Wenn die Blätter am Karl-Heine-Kanal mit den knallbunten Graffitis um die Wette leuchten, ist es wieder soweit: Der Oktober ist da und mit ihm das alljährliche Lindenow. An diesem Wochenende öffnen diverse Kunsträume in Lindenau, Plagwitz und Leutzsch ihre Türen.
»Das wird ganz groß!« Bei Sätzen wie diesen sprüht Henrik Rohde vor Vorfreude. Zusammen mit Sophie Constanze Polheim übernimmt er dieses Jahr zum dritten Mal die künstlerische Leitung des Lindenow, dem jährlichen Kunstrundgang im Leipziger Westen. Dieser will unkommerziellen Kunsträumen in Lindenau, Plagwitz und Leutzsch mehr Sichtbarkeit verschaffen. Das ist auch das Credo des gleichnamigen Vereins Lindenow: Seit 2012 fördert er unabhängige Kunsträume im Leipziger Westen – »Kunst ohne Kommerz im Hinterkopf«, nennt der Verein das. Konkret heißt das für Rohde und Polheim: Organisation, Werbung, Anlaufstelle für neue Initiativen und Schnittstelle für die finanzielle Förderung. »Wir versuchen einfach, Kunsträume zusammenzubringen«, fasst Rohde zusammen. Übers Jahr verteilt haben die beiden Netzwerktreffen organisiert und alle Künstlerinnen eingeladen, die »Bock haben, am nächsten Lindenow mitzumachen«.
In diesem Jahr kann man ganze 47 Räume besichtigen. Eine beachtliche Zahl, findet Rohde: »Das zeigt, wie viel kreatives Potenzial im Leipziger Westen steckt!« Dabei sind die meisten der Kunsträume nicht-kommerziell; viele ehrenamtliche Initiativen, bei denen die rein künstlerische Motivation im Vordergrund steht. »Das ist wirklich eine besondere Tradition hier in Leipzig – da können sich andere Städte ‘ne Scheibe von abschneiden«, ist Rohde überzeugt. Für die diesjährige 3G-Edition der Veranstaltung erwartet er tendenziell mehr Besucher als in den letzten Jahren: »Gerade im bunten Plagwitz freut sich bestimmt jeder, dass nach der Corona-Pause wieder solche Veranstaltungen steigen«.
Als das Kunstraumfestival 2008 in die erste Runde ging, sah die Situation in Lindenau noch etwas anders aus: »Da gabs noch nicht viele künstlerische Räume abseits der Spinnerei«, erinnert sich Rohde. Daraus entstand die Grundidee, sich zusammenzuschließen, »damit die Leute verstehen, dass es sich lohnt, in den Westen zu fahren«, so der Entstehungsgedanke. Quasi eine Art »zusammen sind wir stark« für die Kunstszene. Inzwischen ist die Gentrifizierung in Plagwitz zwar auf einem anderen Level, der Grundgedanke bleibt für Rohde jedoch gleich: »Leute kennenlernen, sich austauschen und sehen, was hinter den Türen so passiert«.
Was wo passiert, kann man auf der Lindenow-Website in Erfahrung bringen – oder man lässt sich einfach durch die drei Stadtteile treiben. Da kann man auf die Gruppenausstellung »AND NOW« in der Halle 14 stoßen, die regionale, überregionale und internationale Künstler zusammenbringt und am Samstagabend eine Konzertnacht verspricht. Oder aufs Tapetenwerk, in dem HGB Studierende und Alumni unter dem Namen »Game Changer« ausstellen. Auch unübliche Räume stehen dieses Wochenende im Zeichen der Kunst, beispielsweise das Architekturbüro Studio Schön mit Malereien des Künstlers Aika Furuwaka.
Allen kunstinteressierten Hobby-Flanierenden kann es übrigens passieren, unterwegs auf Fernsehmacher in voller TV-Montur zu stoßen: Der Hitness Club verwandelt das Noch besser Leben übers Wochenende in ein temporäres TV-Studio und präsentiert das Festival im vor Ort produzierten Livestream. Gefördert wird die 17. Lindenow-Edition durchs Leipziger Kulturamt, die Stiftung Kunstfonds und das Programm Neustart Kultur. Eintritt ist selbstverständlich frei – so wie es sich für ein nicht-kommerzielles Kunstfestival gehört.