Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. In dieser Woche liest Literaturredakteurin Linn Penelope Micklitz die Graphic Novel »Fürchtetal« der Leipziger Geschwister Färber.
Die in Leipzig lebenden und arbeitenden Geschwister Färber eint nicht nur die Verwandtschaft, sondern auch ein schwerer Schicksalsschlag: Ihr Vater begeht Suizid. Gemeinsam begeben sich Markus und Christine in der Zeit danach auf eine Reise durch Wald und Tal ihrer Kindheit. »Sie schreibt ihm, er zeichnet zurück«, heißt es auf dem Umschlag der großformatigen Graphic Novel aus dem Hause Rotopol.
Während das Buch außen noch durch die Farben Türkis und Koralle dominiert wird — im Innern bleiben nur Grautöne. Die Reise der Geschwister führt durch das Fürchtetal. Und so, wie die Geschwister in Text und Bild mit der Landschaft verschmelzen, laufen auch die Bilder selbst ineinander. Da streben die Wurzeln des obersten Panels durch alle weiteren hindurch, und bilden im untersten ein Geflecht, das mit den Bäumen oben nichts mehr zu tun zu haben scheint. Eine dichter Haarschopf fließt über die Bildgrenzen hinweg und wird zu einem reißenden Strom. Die Texte hingegen werden fragmentiert, jeder Satz scheint zuletzt nur noch aus einzelnen Worten zu bestehen, die aneinander gelegt die Schichten einer vielgestaltigen Trauer beschreiben. »Manchmal / schreien die Vögel / so laut, / dass ich denke, / er ist einer von ihnen.«
Ein intimer Einblick in den Schmerz und die Hilflosigkeit, der einen tief hineinzieht, aber zuletzt doch wieder ausstößt und ein bisschen anders zurücklässt — mit neuem Blick auf alte Wunden.
Markus Färber (Illustration), Christine Färber (Text): Fürchtetal. Kassel: Rotopol 2021
LINN PENELOPE MICKLITZ