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Kultur

Zunge zuerst

Mit einem experimentellen Festivalformat eröffnet das TdJW die Spielzeit

  Zunge zuerst | Mit einem experimentellen Festivalformat eröffnet das TdJW die Spielzeit

Beim Theater der jungen Welt ist das Motto der nächsten drei Wochen: »All in«. Insgesamt acht Premieren hat das Ensemble aus sich selbst heraus erschaffen. Spielerisch können hier die eigene Identität, aber auch Geschlechterrollen entdeckt werden.

Herzlich willkommen im Mundraum! Es schmatzt und rollt bei diesen Zungenspielen, mit denen die drei Spielerinnen das Publikum herrlich albern auf den Geschmack bringen. Man durchstreift pelzige Landschaften, spannt Spuckeschirme auf und lernt den kleinen Umami kennen. »Bääätsch – Zunge raus!« machte schon beim Probenbesuch Spaß und die Spielerinnen des Theater der Jungen Welt (TdJW) können in ihrer Freude, endlich wieder Theater zu machen, stellvertretend für ihre Kolleginnen an den anderen städtischen Bühnen stehen.

Das Stück ist Teil des »All in«-Premierenmarathon des TdJW, der acht Aufschläge über drei Wochen beinhaltet. Jeder wurde von Künstlerinnen selbst erarbeitet, auch als eine Teambuilding-Maßnahme. »Aus sich heraus hat das Superensemble die Produktionen geschaffen«, sagt TdJW-Intendantin Winnie Karnofka. Neben der Zungen-Produktion sind darunter ein Audio-Walk durchs TdJW-Gemäuer und eine musikalische Sprechstunde. In einem Ballroom kann sich das Publikum selbst feiern und wird unter anderem dazu angeleitet, sein Spiegelbild tanzend zu vertonen. Mit »All you can be in 45 Minutes« werden Möglichkeiten der Identität durchgespielt. Basis ist Virgina Woolfs Roman »Orlando«, in dem die Figur ständig ihr gesellschaftliches Geschlecht wechselt. Die beiden Spielerinnen werden sich aber auch der Tierwelt zuwenden, etwa als riesige Muscheln auftreten und sich andere Gesellschaften anschauen, wie diese Geschlechterrollen und -zuschreiben organisieren. Es ist ein verspielter Zugang zum Thema, in dem nichts Geringeres als die Frage des Menschseins berührt wird.

»Wann wenn nicht jetzt in dieser fragilen Situation, sollten wir uns Gedanken über die Veränderungen im Theater machen«, sagt Intendantin Karnofka. Für die Stücke wurden extra zwei frei bespielbare Raumbühnen geschaffen. Die Produktionen sind nicht nur als Experiment gedacht, sondern als kleinere Formate auch besonders flexibel und vielerorts spielbar – falls die Pandemie doch einen Strich durch die Spielplanplanung macht. Doch jetzt öffnet das TdJW erst einmal wieder seine Pforten.


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