frischem, knackigem Gemüse. Das suchen wir bei der Pho mit reichlich Udon-Nudeln leider vergeblich. Aber die Suppe ist aromatisch, was bei einer veganen Pho nicht unbedingt zu erwarten ist, kocht ihr fleischhaltiges Pendant doch traditionell mehrere Stunden im Sud. Gratis dazu bekommen wir das authentische vietnamesische Flair der Straßenküchen, als sich eine Gruppe Connewitzer mit Bier und Zigarette an den Tisch nebenan setzt.

Wie der Vegan Express gegenüber führt das Pho Binh auch Fleisch auf der Karte. Wir versuchen unser Glück im An Chay. Schließlich ist hier die gesamte Küche vegan. Für die Betreiber des vietnamesischen Restaurants auf der Karli ist »vegan ein geliebtes Gefühl – ein Zusammenspiel aus Natur und Leidenschaft«. An einer der vielbefahrenen Achsen der Stadt gelegen und vor allem in den Mittagsstunden rege frequentiert, muss man schon eine gewisse Ausgeglichenheit mitbringen, um hier Ruhe zu finden. Aber der innere Frieden kehrt ein, als das Essen endlich vor uns steht. Die Frühlingsrollen sind vielfältig gefüllt, gebacken und nicht in Frittierfett ertränkt, das Gemüse im »Pfad der Liebe« frisch. Ein wenig mehr Pep und Ideen wären nicht verkehrt, aber der Laden brummt auch so.

Beides findet man fast gegenüber in der Münzgasse im Ouai. Hier stimmt einfach alles, von der freundlichen Bedienung über das urgemütliche Interieur bis hin zu den wunderbar arrangierten, frisch-aromatischen Speisen. »Vegan« ist hier wirklich mehr als nur eine Aufschrift. Gleiches gilt im Westen der Stadt für das Quan Xanh, unscheinbar an der Elster-Passage gelegen und in einem Meer von vietnamesischen Restaurants auf der Zschocherschen Straße. Hier fühlt man sich willkommen, das Essen überzeugt selbst eingefleischte Fleischesser. Und auch Matthias fühlt sich sicher und verstanden.

Dieser Text erschien zuerst in der August-Ausgabe des kreuzer 08/21.


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