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Holpriger Neustart

Die Clubs wollen die Gunst der Stunde nutzen, stoßen aber auf Hindernisse

  Holpriger Neustart | Die Clubs wollen die Gunst der Stunde nutzen, stoßen aber auf Hindernisse

Ist wieder Party angesagt? Clubgänger und Partypeople konnten in den letzten Wochen ein wenig aufatmen. Dennoch stellen sich Hygienekonzepte dem ausgelassenen Nachtleben Leipzigs weiterhin in die Quere. Mjut, Distillery und IfZ sprechen darüber, wie es derzeit um die beliebten Locations steht.

Im Westen wummert es wieder. An den Wochenenden erfreut musikalisches Gelärme aus dem Täubchenthal des nächtlichen Spaziergängers Ohr. Die rund um die Gießer- und Klingenstraße zunehmend wohlsituierte Nachbarschaft scheint sich nicht daran zu stören: Hängte die Spielstätte zur ersten Party noch Zettel im Viertel auf, mit einer Nummer und der Bitte versehen, man möge sich doch sofort melden, falls es zu viel werde, sieht man die mittlerweile nicht mehr.

Das ist nur recht und billig: Bei einer anhaltend niedrigen Inzidenzzahl von unter 10 im Juli gibt es kein sinnvolles Argument dagegen, die Spielstätten wirtschaftlich nach Luft schnappen und die Partypeople mal wieder vor die Tür gehen zu lassen, vor allem, wenn die Bilder europaweiter Massenbesäufnisse von Gnaden der UEFA noch frisch im Kopf sind. Zurzeit bitten die allermeisten Clubs in Leipzig, die dazu in der Lage sind, deswegen wieder zum Tanz. Dabei haben es diejenigen leichter, die, wie das Täubchenthal, über eine große Freifläche verfügen, die direkt an die Venue angeschlossen ist. Davor bauen sie am Wochenende die Teststraße auf, nach der AHA- rückt nun verstärkt 
die 3G-Regel in den Vordergrund, die nichts mit langsamem Internet zu tun hat, sondern für »Getestet, Geimpft, Genesen« steht. Auch das Mjut im Leipziger Osten ist mit einem bespielbaren Außenbereich gesegnet und nutzt diesen für die ersten Veranstaltungen. Schwerer haben es die klassischen Indoor-Clubs wie beispielsweise 
das benachbarte Elipamanoke, in dem gerade noch umgebaut wird, um den Betrieb überhaupt wieder aufnehmen zu können. Über die Situation des IfZ berichtete der kreuzer bereits online: Die Leipziger Technoinstitution kann den Einbau einer Belüftungsanlage, wie sie nach derzeitiger sächsischer Coronaschutzverordnung für eine zünftige Kellerparty obligatorisch ist, nicht aus eigener Tasche bezahlen. Dennoch zeigen sich die Verantwortlichen optimistisch, denn die Stadt befindet sich bei Redaktionsschluss in Kaufverhandlungen mit dem Noch-Eigentümer des Kohlrabizirkus, in dem das IfZ beheimatet ist, die bis Ende Juli abgeschlossen sein sollen. Sollten diese erfolgreich sein, kann der Club Fördergelder beantragen, um den Umbau zu finanzieren – er befindet sich für die Vorbereitung der Anträge bereits in Gesprächen mit den zuständigen Ämtern. Wenn alles klappt wie erhofft, will man so bald wie möglich wieder starten.

Die Distillery ein paar hundert Meter weiter, bereits mit einer angemessenen Belüftungsanlage ausgestattet, hatte indes einen kafkaesken Konflikt mit den Behörden auszutragen, um die Wiederaufnahme des Betriebs überhaupt ermöglichen zu können. Ursprünglich wollte der Club bereits am 10. Juli seine Wiedereröffnung feiern, sah sich am selben Tag aber stattdessen gezwungen, eine ausführliche, im Ton gepfefferte Pressemitteilung herauszugeben: Die Veranstaltung müsse man absagen, da das Gesundheitsamt diese beziehungsweise deren Hygienekonzept nicht genehmigt habe.

Dem vorausgegangen war eine Pilotparty im Juni, die medial überregionale Beachtung fand und unter Anwendung eines Hygienekonzepts, das sich streng an die 3G- und sonstige Regeln hält, vom Amt nicht nur genehmigt, sondern auch allgemein als Erfolg gewertet wurde. »Es irritiert, dass ein Hygienekonzept, welches vor drei bzw. vier Wochen in ähnlicher Form im Rahmen eines Modellprojektes genehmigt wurde, nun nach vermeintlichen Lockerungen durch die neue SächsCoronaSchVO nicht als ausreichend angenommen wird«, hieß es dazu in der Pressemitteilung. Und weiter: »In den Verordnungen werden Hoffnungen geweckt, die sich bei näherer Betrachtung und Einbeziehung des ›Kleingedruckten‹ als unhaltbar herausstellen.«

Der Druck scheint gewirkt zu haben, denn der bürokratische Spuk endete kurz darauf. In der nächsten, ein paar Tage später wesentlich milder formulierten Mitteilung der Distillery war von konstruktiven Gesprächen die Rede. Das Amt genehmigte die Party für das nächste Wochenende. Schlau werden muss man aus diesem Vorgang wohl nicht, aber feststellen, dass die sächsische Verwaltung in Sachen »Neustart Kultur« eine ebenso gute Figur macht wie im Hinblick auf die Planung des nächsten Schuljahres: Leider nein, leider gar nicht.

Der Artikel erschien zuerst in der August-Ausgabe des kreuzer 08/21.


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